Vereitelte Akteneinsicht in Rohmessdaten: Selbst das BVerwG hilft nicht

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.06.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|949 Aufrufe

Die Akteneinsichtsproblematik, die die OWi-Gerichte seit Jahren beschäftigt, ist nun mittelbar beim BVerwG gelandet. Es ging dort um eine Fahrtenbuchauflage. Das BVerwG wollte sich auch nicht zu tief mit der Akteneinsichtsmaterie befassen. Es bleibt dabei: Verteidiger müssen frühzeitig im OWi-Verfahren alles tun, um an gewünsche Informationen zu kommen:

 

1. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung von Amts wegen nur überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.

 2. Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.

BVerwG Urt. v. 2.2.2023 – 3 C 14.21, BeckRS 2023, 8894

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Es ist schon traurig, dass nach dem BVerfG nun auch das BVerwG gezeigt hat, dass selbst die höchsten Richter kein Interesse daran haben, sich zumindest mit grundlegenden technischen Aspekten auseinanderzusetzen.

Auch wenn der Begriff "Rohmessdaten" nicht eindeutig definiert ist, ist dessen Bedeutung klar. In der Wissenschaft werden jene Daten als Rohmessdaten oder Primärdaten bezeichnet, die für den Untersuchungszweck erhoben werden. Diese Daten gibt es bei dem im BVerWG-Urteil thematisierten Messgerät nicht, da das Messgerät sie nach der Bestimmung des Messwerts löscht.

Es ist daher ein Armutszeugnis, wenn das BVerwG schreibt, die Bußgeldstelle habe dem Betroffenen die sein Fahrzeug betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt. Das war mangels Existenz gar nicht möglich.

Man kann nur hoffen, dass sich das Bundesverfassungsgericht vor seinem Beschluss bzgl der Erforderlichkeit der Rohmessdaten vorab informiert.

Bisher hat  - zumindest gemessen an den veröffentlichten Beschlüssen - nur ein einziges Gericht versucht, die technischen Aspekte ausführlich zu beleuchten. Nämlich der Verfassungsgerichtshof des Saarlands, der in dem Verfahren Lv 7/17 drei Sachverständige aus unterschiedlichen Bereichen angehört uns sich sein Urteil basierend auf deren Aussagen gebildet hat.

Es mutet geradezu absurd an, dass gerade dieses technisch fundierte Urteil regelmäßig von OLG belächelt wird, deren Richter wie auch das BVerfG und das BVerwG nicht einmal die einfachsten Grundlagen kennen und regelmäßig in ihren Bschlüssen/Urteilen Behauptungen aufstellen, die geradezu abenteuerlichen Unsinn darstellen.

Sollte man als Richter nicht eigentlich den Anspruch an sich selbst haben, zumindest grob zu wissen, worüber man urteilt und seine Urteile/Beschlüsse so zu verfassen, dass sie zumindest keine nachweislich unsinnigen Pssagen enthalten?  

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