Moderne Energie-Fusionskontrolle Teil 2: Erdgasmärkte

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 15.01.2012

Es tut sich was in der Energie-Fusionskontrolle. Letzte Woche hatten wir erst über die Freigabe des Bundeskartellamts in der Sache RWE / Stadtwerke Unna berichtet. Der dortige Fall hatte seinen Schwerpunkt im Strombereich. Jetzt hat sich das Bundeskartellamt den Erdgasbereich für eine wegweisende Fortentwicklung der Energie-Fusionskontrolle vorgenommen. In einer Pressemitteilung vom 13.01.2012 berichtet es, dass es den geplanten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung des russischen Erdgaskonzerns Gazprom an dem ostdeutschen Gasversorger VNG im Hauptprüfverfahren freigeben möchte (Gesch.-Z.: B8-116/11; Anmeldung vom 02.09.2011). Das Bundeskartellamt spannt seine "Kunden" nicht auf die Folter, sondern verrät bereits in der Pressemitteilung, was es an Neuem in der Entscheidung geben wird. Dazu in aller Kürze:

 

Das Bundeskartellamt bejaht das Vorliegen des Zusammenschlusses der Erlangung wettbewerblich erheblichen Einflusses nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Ob eine marktbeherrschende Stellung von Gazprom auf einem bundesweiten Markt für die Förderung und den Import von Erdgas besteht, lässt das Amt offen. Es fehle jedenfalls an einer Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Dieses Prüfungsergebnis dürfte wieder Ausdruck der neuen, progressiveren Praxis des Bundeskartellamts sein, wie sie bereits im Beschluss zum Vorhaben RWE/ Stadtwerke Unna Ausdruck gefunden hat.

Von sehr großer praktischer Bedeutung sind die Hinweise in der Pressemitteilung vom 13.01.2012, dass das Bundeskartellamt die Märkte für die Belieferung von regionalen Weiterverteilern und von RLM-Kunden (durch überregionale Ferngasgesellschaften) in räumlicher Hinsicht jetzt bundesweit abgrenzen möchte. Nach der bisherigen Praxis wurden diese Märkte netzbezogen, also anhand des Netzes des mit dem Gasversorger verbundenen Gasnetzbetreibers abgegrenzt. Der Grund für diese Änderung der räumlichen Marktabgrenzung dürfte für das Bundeskartellamt v.a. in den Entwicklungen im regulatorischen Bereich liegen, also z.B. in der Verringerung der Marktgebiete und der Standardisierung durch die Bundesnetzagentur, bzw. in deren Umsetzung durch die Marktbeteiligten. Die Praxis hatte diese Änderung der räumlichen Marktabgrenzung schon lange verlangt.

Offen bleibt in der Pressemitteilung, ob das Bundeskartellamt bereit ist, diese räumliche Marktabgrenzung z.B. auch auf den sachlich relevanten Markt für SLP-Kunden zu übertragen. Womöglich war hierüber nicht zu entscheiden, da die Zusammenschlussbeteiligten auf diesem sachlich relevanten Markt wohl nicht tätig sind. Für eine solche Änderung der räumlichen Marktabgrenzung auch bei der Belieferung von SLP-Sondervertrags-Kunden im Gasbereich, wie sie im Strombereich schon seit einigen Jahren vollzogen wurde, spricht, dass auch SLP-Sondervertrags-Kunden inzwischen ohne weiteres zwischen mehreren Lieferanten, darunter bundesweit tätigen Anbietern, wählen können.

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