KG: Drohende Kündigung wegen Fahrverbotes genau prüfen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.06.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2041 Aufrufe

Berufliche Härten können ein Absehen vom Regelfahrverbot notwendig machen. Bei abhängig beschäfftigen Betroffenen kommt es dabei auf die Kündigung an. In der Rechtsprechung ist aber nicht abschließend geklärt, wie engmaschig dort zu prüfen ist: Reicht die boße Gefahr? Kann wegen eines Fahrverbots nie gekündigt werden? Das KG hat hier einmal im Rahmen der Darstellungsanforderungen, die an eine Verfahrensrüge gestellt werden, einen neuen Anlauf bzw. Ausflug ins Arbeitsrecht gewagt:

 

...Dem tatrichterlichen Ermessensspielraum sind indes der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Senat VRS 132, 239; 108, 286 und Beschluss vom 6. März 2018 - 3 Ws (B) 73/18 - juris; beide m.w.N.). Dabei ist nach der Einführung des § 25 Abs. 2a StVG mit der Möglichkeit, den Beginn der Wirksamkeit des Verbotes innerhalb von vier Monaten selbst zu bestimmen, ein noch strengerer Maßstab anzulegen (vgl. KG, Beschluss vom 23. Dezember 2008 - 3 Ws (B) 478/08 -; OLG Frankfurt DAR 2002, 82). Der Tatrichter ist gehalten, die Einlassung eines Betroffenen, mit der er eine unverhältnismäßige Härte geltend macht, einer kritischen Prüfung zu unterziehen (vgl. KG, Beschluss vom 3. Mai 2017 - 3 Ws (B) 102/17 -).

b) Daraus folgt, dass der Tatrichter seiner Entscheidung, von der regelhaften An-ordnung eines Fahrverbots abzuweichen, nicht jede Kündigungsdrohung zu Grunde legen darf, ohne zu prüfen, ob sie rechtlichen Bestand hätte, falls sie verwirklicht wird. Ist offen-sichtlich, dass die angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, darf er nicht wegen dieser Drohung auf ein (Regel-) Fahrverbot verzichten. Denn bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung trägt der Betroffene, gegen den trotz Kündigungsdrohung ein Fahrverbot verhängt wird, in Wirklichkeit kein Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder aber ist dieses Risiko so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 93; ähnlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2006 - 2 Ss-OWi 86/06 - juris). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass in aller Regel nur der dauerhafte oder zumindest über einen erheblichen Zeitraum andauernde Wegfall der Eignung zur Verrichtung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung geeignet ist, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2001, 607; 1991, 341; 1996, 1201; LAG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006 - 11 Sa 535/06 - juris; LAG Schleswig-Holstein NZA 1987, 669; LAG Hamm DB 1974, 2164; ArbG Dresden, Urteil vom 20. März 2014 - 5 Ca 2776/13 - juris; Kerwer in Boecken u.a., Gesamtes Arbeits-recht, § 1 KSchG Rdn. 572 m.w.N.; Rinck in Tschöpe, Arbeitsrecht 10. Aufl., S. 1538 Rdn. 29 m.w.N.). Kurzfristige Fahrverbote oder Entziehungen der Fahrerlaubnis dürften daher - auch bei Berufskraftfahrern - eine Kündigung nur in Ausnahmefällen rechtfertigen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. August 2011- 5 Sa 295/10 - juris; Thies in Heussler u.a., Arbeitsrecht 8. Aufl., S. 2314 Rdn. 130; Preis in Stahlhacke u.a., Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsrecht 11. Aufl., S. 283 Rdn. 698), zumal bei personenbedingten Störungen des Arbeitsverhältnisses die Kündigung ohnehin nur als letztes Mittel zulässig ist (vgl. BAG NZA 2016, 1461; 2001, 607; 1997, 1281; 1996, 1201; Belling/Riesenhuber in Erman, BGB 15. Aufl., § 620 Rdn. 140) und daher ausscheidet, wenn dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer während des Fahrverbots im Betrieb anderweitig einzusetzen (vgl. BAG NZA 1997, 1281). Dies gilt umso mehr, wenn die Zeit des Fahrverbots ganz (dann entfällt bereits jegliche Leistungsstörung) oder teilweise durch Erholungsurlaub abgedeckt werden kann.

c) Auf der Grundlage dieses Maßstabs ermöglicht das Vorbringen des Betroffenen dem Senat nicht die Prüfung, ob sich das Amtsgericht zur Vernehmung des Zeugen X hätte gedrängt sehen müssen, um aufzuklären, ob ein die Kündigung rechtfertigender Ausnahmefall gegeben ist. Damit der Senat dies überprüfen kann, sind Angaben dazu erforderlich, welche Tätigkeit der Betroffene im Betrieb des Zeugen ausübt (1), ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Urlaubsansprüche bestehen, auf die der Betroffene zur Überbrückung des Fahrverbots zurückgreifen kann (2), ob das Arbeitsverhältnis unbefristet ist (3), wie viele Arbeitnehmer im Betrieb des Zeugen tätig sind (4) und in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene im Betrieb des Zeugen tätig ist (5).

Diesen Anforderungen entspricht der Rechtsbeschwerdevortrag nur teilweise....

 

KG, Beschl. v. 05.02. 2019 - 3 Ws (B) 3/19

 

 

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