Homeoffice mitbestimmungspflichtig

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.08.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrechtCorona2|3177 Aufrufe

Eine die Dauer von einem Monat überschreitende Zuordnung eines in einem Homeoffice tätigen Arbeitnehmers zu einem neuen Dienstort ist auch dann eine mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn der Inhalt seiner Tätigkeit, sein Arbeitsort in seinem Homeoffice und die Person seines Fachvorgesetzten unverändert bleiben.

Das hat das Hessische LAG entschieden.

Die Arbeitgeberin ist ein IT-Dienstleister. 2017 wurden von ihr mehrere Betriebsstätten geschlossen, die dort beschäftigten Arbeitnehmer wechselten auf der Basis eines mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleichs ins Homeoffice. Der Interessenausgleich sieht auch vor, dass die Arbeitgeberin berechtigt ist, die Arbeitnehmer mit einer Ankündigungsfrist entsprechend der jeweils geltenden Kündigungsfrist, mindestens jedoch von drei Monaten, aus ihren Homeoffices in eine der verbliebenen Betriebsstätten zurückzurufen. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 99 BetrVG zusteht, wenn ein solcher "Rückruf" zur Präsenzbeschäftigung erfolgt. Die Arbeitgeberin begehrt mit einem negativen Feststellungsantrag die Feststellung, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht. Der Antrag hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat ihn das Hessische LAG abgewiesen:

Die den Anlass des vorliegenden Verfahrens bildende, die Dauer von einem Monat übersteigende Zuordnung der betroffenen Arbeitnehmer zu neuen Dienstorten ist nach §§ 99, 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG beteiligungspflichtig. Gemäß der ersten Alternative von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs eine nach diesen Normen mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn sie voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs setzt voraus, dass sich die Tätigkeit eines Arbeitnehmers für einen mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachter als eine andere anzusehen ist. Neben einer Änderung des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der damit verbundenen Verantwortung, des Arbeitsortes oder der Art der Tätigkeit kann sich dies auch aus einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben. (…) Zu einer derartigen Änderung der Position eines Arbeitnehmers in der betrieblichen Organisation führt die Zuweisung eines neuen Dienstortes auch dann, wenn wie hier der Inhalt der Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers, sein Arbeitsort in seinem Home-Office und die Person des ihm übergeordneten Fachvorgesetzten unverändert bleibt. Auch dann wird der Arbeitnehmer fachlich einem anderen – hier neuen – Teil der Betriebsorganisation zugeordnet. Die früheren Betriebsstätten C., D., E. und F. waren organisatorisch selbstständige Betriebsabteilungen, da von ihnen aus die ihnen zugeordneten Arbeitnehmer durch Fachvorgesetzte angeleitet wurden. Durch die Neuzuordnung ändert sich daher für die betroffenen Arbeitnehmer die Stellung innerhalb der Betriebsorganisation.

Hessisches LAG, Beschl. vom 14.1.2020 - 4 TaBV 5/19, NZA-RR 2020, 427.

Die Arbeitgeberin hat Rechtsmittel eingelegt (Az. beim BAG: 1 ABR 13/20).

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2 Kommentare

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Es wäre vielleicht geschickter gewesen, den nur hilfsweisen negativen Feststellungsantrag nicht zu stellen, um dem Betriebsrat die Beschwerdemöglichkeit nicht zu eröffnen.

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