Na endlich – Hinweise des Bundeskartellamts zur vertikalen Preisbindung veröffentlicht

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 26.01.2017
Rechtsgebiete: Kartellrecht|6454 Aufrufe

Das Papier war schon vor einiger Zeit angekündigt worden. Eigentlich war mit einer Veröffentlichung vor Weihnachten gerechnet worden. Nun sind sie da: die Hinweise des Bundeskartellamts zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Einzelhandels (hier).

Am 25.01.2017 hat das Bundeskartellamt die Hinweise auf seiner Internetseite veröffentlicht (hier) und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

Das Bundeskartellamt zieht mit den Hinweisen ein Résumé aus dem sog. großen Vertikalfall und möchte ausdrücklich auch nicht speziell kartellrechtlich beratenen Unternehmen praktische Hinweise für das Verhalten geben.

Zugleich soll mit den Hinweisen – wie dort festgehalten wird – die früheren, eher inoffiziellen Hinweise in einem Vorsitzendenschreiben von 2010 im Vertikalfall aus der Welt geschaffen werden. Das ist auch sehr zu begrüßen, enthielten die früheren Hinweise doch zahlreiche Unklarheiten und führten mehr zu Verunsicherung als zu Sicherheit für die Unternehmen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an den stilblütenartigen und aus rechtlicher Sicht  schiefen Vorbehalt "sofern sie (mittelbar) eine Abstimmung über Preise oder andere Wettbewerbsparameter zwischen den Handelsunternehmen bezwecken oder bewirken" bei der Bewertung einzelner Verhaltensweisen.

Was bieten die neuen Hinweise?

Das Bundeskartellamt gibt zunächst einen Überblick über die grundsätzliche rechtliche und ökonomische Bewertung von vertikalen Preisabsprachen. Es verweist ganz ausdrücklich auf die Vertikal-Leitlinien der Europäischen Kommission. Interessant ist der Ansatz, dass es auch im Bereich der vertikalen Preisbindung abgestimmte Verhaltensweisen geben soll. Ganz sicher scheint sich das Bundeskartellamt in diesem Punkt nicht zu sein, wenn es vorsorglich festhält, dass "vertikale Preisbindungen … zumeist unter den Vereinbarungsbegriff [fielen]" (Tz. 13). Das Bundeskartellamt befindet sich in guter Gesellschaft. Auch die Europäische Kommission hat ihre Gruppenfreistellungsverordnung ja auf Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen bezogen. Wie Hersteller und Händler in Bezug auf die Verkaufspreise allerdings bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lassen können (so die Definition der abgestimmten Verhaltensweise), bleibt offen.

Doch die dogmatische Feinarbeit ist auch nicht Aufgabe des Hinweispapiers. Von größtem Interesse für den Rechtsanwender sind natürlich die Ausführungen des Bundeskartellamts zur "kartellrechtlichen Beurteilung in der Praxis" (Tz. 45 ff.):

Anhand von Fallbeispielen erläutert das Bundeskartellamt

  • die Vereinbarung von Fest- und Mindestpreisen
  • die unverbindliche Preisempfehlung (UVP)
  • Mengenmanagement / Aktionsplanung
  • Spannengarantien / Nachverhandlungen
  • Nichtaufnahme und Abbruch von Geschäftsbeziehungen
  • Datenaustausch zwischen Händlern und Herstellern

Vorbehaltlich einer gründlicheren Überprüfung wird man wohl sagen können, dass sich die rechtliche Beurteilung des Bundeskartellamts im Groben und Ganzen im Rahmen dessen hält, was zu erwarten war und kaum zu beanstanden ist. Beispielhaft sei auf die sehr klaren Fälle von Preisbindungen in Tz. 47 hingewiesen.

Spannender wird es schon bei der UVP. Das Bundeskartellamt bezeichnet es dort als ratsam, dass der Händler dem Hersteller gegenüber Rückäußerungen dazu vermeidet, die den Anschein einer Zusage erwecken, er werde die UVP befolgen (Tz. 58). Als Rechtsrat zur vorsorglichen Vermeidung von Ärger mag das angehen. Ein dogmatisch sauberer Schnitt zwischen (im Zweifel unzulässiger) Vereinbarung und erlaubtem autonomem Verhalten ist das aber nicht. Schwierig sind auch Ausführungen, wie die, dass "eine Auslegung des Verhaltens als Zustimmung zu einer Preisbindung […] hier nahe [liegt], da mit einem Widerspruch [des Händlers] zu rechnen gewesen wäre, wenn er sich [dem Hersteller] nicht hätte fügen wollen" (Tz. 63). Da hätte sich eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Vereinbarung und einseitigem Verhalten wohl angeboten. In den Hinweisen finden sich weitere Stellen solcher "einseitiger" Sachverhaltsdeutungen.

Auch im Abschnitt zur Mengenplanung (Tz.  69 ff.) gibt das Bundeskartellamt Hinweise zur Vermeidung eines bösen Scheins. Die Erzeugung eines solchen ist nicht verboten. Dogmatisch verbirgt sich wieder die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Vereinbarung und autonomem, einseitigem Verhalten dahinter.

Erfreulich klar sind die Ausführungen des Bundeskartellamts zum "Datenaustausch zwischen Händlern und Herstellern" (Tz. 95 ff.). Dort wird festgehalten: "Kartellrechtlich ist eine derartige Zurverfügungstellung von Absatzdaten durch Händler an Hersteller grundsätzlich zulässig" (Tz. 95). Schon schwieriger sind die Vorstellungen des Bundeskartellamts, der Händler müsse dem Eindruck einer Zusage durch Widerspruch entgegenwirken. Das ist – wie gesagt - bestenfalls ein vorbeugender Praxistipp, aber – im Vertikalverhältnis - kein Kriterium für eine sinnvolle Abgrenzung.

Das Papier endet mit Ausführungen, wie das Bundeskartellamt Fälle der Preisbindung behandeln will. Mitnehmen sollte man: Die vertikale Preisbindung ist ein Bußgeldthema. Also weiterhin Augen auf!

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen