Keine 7% für gemeinnützige Gastronomie und Toilette
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG gehört zu den "Kopfschmerzregelungen" im Steuerrecht: dreimal gelesen, dann immer noch unsicher, welcher Steuersatz im konkreten Fall anzuwenden ist? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt noch eine 'bittere Pille' hinzugefügt: eine steuerbegünstigte Körperschaft erhält nicht grundsätzlich den ermäßigten Umsatzsteuersatz, auch wenn eine wirtschaftliche Aktivität der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke dient (BFH, Urteil v. 23.07.2019 - XI R 2/17). Im entschiedenen Fall ging es um ein Bistro und eine kostenpflichtige öffentliche Toilettenanlage.
Paragrafen mit "gilt nicht" und "gilt nur" in zwei aufeinander folgenden Sätzen sind immer mit Vorsicht zu genießen, ganz besonders, wenn zum "gilt nur" auch noch ein "nicht in erster Linie" hinzutritt. Denn bei gesetzlichen Fiktionen in Kombination mit dem wertenden Begriff "in erster Linie" kann die Auslegung des einen Gesetzesanwenders leicht von der des anderen abweichen. Ein Musterbeispiel ist der streitgegenständliche § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG. Der Reihe nach: § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a) UStG gesteht steuerbegünstigten Körperschaften den ermäßigten Steuersatz bei ihren Leistungen zu. Wirtschaftlich kommt dies einer Subvention gleich. Wenn der Ausgangsumsatz mit 7% USt besteuert wird, kann die Vorsteuer trotzdem in voller Höhe (in der Regel: 19%) gezogen werden, macht eine Umsatzsteuer-Ersparnis von bis zu 19% minus 7% gleich 12% aus. Bei Einrichtungen, in den beispielsweise Schwerbehinderte arbeiten, kann diese Begünstigung Sinn machen, da jemand mit einer Behinderung im Regelfall nicht in gleichem Maße produktiv sein können wie die Konkurrenz. ABER: dieser Regelfall wird gleich in Satz 2 von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a) UStG zurückgenommen: für Leistungen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gilt der Regelsteuersatz. Das ist verständlich, da dieser Teil der steuerbegünstigten Organisation wie alle anderen Unternehmen behandelt werden soll. Doch dann kommt der Horror jeden Gesetzesanwenders in in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a) Satz 3, erste Alternative UStG: Für den Zweckbetrieb soll der ermäßigte Umsatzsteuersatz zwar auch grundsätzlich gelten, aber nicht,
wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden,
Erste Frage: Was bedeutet "nicht in erster Linie"? Zweite Frage: Wann stehen Umsätze "in unmittelbarem Wettbewerb"?
Fangen wir mit der zweiten Frage an: gibt es Umsätze von Zweckbetrieben, die nicht in direkter Konkurrenz mit Regelversteuerern stehen? Der Verfasser kann sich das nur bei Beratungsstellen vorstellen, wo die Kosten regelmäßig höher sind als die Erträge. Auch im Gesundheitswesen mag es Randbereiche geben, wo kein Privater eine/n Pfleger/in hinschickt. Aber bei der Gastronomie oder Pachttoiletten findet sich wahrscheinlich immer jemand, der es an entlegenen 'Örtchen' versucht.
Die Definition "nicht in erster Linie" ist meines Erachtens schlicht nicht anwendbar. Heißt das: "nein, ich möchte ja gar kein Geld haben" oder "na ja, wenn kein Verlust herauskommt"?
Der BFH hat die Probleme mit § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG richtig erkannt: es ist eine zwar nicht offensichtliche, aber doch europarechtlich unzulässige Subvention. Wer ein Bistro und eine öffentliche Toilette betreibt, tritt in Konkurrenz zu Regelversteuerern. Das Unternehmen darf daher richtigerweise keinen ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen. Im entschiedenen Fall kann nicht einmal das Argument angeführt werden, die evtl. geringere Produktivität schwerbehinderter Mitarbeiter/innen rechtfertige eine Subvention. Denn ausweislich des Tatbestands bekamen die behinderten Mitarbeiter/innen einen geringeren Stundenlohn als die nicht-behinderten. Es bestand somit ein wirtschaftlicher Ausgleich. Auch erhielt die steuerbegünstigte Körperschaft Zuschüsse für den Betrieb.
Bedauerlicherweise hat der BFH in dem Urteil keine Hinweise zum Ausgangspunkt des Rechtstreits gegeben. Denn der Betriebsprüfer hatte die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Gastronomie um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handelte, somit § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 UStG einschlägig ist. Gerade bei Betrieben, in denen benachteiligte Menschen arbeiten, ist die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb schwierig.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird steuerbegünstigten Körperschaften zu empfehlen sein, wirtschaftliche Aktivitäten, die in Konkurrenz zu anderen nicht-steuerbegünstigten Unternehmen stehen, so zu gestalten, dass diese auch ohne 12% Umsatzteuerersparnis auskommen. So hat sich der Verfasser erklären lassen, das Menschen mit Autismus in bestimmten Bereichen der EDV produktiver sind als Menschen ohne Beeinträchtigungen, weil sie sich weniger ablenken lassen. Zweite Alternative ist es, gezielt in Bereiche zu gehen, wo ohnehin der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt, beispielsweise bei der Essenslieferung (so auch der Hinweis des BFH, a.a.O., Rz. 24) oder im Hotelgewerbe.
Aus Perspektive des Gesetzgebers wünscht sich der Verfasser, dass der Gesetzgeber den steuerbegünstigten Körperschaften klare steuerrechtliche Vorgaben gibt, sie also nicht mehr in der Ungewissheit lässt, ob sie nun eine Rückstellung für das Betriebsprüfungsrisiko bei der Umsatzsteuer bilden sollen oder nicht?