BAG: Beiderseitige Kündigungsfrist von drei Jahren kann den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.10.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4776 Aufrufe

Die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Jahren kann den Arbeitnehmer auch dann iSv. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligen, wenn die Frist in gleicher Weise für Kündigungen des Arbeitgebers gilt. Das hat das BAG entschieden.

Der Arbeitnehmer war seit Ende 2009 bei der klagenden Arbeitgeberin beschäftigt (schon das ist selten: die Arbeitgeberin nicht als Beklagte, sondern als Klägerin!). Als Speditionskaufmann verdiente er - das MiLoG war noch nicht in Kraft - bei einer 45-Stunden-Woche 1.400 Euro brutto. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine von der Arbeitgeberin vorformulierte Zusatzvereinbarung. Mit ihr wurde das Bruttogehalt auf 2.400 Euro, bei Erreichen bestimmter Umsatzziele auf 2.800 Euro monatlich angehoben. Das Entgelt wurde für drei Jahre (bis Mai 2015) festgeschrieben und sollte sich bei einer späteren Neufestsetzung für mindestens zwei Jahre nicht verändern. Die Kündigungsfrist wurde für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert.

Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt installierte die Klägerin das Programm "PC Agent" auf den dienstlichen PCs. Dieses protokolliert präzise die PC-Nutzung. Nachdem ein Kollege des beklagten Arbeitnehmers dies bemerkt hatte, kündigten sechs Arbeitnehmer, darunter der Beklagte, ihre Arbeitsverhältnisse am 27.12.2104 zum 31.1.2015. Die Klägerin will festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bis zum 31.12.2017 fortbesteht.

Das Sächsische LAG hat die Klage abgewiesen. Die Revision blieb ohne Erfolg. Zur Überzeugung des Sechsten Senats des BAG benachteiligt die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen.

Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Das Landesarbeitsgericht hat hier ohne Rechtsfehler eine solche unausgewogene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht. Der Nachteil für den Beklagten wurde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror.

Da der Kläger seine Kündigung ausdrücklich als "ordnungsgemäß und fristgerecht" bezeichnet hatte, war über die Frage, ob ihm angesichts der Installation des Überwachungsprogramms "PC Agent" auch ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 626 Abs. 1 BGB zugestanden hätte, nicht zu entscheiden.

BAG, Urt. vom 26.10.2017 - 6 AZR 158/16, Pressemitteilung hier

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