Bayerische Staatsanwälte sollen jahrelang intensiv ermittelt haben, nur um ein "Leck" im LKA aufzuklären?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die Süddeutsche und die Abendzeitung berichteten heute über einen Fall, der schon vergangene Woche über den Regionalblog Regensburg Digital Aufmerksamkeit erregt hat:
Es geht um den Passauer Journalisten Hubert Denk und eine undichte Behördenstelle.
Denk hatte Anfang 2010 im Passauer Bürgerblick u.a. über eine Hauptverhandlung berichtet, die sich aus den Umkreis der Ermittlungen gegen den Labor-Unternehmer Schottdorf ergeben hatte. Schottdorf wird vorgeworfen, mit einem Netzwerk von medizinischen Labors die Versichertengemeinschaft um große Summen (angeblich 78 Millionen Euro) geschädigt zu haben, es geht um Abrechnungsbetrug. Allerdings ist die Rechts- und Tatsachenlage alles andere als einfach zu beurteilen. Zu früheren Vorwürfen gegen Schottdorf vgl. diesen Spiegel-Artikel. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde in den Nuller-Jahren beim LKA eine "SoKo Labor" eingerichtet, die bis 2008 tätig war. Seit Februar 2012, also seit 1,5 Jahren liegt in Augsburg offenbar eine Anklage gegen Schottdorf vor (Bericht: Augsburger Allgemeine), eröffnet wurde bisher nicht.
Im Zuge der genannten Ermittlungen stießen die Ermittler auch auf eine Parteispende Schottdorfs aus dem Jahr 2005. Schottdorf hatte der CSU über ihren damaligen Ministerpräsidenten Stoiber 20.000 Euro (woanders heißt es 25.000 Euro) gespendet.
Kopien der Spendenbelege und eines Briefs an Stoiber gelangten auf bisher unbekanntem Weg an Hubert Denk, der darüber berichtete. Die Angaben in seinem Artikel (Print) entsprachen zwar der Wahrheit. Dennoch versuchte Schottdorf mit Hilfe seiner Rechtsanwälte den Artikel Denks zu unterdrücken, angeblich erzeuge er in seiner Gesamtheit einen falschen Eindruck. Vor dem OLG Köln fanden Schottdorf und RA Gauweiler mit dieser „Eindrucksthese“ aber kein Gehör, sie zogen die Klage zurück.
Die Grünen fragten 2010 im Landtag nach der Spende und der schrittweisen Reduktion der Soko Labor. Das Justizministerium antwortete relativ ausführlich unter Bezugnahme auf einige der Ermittlungsverfahren gegen Schottdorf.
Auch eine weitere Anfrage, diesmal von den Freien Wählern, wurde 2011 vom Justizministerium ausführlich beantwortet.
Liest man diese Antworten, könnte man annehmen, damit strebe der Fall nun auf rechtsstaatlichem Wege seiner Erledigung entgegen: Ob Schottdorf, der wegen ähnlicher Vorwürfe auch schon einmal freigesprochen wurde, sich tatsächlich strafbar gemacht hat, soll das LG Augsburg demnächst klären. Dass Journalisten im Staat des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung auch kritisch berichten dürfen, steht ebenfalls völlig außer Frage. Auch wurden die Hintergründe der Ermittlungen zu der Spende von der Pressesprecherin der StA München damals ja freimütig bestätigt (Quelle):
"Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger, bestätigte gegenüber Bürgerblick, dass Anfang Juli 2007 in dem Verfahren „Schottdorf“ Unterlagen über eine Parteispende zur CSU über 25.000 Euro aufgetaucht seien. Der Fall sei der politischen Abteilung übergeben, überprüft, jedoch keine strafbare Handlung erkannt worden: „Die Spende wurde ordnungsgemäß angemeldet, verbucht und veröffentlicht“. Das dem Scheck beigefügte Begleitschreiben an den Ministerpräsidenten habe nur der „Hoffnung" Ausdruck verliehen, "dass alles gut wird.“ Der ehmalige SOKO-Leiter des LKA hatte im Zeugenstand den Inhalt als „Erwartungshaltung“ interpretiert."
Offenbar ist die Staatsanwaltschaft aber anderer Auffassung. Jedenfalls nach Auskunft des Verteidigers von Denk wird seit drei Jahren intensiv ermittelt, wer den Spendenbeleg an Hubert Denk geleitet hat. Nach Angaben seines Anwalts sollen schon 35 Polizeibeamte, Richter und ein früherer Staatsanwalt vernommen worden sein, offenbar um dem „Leck“ auf die Spur zu kommen (Quelle). Sollte der Aufwand zum Auffinden eines Lecks tatsächlich so groß gewesen sein, wie Regensburg Digital mit Berufung auf den Verteidiger Denks berichtet, und sollte es wirklich nur um diesen einen "Verrat" gehen, wäre das in der Tat eine ziemlich überzogene Ermittlungstätigkeit und damit eine Ressourcenverschwendung, der der neue Justizminister nachgehen müsste.
Angeblich soll die Nürnberger Staatsanwaltschaft auch gegen Denk wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes ermitteln (§ 201 StGB). Dieser Tatbestand setzt allerdings ein "Abhören" oder ein unbefugtes "Aufnehmen" des nicht öffentlich gesprochenen Wortes voraus. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Journalist seine Information durch eine solche Aktivität erlangt hat und nicht etwa durch ein "Leck", werden allerdings nicht genannt. Auch wäre zu beachten, ob nicht "überragende öffentlcihe Interessen" entgegenstehen. Da die Tatsache der Spende und die Umstände der Ermittlungen schon vor dem Artikel Denks in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden waren, scheint mir auch fraglich, ob es sich inhaltlich überhaupt um ein schützenswertes Geheimnis handelte (vgl. Fischer, Rn.4 zu § 203 StGB).
(den vorstehenden Absatz habe ich nach dem Diskussionsbeitrag von "Gastmann", s.u., korrigiert)
Auch eine „Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen“ §§ 353 b, 26 StGB, wie der andere Vorwurf angeblich lautet, erschiene mir nicht unmittelbar einleuchtend. Welche „wichtigen öffentlichen Interessen“ sollen denn gefährdet worden sein durch Bekanntwerden des Spendenbelegs – nachdem die Tatsache der Spende ohnehin schon in einer öffentlichen Hauptverhandlung Thema war? Eine Berichterstattung über angebliche "Skandale" oder Missstände reichen in einer demokratischen Gesellschaft nicht aus, um ein gewichtiges öffentliches Interesse zu gefährden (so Fischer Rn. 13b zu § 353 b StGB). Zudem ist bei der Frage der Teilnahme an § 353 b StGB durch Journalisten Art. 5 GG zu beachten, in dem die Pressefreiheit und damit auch der Informantenschutz garantiert ist (vgl. dazu BVerfGE 117, 244: Fall CICERO) .
Nun, bisher stehen noch Reaktionen der Staatsanwaltschaften bzw. des Ministeriums auf die Meldungen aus. Ich bin gespannt, ob die Vorwürfe, die der Anwalt Hubert Denks erhebt, tatsächlich zutreffen.