Der PHK ist Alki....54 Monate weniger Ruhegehalt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.08.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1250 Aufrufe

Tja. Der PHK trinkt. Er kommt davon nicht los. Und natürlich fährt er dann auch noch betrunken. Er musste deshalb ein Disziplinarverfahren über sich ergehen lassen:

 

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten erkannt.

 II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 Gründe:

 I.

 Mit der vorliegenden Disziplinarklage begehrte der Kläger die Zurückstufung des Beklagten; nach dessen Ruhestandsversetzung stellte er den Klageantrag um auf die Kürzung des Ruhegehalts.

 1. Der am … … 1975 geborene Beklagte trat am 1. September 1994 in den ehemaligen mittleren Dienst der Bayerischen Polizei. Am 23. April 2002 erfolgte die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Im April 2006 bestand er die Anstellungs-/ Aufstiegsprüfung für den ehemaligen gehobenen Polizeivollzugsdienst. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2012 erfolgte seine letzte Ernennung zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11); mit Wirkung vom 1. Dezember 2014 wurde seine Dienstbezeichnung in Polizeihauptkommissar umbenannt.

 Der Beklagte ist seit 23. Dezember 2013 bei der Polizeiinspektion (PI) … tätig, seit 1. Februar 2020 als Dienstgruppenleiter. In der letzten periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2018 erhielt er das Gesamtprädikat von sieben Punkten; von weiteren Beurteilungen wurde er wegen des laufenden Disziplinarverfahrens zurückgestellt.

 Der Beklagte ist verheiratet und Vater von drei Kindern (geb. 2007 und 2012 – Zwillinge).

 Er ist wie folgt straf- und disziplinarrechtlich vorbelastet:

 Mit Urteil vom 16. April 2018 (M 19L DK 17.2402), rechtskräftig noch am selben Tag, sprach das Verwaltungsgericht München gegen ihn die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von 36 Monaten aus. Vorangegangen war ein Strafverfahren, in dem das Amtsgericht Dillingen a.d. Donau ihn mit Strafbefehl vom 5. August 2016 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 Strafgesetzbuch – StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70 € (2.800 €) verurteilt und ihm für die Dauer von drei Monaten die Fahrerlaubnis entzogen hatte.

 Das Polizeipräsidium München sprach mit Disziplinarverfügung vom 1. April 2015, bestandskräftig seit 14. April 2015, eine Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von 18 Monaten gegen ihn aus. Dieser Disziplinarverfügung ging ein strafrechtliches Verfahren mit den Vorwürfen einer versuchten Datenveränderung und der Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten voraus, das mit Verfügung vom 28. August 2013 nach § 153a Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurde.

 2. Das Amtsgericht Augsburg verhängte mit Strafbefehl vom 2. März 2021, rechtskräftig im Schuldspruch seit 15. März 2021 und in den Rechtsfolgen seit 10. Mai 2021, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) gegen den Beklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten mit einer Bewährungszeit von drei Jahren; außerdem entzog es ihm erneut die Fahrerlaubnis und erlegte ihm auf, einen Geldbetrag in Höhe von 3.000 € an eine gemeinnützige Einrichtung zu entrichten. Dem lag zugrunde, dass er am 5. Dezember 2020 gegen 21:50 Uhr in … … mit seinem Pkw gefahren sei, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Er habe dabei wiederholt erhebliche Probleme gehabt, die Spur zu halten, und sei auf die linke Spur und den Standstreifen geraten. Seine Fahruntüchtigkeit hätte er bei kritischer Selbstüberprüfung erkennen können und müssen. Das Ergebnis der entnommenen Blutprobe ergab letztlich eine Blutalkoholkonzentration von 2,52 Promille.

 3. Wegen des unter 2. geschilderten Sachverhalts leitete das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West mit Schreiben vom 14. Januar 2021 disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen den Beklagten ein und setzte das Disziplinarverfahren gleichzeitig bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus. Unter den Daten des 7. April und 3. August 2021 wurden Persönlichkeitsbilder für ihn erstellt. Nach Abschluss des Strafverfahrens mit vollständiger Rechtskraft des Strafbefehls am 10. Mai 2021 setzte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West das Disziplinarverfahren mit Schreiben vom 15. Juli 2021 fort. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 übernahm das Polizeipräsidium München das Disziplinarverfahren als Disziplinarbehörde. Mit Schreiben vom 18. Februar 2022 schloss dieses die disziplinarrechtlichen Ermittlungen ab.

 Der Beklagte erhielt im behördlichen Disziplinarverfahren mehrfach die Gelegenheit zur Äußerung, von der er mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 1. April 2022 Gebrauch machte.

 4. Am 21. Juli 2022 erhob die Disziplinarbehörde Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht München und beantragte ursprünglich, den Beklagten zurückzustufen.

 Neben der unter 2. dargestellten Verurteilung mit Strafbefehl vom 2. März 2021 wurde ihm ein Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholabhängigkeit vorgeworfen. Nach einem ebenfalls unter Alkoholeinfluss verursachten Verkehrsunfall am 25. Januar 2016 habe er in der Zeit vom 9. Mai bis 29. Juli 2016 eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie in der Fachklinik Zwieselberg absolviert; die Therapie und ihr Erfolg seien im Entlassungsbericht vom 1. August 2016 dargestellt. Anschließend sei vom 9. August 2016 bis 18. Januar 2017 eine ambulante Suchtnachsorge bei der Caritas in … erfolgt (vgl. undatierter Abschlussbericht Suchtfachambulanz …). Bei Begutachtungen durch den Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei am 2. November 2016 und 6. November 2017 sei bei ihm Alkoholabstinenz dokumentiert worden; die Ergebnisse fänden sich in den Gesundheitszeugnissen vom 18. November 2016 und 1. Dezember 2017. Zur weiteren Einhaltung der Alkoholabstinenz sei er mit Schreiben des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West vom 17. November 2016 und – in einem vorangegangenen Disziplinarverfahren – des Polizeipräsidiums München vom 7. Februar 2021 unter Belehrung über die disziplinarrechtlichen Folgen im Falle der Zuwiderhandlung aufgefordert worden. Bei einer weiteren, nach der Alkoholfahrt vom 5. Dezember 2020 beantragten polizeiärztlichen Untersuchung am 10. Dezember 2020 habe er eingeräumt, im November 2019 alkoholrückfällig geworden zu sein. Entsprechend habe die polizeiärztliche Untersuchung eine Alkoholproblematik deutlichen Ausmaßes ergeben mit der Notwendigkeit eines erneuten stationären Aufenthalts in einer Suchtklinik. Er habe daraufhin vom 13. Januar bis 15. April 2021 eine erneute stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung in der … in … … absolviert.

 Die in dem ergangenen Strafbefehl getroffenen tatsächlichen Feststellungen könnten der Entscheidung im Disziplinarverfahren nach Art. 25 Abs. 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) zugrunde gelegt werden. Die Alkoholproblematik bei dem Beklagten und der durch die Trunkenheitsfahrt vom 5. Dezember 2020 aufgedeckte Rückfall in die nasse Phase ergäben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Er habe daraus erkennbar für einen längeren Zeitraum alkoholabstinent gelebt, und zwar vom Abschluss der ambulanten Suchtnachsorge am 18. Januar 2017 bis November 2019, als er nach eigenen Angaben rückfällig geworden sei oder sogar bis zu der erneuten Trunkenheitsfahrt am 5. Dezember 2020. Zu seinen Gunsten werde von glaubhaften Angaben zu einem Rückfall bereits im November 2019 und einer Abstinenz von mindestens 34 Monaten ausgegangen.

 Durch die Trunkenheitsfahrt am 5. Dezember 2020 und den Alkoholrückfall habe der Beklagte ein einheitliches Dienstvergehen begangen und gegen seine Gesunderhaltungspflicht, die aus der Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG), und der allgemeinen Treuepflicht folge, sowie gegen seine Pflicht, sich seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), verstoßen. Der Rückfall in die nasse Phase einer Alkoholabhängigkeit begründe ein innerdienstliches Dienstvergehen. Er sei hier disziplinarrechtlichen relevant, weil die erneute Abhängigkeit Folgen im dienstlichen Bereich gezeitigt habe und der Beklagte im Zeitpunkt des Rückfalls in der Lage gewesen sei, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholsucht mit Erfolg zu begegnen. Zudem ergebe sich aus dem Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom 21. Dezember 2020 eine eingeschränkte Einsatzfähigkeit des Beklagten und sei dieser nach der Alkoholfahrt am 5. Dezember 2020 vom 7. Dezember 2020 bis 15. April 2021 durchgehend krankgeschrieben gewesen und habe sich – nach Einbringung seines Jahresurlaubs – vom 3. Mai bis 16. Juni 2021 in der Wiedereingliederungsphase befunden. Diese dienstlichen Folgen der Alkoholabhängigkeit seien ihm auch subjektiv vorwerfbar, weil er durch die vorangegangene erfolgreiche Behandlung in einer Suchtklinik mit ambulante Nachsorge in die Lage versetzt worden sei, dem Alkohol zu widerstehen.

 Zu Gunsten des Beklagten seien die vom Dienststellenleiter der PI … am 7. April und 3. August 2021 gefertigten Persönlichkeitsbilder zu werten. Deutlich zu seinen Lasten spreche die einschlägige disziplinar- und strafrechtliche Vorbelastung. Unter Berücksichtigung des Umfangs der Pflichtverletzung und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit sei insgesamt eine Zurückstufung geboten.

 Der Beklagte beantragte,

 auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als eine Zurückstufung zu erkennen.

 Er beruft sich im Wesentlichen darauf, vor den vorgeworfenen Vorfällen nicht in den Stand gesetzt worden zu sein, dauerhaft aus eigener Kraft alkoholabstinent zu leben. Damit komme durchaus eine Ahndung durch eine weitere Bezügekürzung infrage.

 Die Disziplinarbehörde teilte mit Schreiben vom 6. April 2023 mit, dass der Beklagte mit Ablauf des Monats März 2023 aus nicht mit der Alkoholabhängigkeit zusammenhängenden Gründen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sei. Daher werde nunmehr beantragt,

 das Ruhegehalt für die Dauer von fünf Jahren in Höhe von 1/10 zu kürzen.

 Auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 29. Juni 2023 haben die Parteien ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Beschluss und einer Kürzung des Ruhegehalts für die Dauer von 54 Monaten um 1/10 erklärt.

 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

 II.

 Über die Disziplinarklage kann nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDG aufgrund der Einverständniserklärung der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden. Nach Art. 43 Abs. 2 BayDG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entscheidet der oder die Vorsitzende der Disziplinarkammer über die Disziplinarklage.

 Gegen den Beklagten wird die Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten ausgesprochen (Art. 12 BayDG).

 1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Fehler auf. Insbesondere war der Personalrat nicht zu beteiligen, weil der Beklagte dies nicht beantragt hat.

 2. Das Gericht legt dem Beklagten die in der Disziplinarklage dargestellten Sachverhalte zur Last.

 2.1. Ihm ist eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt im Verkehr am 5. Dezember 2020 vorzuwerfen. An diesem Tag nahm er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,52 Promille am Straßenverkehr teil. Dieser Vorwurf ergibt sich aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2021, rechtskräftig im Schuldspruch seit 15. März 2021, dem nach Art. 25 Abs. 2, Art. 55 Halbs. 1 BayDG Indizwirkung zukommt. Der Beklagte hat den im Strafbefehl festgestellten Sachverhalt vollumfänglich zugestanden. Der Strafrahmen für fahrlässige Trunkenheit liegt nach § 316 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

 2.2. Weiter ist dem Beklagten ein disziplinarrechtlich relevanter Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung vorzuwerfen.

 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483 – juris, Rn. 65) führt zur disziplinarrechtlichen Relevanz eines Rückfalls in die „nasse Phase“ aus:

 „Aus der Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf gemäß § 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) folgt, dass ein Beamter zur Erfüllung seiner Pflichten seinem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen und diese im Interesse des Dienstherrn erhalten muss. Dies bedeutet aber nicht, dass Beamte generell keinen Alkohol konsumieren dürften. Auch die Alkoholkrankheit als solche ist disziplinarrechtlich nicht vorwerfbar. Erst wenn deren Folgen in den dienstlichen Bereich hineinreichen, wird die Alkoholabhängigkeit disziplinarrechtlich relevant, sei es, dass der Beamte im Dienst oder kurze Zeit davor Alkohol zu sich nimmt, sei es, dass der Alkoholkonsum eine zeitweilige oder dauernde Dienstunfähigkeit zur Folge hat. Zudem müssen dem Beamten die dienstlichen Folgen der Alkoholkrankheit auch subjektiv vorwerfbar sein. Dies erfordert regelmäßig eine entsprechende Belehrung und Aufklärung über die aus der Alkoholkrankheit folgende Gesunderhaltungspflicht und die disziplinarrechtlichen Folgen der Verletzung dieser Dienstpflicht, so dass dem Beamten diese Pflicht und die Folgen ihrer Verletzung bei Tatbegehung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Außerdem muss er trotz seiner Alkoholkrankheit in der Lage gewesen sein, deren dienstliche Folgen zu vermeiden. Zu den dienstlichen Pflichten eines alkoholkranken Beamten gehört es, nach einer Entwöhnungsbehandlung den Griff zum „ersten Glas“ Alkohol zu unterlassen, weil jeder Genuss von Alkohol nach einer Entzugstherapie das Verlangen nach weiterem Alkohol wieder aufleben lässt und so erfahrungsgemäß in die „nasse Phase“ der Alkoholabhängigkeit zurückführen kann. Dennoch ist es nicht das „erste Glas“ selbst, das disziplinarrechtlich bedeutsam und als beamtenrechtliche Pflichtverletzung vorwerfbar ist. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält der Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholsucht erst, wenn eine Entwöhnungstherapie erfolgreich war, so dass der Beamte im Zeitpunkt des Rückfalls in der Lage war, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholsucht mit Erfolg zu begegnen, und wenn die erneute Abhängigkeit Folgen im dienstlichen Bereich hat.“

 Im vorliegenden Fall war die stationäre Entwöhnungstherapie des Beklagten in der Fachklinik … vom 9. Mai bis 29. Juli 2016 mit anschließender ambulanter Suchtnachsorge vom 9. August 2016 bis 18. Januar 2017 erfolgreich. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht der Fachklinik … vom 1. August 2016, wo „mindestens kurz- bis mittelfristig … von einer eher günstigen Prognose“ ausgegangen wird, und dem undatierten Abschlussbericht der Suchtfachambulanz …, in dem ihm eine sehr hohe Abstinenzmotivation bescheinigt wird. Auch bei Begutachtungen durch den Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei am 2. November 2016 und 6. November 2017 wurde bei ihm Alkoholabstinenz dokumentiert (vgl. Gesundheitszeugnisse v. 18.11.2016 und 1.12.2017). Nach seinen eigenen Bekundungen gegenüber dem polizeiärztlichen Dienst bei einer Untersuchung am 10. Dezember 2020 war er erstmals im November 2019 wieder alkoholrückfällig, was durch die Untersuchung bestätigt wurde (vgl. Gesundheitszeugnis v. 21.12.2020). Damit liegt Alkoholabstinenz jedenfalls für die Zeit vom 18. Januar 2017 bis November 2019 (34 Monate) vor. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass er vor der Trunkenheitsfahrt am 5. Dezember 2020 nicht in den Stand versetzt worden sei, dauerhaft aus eigener Kraft alkoholabstinent zu leben, hält das Gericht diesen Vortrag durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen für widerlegt.

 Der Alkoholrückfall hatte auch massive dienstliche Auswirkungen. Nach der Alkoholfahrt am 5. Dezember 2020 war der Beklagte vom 7. Dezember 2020 bis zum 15. April 2021 durchgehend krankgeschrieben und absolvierte vom 13. Januar 2021 bis 15. April 2021 eine erneute Alkoholentwöhnungstherapie in der … Nach Einbringung seines Jahresurlaubs erfolgte eine sechswöchige Wiedereingliederung. Außerdem konnte er nach seinem Dienstantritt „zunächst bis zur polizeiärztlichen Nachuntersuchung nur im Innendienst ohne Führen von Dienstkraftfahrzeugen und Dienstwaffen eingesetzt werden“ (vgl. Gesundheitszeugnis v. 21.12.2020).

 Vor dem Alkoholrückfall war der Beklagte mit Schreiben des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West vom 17. November 2016 und – in einem vorangegangenen Disziplinarverfahren – des Polizeipräsidiums München vom 7. Februar 2021 zur Alkoholabstinenz aufgefordert und auf die disziplinarrechtlichen Folgen im Falle der Zuwiderhandlung hingewiesen worden.

 3. Mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten hat der Beklagte außer- und innerdienstlich gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen.

 Mit der Trunkenheitsfahrt hat er außerdienstlich seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 316 StGB), verletzt. Die außerdienstlich begangene Pflichtverletzung ist disziplinarrechtlich relevant nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Auch wenn aufgrund des Strafrahmens von § 316 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) das erst bei Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren beginnende Mindestmaß an disziplinarrechtlicher Relevanz (vgl. BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11) nicht gegeben ist, erlangt die Tat bei dem Beklagten als Polizeibeamten disziplinarrechtliche Bedeutung. Als solcher genießt er in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung und wird das zur Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn er selbst erhebliche Straftaten begeht (BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 2 B 21.16 – juris Rn. 10).

 Der Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholabhängigkeit und die Nichtbeachtung der Weisung zur Alkoholabstinenz aus den an ihn gerichteten Schreiben des Dienstherrn stellen innerdienstliche Verstöße gegen die Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz den Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), die die Gesunderhaltungspflicht beinhaltet (BayVGH, U.v. 25.10.2017 – 16a D 15,1110 – juris Rn. 40), und die Pflicht zur Beachtung dienstlicher Anordnungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) dar.

 Mit sämtlichen Taten hat er die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt.

 4. Dem Beklagten ist auch Verschulden vorzuwerfen. Im Hinblick auf die Trunkenheitsfahrt liegt nach den Aussagen im Strafbefehl Fahrlässigkeit vor. Der Alkoholrückfall erfolgte vorsätzlich; der Beklagte hat den Eintritt der alkoholbedingten Einschränkungen der Dienstfähigkeit zumindest billigend in Kauf genommen, so dass insoweit Vorsatz in Form des dolus eventualis zu bejahen ist (BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483 – juris Rn. 68). Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit oder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit liegen nicht vor.

 5. Das festgestellte einheitliche Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt.

 Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale). Zu berücksichtigen sind auch die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BayVGH, U.v. 18.1.2023 – 16b D 21.560 – juris Rn. 21).

 Im vorliegenden Fall bilden der Rückfall die „nasse Phase“ der Alkoholabhängigkeit und die Trunkenheitsfahrt am 5. Dezember 2020 wegen der Verklammerung durch exzessiven Alkoholkonsum und den Auswirkungen auf den Dienstbetrieb eine einheitliche Tat. Bei einer in Zusammenhang mit einem Alkoholrückfall stehenden Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit kommen sämtliche Disziplinarmaßnahmen in Frage (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2022, MatR II Rn. 299; BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483 – juris Rn. 82). Im Hinblick auf die vorzeitige Ruhestandsversetzung des Beklagten stehen hier lediglich die Disziplinarmaßnahmen der Kürzung (Art. 12 BayDG) oder der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) zur Verfügung.

 Vorliegend ist bei dem Beklagten die Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten geboten. Im Hinblick auf seine erhebliche straf- und disziplinarrechtliche Vorbelastung wäre bei Fortdauer seines Dienstes nur die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung (Art. 10 BayDG) in Betracht gekommen. Eine Kürzung der Dienstbezüge wäre nicht ausreichend gewesen, weil die beiden vorangegangenen Bezügekürzungen mit Disziplinarverfügung vom 1. April 2015 und Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. April 2018 offensichtlich keine Wirkung gezeitigt haben. Die beiden vorangegangenen Disziplinarmaßnahmen sind nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 (fünf Jahre) und Abs. 2 Satz 1 und 2 BayDG auch noch verwertbar, weil das gegen ihn am 14. Januar 2021 erneut eingeleitete und noch nicht abgeschlossene Disziplinarverfahren einem Verwertungsverbot entgegensteht. Im Hinblick auf die positiven Persönlichkeitsbilder, die wiederholten Bestrebungen des Beklagten zu Abstinenz und Behandlung und den Umstand, dass infolge der – mit der Alkoholerkrankung nicht in Zusammenhang stehenden – Ruhestandsversetzung eine Wiederholung der Taten ausscheidet, erscheint lediglich eine Kürzung des Ruhegehalts im vorgenommenen Umfang als die angemessene, aber auch erforderliche Disziplinarmaßnahme. Der Kürzungsbruchteil in Höhe von 1/10 bei dem Beklagten als Beamten in der 3. Qualifikationsebene ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2001 (1 D 29.00 – juris Ls. und Rn. 20).

 6. Das Maßnahmeverbot des Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG steht der Kürzung des Ruhegehalts nicht entgegen. Eine solche darf neben der verhängten Freiheitsstrafe nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Letzteres ist angesichts der dienstlichen Stellung des Beklagten als (ehemaliger) Polizeibeamter der Fall.

 7. Die Kosten des Verfahrens waren nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG dem Beklagten aufzuerlegen, weil gegen ihn im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wurde.

 Der rechtskräftige Beschluss steht nach Art. 57 Abs. 3 BayDG einem rechtskräftigen Urteil gleich.

VG München Beschl. v. 27.7.2023 – M 19L DK 22.3598, BeckRS 2023, 18749

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