Einseitige Ankündigungen als Kartell? – Ein aktueller Bericht von der OECD

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 17.10.2012

Unlängst hat die OECD auf ihrer Internetseite eine weitere Publikation ihrer Reihe "Competition Policy Roundtables" zum Thema "Unilateral Disclosure of Information with Anticompetitive Effects" veröffentlicht. Das Dokument ist lesenswert.

Das OECD Competition Committee hat das einseitige Offenbaren von Informationen im Februar 2012 diskutiert und nun das Ergebnis seiner Erkenntnisfindung veröffentlicht. Die Überschrift wie auch die Wortwahl "Unilateral Disclosure of Information", also das einseitige Offenbaren von Informationen, ist etwas missverständlich. Es wird dabei nicht hinreichend klar, dass der entscheidende Punkt bei der einseitigen Offenbarung von Informationen ist – und das gilt nicht nur für Jurisdiktion wie die Europäische Union und Deutschland –, ob in dem Vorgang eine abgestimmte Verhaltensweise mit wettbewerbsbeschränkendem Zweck oder wettbewerbsbeschränkender Wirkung liegt oder ob lediglich ein autonom bestimmtes einseitiges Unternehmensverhalten vorliegt.

Wie weit die Kartellbehörden im Falle des Informationsaustausches bei der Annahme einer abgestimmten Verhaltensweise gehen, zeigen die noch relativ frischen Horizontal-Leitlinien der Europäischen Kommission sehr anschaulich. Die Europäische Kommission hält unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Europäischen Gerichte fest:

"Eine abgestimmte Verhaltensweise kann auch vorliegen, wenn nur ein Unternehmen gegenüber einem oder mehreren Wettbewerbern strategische Informationen offenlegt und dieser/diese dies akzeptiert/akzeptieren. […] Dabei ist es unerheblich, ob nur ein Unternehmen seine Wettbewerber einseitig über das beabsichtigte Marktverhalten informiert oder ob alle beteiligten Unternehmen sich gegenseitig von ihren jeweiligen Erwägungen und Absichten unterrichten. […] Erhält ein Unternehmen strategische Daten von einem Wettbewerber […], wird davon ausgegangen, dass es diese Informationen akzeptiert und sein Marktverhalten entsprechend angepasst hat, es sei denn, es erklärt ausdrücklich, dass es die Daten nicht bekommen will" (a.a.O., Tz. 62).

Zu einseitigen öffentlichen Bekanntmachungen hält die Europäische Kommission fest:

"Handelt es sich um eine einseitige Bekanntmachung eines Unternehmens, die auch echt öffentlich ist […], liegt im Allgemeinen keine abgestimmte Verhaltensweise […] vor. Je nach Sachlage kann allerdings im Einzelfall die Möglichkeit des Vorliegens einer abgestimmten Verhaltensweise nicht ausgeschlossen werden; so zum Beispiel in Fällen, in denen auf eine solche Bekanntmachung Bekanntmachungen anderer Wettbewerber folgen, nicht zuletzt weil sie strategische Reaktionen von Wettbewerbern auf öffentliche Bekanntmachung anderer Wettbewerber, die zum Beispiel eine Anpassung eigener frühere Bekanntmachungen an diejenigen der Wettbewerber mit einbeziehen könnten, als Strategie zur Verständigung über die Koordinierungsmodalitäten erweisen könnten" (a.a.O., Tz. 63).

In jedem Fall gilt also, dass das einseitige Offenlegen von (wettbewerbsrelevanten) Informationen für sich genommen nicht den Tatbestand des Kartellverbots erfüllt. Es muss, in welcher Ausprägung auch immer, eine – wie man so schön sagt – Willensübereinstimmung vorliegen.

Liest man die Ausführungen der OECD aus dieser Perspektive, so stellt man fest, dass die OECD weitgehend auf der Linie der Europäischen Kommission liegt.

Hervorzuheben ist, dass die OECD auf ein sehr wichtiges Bedürfnis im Bereich des Informationsaustausches hinweist. Sie hält fest:

"It would be useful for enforcers to provide guidelines and safe harbors that would allow companies to steer clear of infringing competition laws".

Ersterer Anforderung wird die Europäische Kommission gerecht, letzterer nicht. Die Horizontal-Leitlinien sehen für den Informationsaustausch, anders als für andere Bereiche der Kooperation von Wettbewerbern, gerade keine "safe harbors" vor.

In jedem Fall sollten Unternehmen ihr Verhalten bei der Kundgabe von Informationen kritisch prüfen.  

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