Staatsanwaltliche PR im Fall Tauss - "soziale Exekution"?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Wie heute berichtet wird, hat die Karlsruher Staatsanwaltschaft ihre Anklageerhebung im Fall des Bundestagsabgeordneten Tauss angekündigt. Es fehle lediglich noch die Aufhebung der Immunität. Die Bild-Zeitung hatte offenbar bereits vorab berichtet, Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring bestätigte diese Berichterstattung nun und begründete die beabsichtigte Anklageerhebung gegenüber der Öffentlichkeit in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung.
Tauss und sein Anwalt empörten sich über diese Vorgehensweise, da sie erst jetzt Akteneinsicht bekommen hätten und sie also noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. zur Stellung von Beweisanträgen im Ermittlungsverfahren gehabt hätten. Die Handlungsweise der Staatsanwaltschaft komme einer "sozialen Exekution" gleich. (Pressemitteilung)
Die Einwände Tauss´ und seines Verteidigers sind zwar grundsätzlich durchaus beachtlich, doch ist ihre Verteidigungsstrategie (Berufung auf § 184 b Abs. 5 StGB) der Öffentlichkeit schon längst bekannt. Eine gerichtliche Klärung dieser Frage (bzw. Klärung eines evtl. Verbotsirrtums in diese Richtung) ist m. E. wünschenswert. Zudem hat Tauss sich das schlechte Bild in der Öffentlichkeit durch seine ungeschickte Vorgehensweise bei seinen "Ermittlungen" im Umfeld eines vermeintlichen Kinderschänderrings zumindest teilweise selbst zuzuschreiben.
Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft vor einigen Monaten erklärt, sie habe zunächst gar nicht an die Öffentlichkeit gehen wollen, aber das Öffentlichkeitsinteresse habe sie "wie ein Tsunami" überrollt. Was Oberstaatsanwalt Rehring allerdings nicht davon abgehalten hat, die Presse mit weiteren Details der Ermittlungen zu füttern. (siehe hier)
Auch angesichts der neuerdings offensiveren Pressearbeit der Staatsanwaltschaften im Allgemeinen, ist die Frage zu stellen: Liegt hier (noch) berechtigte Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft vor? Oder wird mittels Umwegs über die Medienöffentlichkeit versucht, auf die Entscheidung des Parlaments im Hinblick auf die Immunitätsaufhebung Einfluss zu nehmen?