Klinik haftet nicht für verlorenes Gebiss eines verstorbenen Patienten

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 08.01.2019
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|5552 Aufrufe

Eine Klinik muss einer Erbengemeinschaft keinen Wertersatz für die verlorene Zahnprothese eines verstorbenen Patienten leisten. Das entschied das Landgericht (LG) Osnabrück am 10.12.2018 – Az. 7 O 1610/18.

Der Protheseninhaber war 2017 in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus. Während des Krankenhausaufenthalts verschwand die Zahnprothese und war auch später nicht mehr auffindbar. Der Patient verstarb, ohne dass die Prothese erneuert wurde. Nach seinem Tod verlangte die Tochter des Patienten im Namen der Erbengemeinschaft Wertersatz für das verlorene Gebiss. Beklagte war die Trägerin des Krankenhauses im niedersächsischen Lingen. Die Klägerin argumentierte, die Klinik habe eine ihr obliegende Obhutspflicht verletzt. Zumindest aber sei ein Organisationsmangel gegeben. Da die Prothese bereits gebraucht war, verlangte die Klägerin nicht mehr die vollen Herstellungskosten in Höhe von 9000,- Euro. Sie beschränkte die Höhe ihrer Forderung nach dem Abzug „neu für alt“ auf den Zeitwert. Das seien etwa 6000,- Euro.

Das LG Osnabrück wies die Klage ab.

Bei dem Verlust einer Zahnprothese gehe es nicht um den materiellen Wert, so die Ansicht des Landgerichts. Die Zahnprothese diene dem Kauen und dem besseren Sprechen. Hier gehe es um eine Kompensation für die fortdauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit, sagten die Richter. Ein Ersatzanspruch sei zweckgebunden und bestehe nur dann, wenn tatsächlich eine Prothese neu angefertigt werden würde, so das Landgericht.

Ähnlich verhalte es sich, nach Auffassung der Richter, bei den Behandlungskosten für ein Unfallopfer. Der Verletzte könne hier nur dann Heilbehandlungskosten verlangen, wenn er sich auch tatsächlich behandeln lasse. Die Behandlung ablehnen und „fiktiv“ Kosten geltend machen, komme nicht in Betracht, sagten die Richter. Ebenso sei auch der Erbengemeinschaft ein Ersatzanspruch auf fiktiver Grundlage, also ohne Neuanfertigung der Prothese, verwehrt.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Pressemitteilung des LG Osnabrück ist hier nachzulesen.

Praxistipp

Immer wieder gibt es vor den Zivilgerichten Auseinandersetzungen um verlorene Gegenstände während eines Krankenhausaufenthaltes. Wer haftet für verlorenes Patienteneigentum wie Prothesen, Hörgeräte oder Brillen? Eine mögliche Haftung wird in der Regel von Seiten des Krankenhauses eingeschränkt. Ersatz wird dann nur geleistet, wenn das Klinikpersonal vorsätzlich oder grob fährlässig gehandelt hat.

Stirbt der Protheseninhaber nachdem die Prothese abhanden gekommen ist, steht dem Erben kein Anspruch auf Erstattung fiktiver Heilbehandlungskosten zu. Zum Thema auch die Urteile des AG Bonn vom 02.04.2013 – Az. 109 C 273/12 oder AG Hannover vom 18.03.2014 – Az. 556 C 11841/13.

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