Abschaffung der Straftat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort bei Sachschäden - was halten Sie denn davon?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.06.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht4|1885 Aufrufe

Ich bin ja großer Freund der Abschaffung von Straftateständen, wie etwa der Beförderungserschleichung. Darüber wird ja derzeit auch immer noch diskutiert. Ebenfalls in der Diskussion: § 142 StGB, soweit es um Flucht nach Sachschaden geht. Erwogen wird, § 34 StVO ein wenig inhaltlich aufzustocken. Aus den stockenden Vorarbeiten an dem von mir mitverfassten Buches "Unfallflucht" weiß ich, dass derzeit Verbands- und Praktikeranhörungen stattfinden. Ich finde die Initiative gut und befürchte auch nicht eine Art Anarchie im Straßenverkehr. Wie sehen Sie das? Sollte es bei der alten Norm verbleiben oder sollte etwas im Rahmen des § 142 StGB geändert werden?

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4 Kommentare

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Es sollten erst einmal die Reformvorschläge des 56. VGT 2018 umgesetzt werden.  Für ein Unfallopfer kann ein Sachschaden im vierstelligen Bereich ohne bestehende Vollkaskoversicherung finanziell schlimmer sein als leichte Verletzungen, bei denen die Krankenkasse die Heilbehandlung und der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung übernimmt.

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Ich teile die Meinung von Innenminister in M-V Christian Pegel bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik 2022 in Schwerin:

"Jeder fünfte Unfallverursacher flüchtet

Für eine aktuell diskutierte „Entkriminalisierung“ des Straftatbestands „unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ sehen weder die beiden Minister noch Verkehrswächter Hacker einen Anlass: „Die Zahl derer, die vom Unfallort flüchten, ist seit vielen Jahren unverändert hoch. Auch 2022 bedeuten 10.308 mal Unfallflucht bei insgesamt 53.500 Unfällen, dass fast jeder fünfte Verursacher unerlaubt den Unfallort verlässt – und damit eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren riskiert. Oder anders ausgedrückt: alle 51 Minuten flüchtet ein Unfallverursacher vom Ort des Geschehens. Zum Glück geht es beim weit überwiegenden Teil dieser Fälle – 96 Prozent ­– um Unfälle mit ausschließlich Blechschaden. Diese deshalb zu einer Ordnungswidrigkeit herunterzustufen, sei keine gute Idee:

„Wir können doch unseren Bürgern nicht signalisieren, wenn jemand ihr Auto beschädigt und sich unerlaubt davonmacht, ist das nicht so schlimm. Dass Unfallflucht streng bestraft wird, sorgt dafür, dass sich die Verursacher melden aus Furcht vor der Strafe, die ihnen droht, wenn sie ermittelt werden. Droht ihnen nur Bußgeld, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich noch weit mehr Verursacher von Blechschäden als bislang unerkannt vom Unfallort entfernen. Und die Geschädigten blieben schuldlos auf ihren Kosten sitzen“, sagte Christian Pegel."

https://www.polizei.mvnet.de/Presse/Berichte/Verkehrsunfallstatistik-2022/

Zwanzig Prozent der Unfallverursacher flüchten, trotz der Strafandrohung in § 142 StGB. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele sind, aber aus Erfahrung hatte ich immer noch den Eindruck, dass es viele sind. Nach meiner Einschätzung flüchten deswegen so viele, weil sie damit eine andere Straftat verdecken wollen, z.B. Trunkenheit oder Konsum von anderen Drogen. Die Abwägung erscheint auch plausibel. Wenn sie nicht flüchten und die Feststellung ermöglichen, sind sie wegen Trunkenheit dran. Wenn sie flüchten, aber später ermittelt werden können, dann sind sie wegen Fahrerflucht dran. Trunkenheit wird man in vielen Fällen ihnen nicht mehr nachweisen können. Trunkenheit oder Fahrerflucht, das ist dann die Frage. Bei Fahrerflucht besteht zumindest eine Chance, beidem zu entkommen.

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Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus ergibt sich im Gerichtsverfahren bei den meisten Bagatellkollisionen, dass dem Verursacher die Wahrnehmung des Unfalls nicht nachzuweisen ist, aber auch, dass sehr viele geschädigte Fahrzeuge Altschäden aufweisen. Vor diesem Hintergrund müsste wenigstens vor dem Führerscheinentzug zwingend ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Unfallanalytikers eingeholt. Explizit nicht beauftragt werden sollten Sachverständige, die in einem Interessenkonflikt stehen, weil sie einem Büro oder einer Organisation angeschlossen sind, die an Schadengutachten nach der Schadenhöhe verdienen.

Abgeschafft gehört die Pflicht zur Selbstanzeige bei der Polizei. 

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