Kann das Mohammed-Video verboten werden?
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Die gesellschafts- und sicherheitspolitische Debatte um ein schmähendes Mohammed-Video im Internet hat spätestens durch die Ankündigung der Vereinigung "Pro Deutschland", den Film öffentlich in der Bundesrepublik aufzuführen, eine erhebliche innenpolitische Dimension hinzugewonnen. Demgemäß hat auch der Bundesinnenminister gefordert, mit "allen rechtlich zulässigen Mitteln dagegen vorzugehen".
Welche rechtlichen Mittel insoweit zulässig sind, ist indes keine triviale Frage. Hoheitliche Verbote von Filmaufführungen stehen in Staaten mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einem besonderen Spannungsfeld zu den Freiheitsgrundrechten des Art. 5 GG einschließlich der schrankenlos gewährten Kunstfreiheit. Entsprechend sind Einschränkungen von öffentlichen Filmvorführungen gesetzlich nur in Ausnahmefällen geregelt, etwa beim Jugendschutz nach §§ 11, 14 JuSchG.
Auch Straftatbestände wie insbesondere § 166 StGB, welcher die Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgesellschaften unter Strafe stellt, taugen per se nicht für eine präventive Vorzensur, sondern ermöglichen allenfalls eine Strafverfolgung nach öffentlicher Verbreitung oder Vorführung eines einschlägigen Filmes. Insoweit ist aber bereits fraglich, ob das in Rede stehende Mohammed-Video überhaupt die einzig pönalisierte Tathandlung des "Beschimpfens" erfüllt - von verfassungsrechtlichen Tatbestandsbeschränkungen aufgrund der Kunst-, Satire- und Meinungsäußerungsfreiheit einmal ganz abgesehen.
Auch das Versammlungsrecht bietet für lokal geplante Filmveranstaltungen nicht zwangsläufig eine taugliche Rechtsgrundlage für präventive Verbote. Nach § 5 VersG kann die Abhaltung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nur im Einzelfall und nur bei dem Vorliegen enger gesetzlicher Voraussetzungen verboten werden. Hierzu gehört etwa die Feststellung von "Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben". Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass objektiv mit der öffentlichen Vorführung des Mohammed-Films die Gefahr von gewaltsamen Ausschreitungen verbunden ist. Die Prognose des § 5 Nr. 3 VersG erfordert aber auch die Feststellung, dass dies von dem Veranstalter "angestrebt" wird. Zudem muss zu erwarten sein, dass die Versammlung selbst einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt und nicht etwa die Auseinandersetzung im Rahmen von Gegendemonstrationen, welche z.B. vor dem Filmvorführungsgebäude abgehalten werden.
Immerhin erscheint ein polizeirechtliches Einschreiten aufgrund allgemeiner polizeirechtlicher Gefahrenabwehr-Bestimmungen im konkreten Einzelfall bei geplanten lokalen öffentlichen Filmvorführungen nicht ganz ausgeschlossen. Meines Erachtens zutreffend wird insoweit vertreten, dass die Kunstfreiheit zumindest dann nicht als generell polizeifest anzuerkennen ist, "wenn sich das polizeirechtlich betroffene Schutzgut gleichzeitig als ein, der Kunstfreiheit gleichrangig gegenüberstehendes Grundrechts- oder sonstiges Verfassungsgut erweist" (Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 55). Manifestiert sich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit insoweit in verfassungsrechtlich geschützten Gütern wie dem Schutz der körperlichen Gesundheit und des Lebens, so kann dem im Rahmen der einzelfallorientierten Güterabwägung (insbesondere im Hinblick auf die Gefahrenintensität) der Vorrang einzuräumen sein. Hiernach wäre auch ein Präventivverbot einer öffentlichen Filmvorführung im Einzelfall rechtlich zulässig.
Ein allgemeines Verbot der Verbreitung des Videos im Internet oder auch eine Ausstrahlung im Rundfunk dürfte hingegen kaum rechtskonform sein und wäre auch nicht über polizeirechtliche Gefahrenabwehrklauseln rechtfertigbar, da insoweit sich durch die allgemeine Abrufbarkeit des Videos - anders als bei lokal geplanten Filmvorführungen - noch keine hinreichend konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit manifestiert.