99 Umzugskisten und 16 Mrd. Euro Steuergelder
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Im Vergleich zum Freispruch sei die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen "nur der Spatz in der Hand", wird der Strafverteidiger zitiert. Aber der Angeklagte spare sich damit einen sich weiter hinschleppenden Prozesses.
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete, Vorstandsvorsitzender und Fiannzvorstand hätten die Lage des Kreditinstituts in den Geschäftsberichten für 2007 und für das erste Halbjahr 2008 unrichtig dargestellt und damit Investoren und Öffentlichkeit getäuscht. Der Angeklagte hielt dagegen, dass das Kreditinstitut, wenn nicht gerettet, so doch zumindest geordnet abgewickelt werden können - hätten nicht andere die Kreditwürdigkeit des Instituts schlecht geredet.
Die Tagesmedien setzen jetzt die 16 Milliarden Steuergelder, die zur Rettung der HRE eingesetzt wurden, ins Verhältnis zu den 18.000 Euro bzw. 25.000 Euro Geldauflage zur Einstellung des Verfahrens. Verdikt der großen deutschen Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben: "Gier-Banker kommt glimpflich davon" - oder etwas seriöser: "Sie nannten ihn 'Bankster'" in einer anderen Tageszeitung.
Nach hier vertretener Einschätzung sind die Probleme aber vor allem anders gelagert:
Stehen der Justiz ausreichende Ressourcen zur Verfügung, um "white collar crime" wirksam verfolgen zu können?
Eine funktionierende moderne Volkswirtschaft braucht 'fair play'. Wenn sich die Investoren auf die Darstellung in den Finanzinformationen nicht mehr verlassen können, beherrschen die Gerüchte so lange den Finanzmarkt, bis er zusammenbricht. Dazu braucht es aber Strafverfolgungsbehörden, die auch den § 331 HGB genauso effizient anwenden können, wie das Strafgesetzbuch. Denn es ist dem Rechtsverkehr nicht geholfen, wenn aus Unsicherheit heraus alles und jedes verfolgt wird, sich Verfahren in die Länge ziehen, aber die wirklichen Verfehlungen nicht geahndet werden.
"Wir sagen, dass diejenigen, die unverantwortliche Geschäfte gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Dafür wird die Bundesregierung sorgen." zitierte Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg vor knapp zehn Jahren die damalige und wahrscheinlich auch zukünftige Bundeskanzlerin im Oktober 2008. https://community.beck.de/2008/10/06/bundeskanzlerin-wir-sagen-dass-diejenigen-die-unverantwortliche-geschafte-gemacht-haben-z
Nicht einmal zehn Jahre später bleibt festzustellen: Eine Bundeskanzlerin kann solche Versprechen gut geben. Denn die personelle und finanzielle Ausstattung der Justiz ist Ländersache. Das aktuelle Beispiel zeigt: gerade Wirtschaftstrafsachen binden Kapazitäten und besonders Bilanzdelikte erfordern spezifische Kenntnisse. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften sollten nicht unbedingt mehr Fälle aufgreifen - so viel kriminelle Energie gibt es nicht in deutschen Unternehmen. Aber die Strafverfolgungsbehörden sollten die Ressourcen haben, die wichtigen Fälle zügig abzuarbeiten. Denn 'Hängepartien' nutzen weder der Gerechtigkeit noch dem Rechtsempfinden.