BGH: Konkurrenzen bei Kokainhandel-Beihilfe in Dortmund

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.11.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1417 Aufrufe

Das LG Dortmund musst sich mit Beihilfetaten des Angeklagten befassen, der neue Läufer in den Handel mit Koks einwies und auch portionierte. danach gab es einzelne Verkaufsgeschäfte. Das LG hatte schöne Einzeltaten der Beihilfe angenommen. Richtig wäre es aber gewesen, weitere Feststellungen zu den Taten zu treffen und ggf. Taten zu einer Tat zusammenzuziehen:

 

 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 13. Januar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einstellung im Übrigen wegen
Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

 

1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Mitglied einer aus
drei, zeitweise auch vier Personen bestehenden Gruppierung, die in D.
einen schwunghaften Straßenhandel mit Kokain betrieb. Kopf der Gruppierung
war der gesondert Verfolgte H. , während die anderen Personen sich
vorwiegend als „Läufer“ betätigten. Das Aufgabenfeld des Angeklagten bestand
in seiner Beteiligung am Portionieren, dem Verkauf auf der Straße und der Einweisung neuer „Läufer“. Am 5. und 6. Februar 2018 half der Angeklagte jeweils
beim Portionieren von 30 Gramm Kokain in einzelne Bubbles mit (Fälle 1 und 2).
In der Zeit von Februar 2018 bis zum 5. Juni 2018 portionierte er gemeinsam mit
zwei anderen Personen bei mindestens zehn Gelegenheiten jeweils 50 Gramm
Kokain in einzelne Bubbles. Davon hat das Landgericht einen Fall wegen Strafklageverbrauchs eingestellt (Fälle 3 bis 11). Zwischen dem 3. Juli 2018 und dem
31. August 2018 begleitete der Angeklagte bei mindestens 20 Gelegenheiten
einen Straßenverkäufer und sicherte ihn ab, während dieser jeweils 0,2 Gramm
Kokain an Abnehmer veräußerte. Außerdem übergab der Angeklagte in dieser
Zeit selbst bei fünf Gelegenheiten auf Geheiß eines anderen Bandenmitglieds an
einen Käufer jeweils 0,2 Gramm Kokain (Fälle 12 bis 36). Das Kokain hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von 80 % Kokainhydrochlorid.

2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Gehilfentätigkeit des Angeklagten als selbständige Taten der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen sowie der Beihilfe
zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
25 Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat
die naheliegende Möglichkeit, dass mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat im
Rechtssinne zusammenzufassen sind, nicht erörtert.

a) Sind an mehreren Taten ‒ insbesondere an einer Deliktserie ‒ mehrere
Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die
Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar für jeden
Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der
Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbstständige
Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Fördert ein Gehilfe das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, bestimmt sich die Frage, ob insoweit eine oder mehrere Taten im Rechtssinne vorliegen, nach den Grundsätzen
zur tatbestandlichen Bewertungseinheit, also danach, ob verschiedene Betätigungen des Haupttäters auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes
abzielen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 4 StR 23/20, Rn. 4; Urteil vom
13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 5. August 2014
– 3 StR 340/14, Rn. 5).

b) Feststellungen zu der oder den Haupttaten, die der Angeklagte durch
seine Tätigkeiten gefördert hat, hat das Landgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr die Beihilfehandlungen des Angeklagten bewertet, ohne einen Bezug zu
einer Haupttat herzustellen, obwohl es sich nach den getroffenen Feststellungen
aufdrängte, dass der Angeklagte durch mehrere an sich selbstständige Tätigkeiten dieselbe Haupttat des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) unterstützte. Angesichts der Bandenstruktur der
Gruppierung und des schwunghaften, gut organisierten Absatzsystems unter
Hinzuziehung von „Läufern“ sowie angesichts des zeitlichen Zusammenhangs
der ausgeurteilten Beihilfehandlungen liegt es nahe, dass der oder die Haupttäter
im Tatzeitraum über größere Betäubungsmittelmengen verfügten, die lediglich
sukzessive in Teilmengen dem Angeklagten und den weiteren Tatbeteiligten zur
Vorbereitung des Absatzes bzw. zum Straßenhandel überlassen wurden. Vor
diesem Hintergrund war es erforderlich, Feststellungen zu den Haupttaten zu
treffen, um prüfen zu können, ob mehrere Tätigkeiten des Angeklagten zu einer
Tat im Rechtssinne zusammenzufassen sind.
Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die konkurrenzrechtliche Bewertung der Beihilfehandlungen des Angeklagten rechtlich unzutreffend
und er hierdurch beschwert ist. Der neue Tatrichter wird daher Feststellungen zu
der bzw. den vom Angeklagten geförderten Haupttat(en) zu treffen und die Beihilfehandlungen des Angeklagten diesen zuzuordnen haben.

BGH, Beschl. v. 6.10.2020 - 4 StR 251/20

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