LAG Berlin-Brandenburg: Äußerungen im WhatsApp-Chat als Kündigungsgrund?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 24.09.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2164 Aufrufe

Äußerungen in den sozialen Medien, auf Kommunikationsplattformen etc., können, wenn sie dem Arbeitgeber bekannt werden, nicht ohne weiteres als Kündigungsgrund herangezogen werden. Hier kommt es vor allem darauf an, ob der sich äußernde Arbeitnehmer dies in der berechtigten Erwartung tun, die Vertraulichkeit seiner Äußerung werde gewahrt. Das zeigt eine neuere Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19. Juli 2021, 21 Sa 1291/20, PM 34/21).

Der klagende Arbeitnehmer ist der technische Leiter eines gemeinnützigen Vereins, der überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig ist. Mitglieder des Vereins sind der Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige Vereine. Die Arbeit des Vereins wird in erheblichem Umfang ehrenamtlich unterstützt. Im Zuge der Kündigung eines anderen Beschäftigten erhielt der Verein Kenntnis von einem über WhatsApp geführten Chat zwischen dem technischen Leiter, diesem Beschäftigten und einer weiteren Beschäftigten. Im Rahmen des Chats äußerte sich der technische Leiter ebenso wie die beiden anderen Beschäftigten in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer. Hierüber wurde auch in der Presse berichtet. Daraufhin kündigte der Verein unter anderem das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter fristgemäß.

Das LAG hat die Kündigung im Einklang mit der ersten Instanz für unwirksam erklärt. Zwar sei eine gerichtliche Verwertung der gefallenen Äußerungen im Gerichtsverfahren zulässig. Eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung könne jedoch nicht festgestellt werden, weil eine vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts falle. Um eine solche gehe es hier, da diese in sehr kleinem Kreis mit privaten Handys erfolgt und erkennbar nicht auf Weitergabe an Dritte, sondern auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen sei. Auch eine fehlende Eignung für die Tätigkeit könne allein auf dieser Grundlage nicht festgestellt werden. Besondere Loyalitätspflichten bestünden nicht, weil der Gekündigte als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen habe. Auf das Fehlen des erforderlichen Mindestmaßes an Verfassungstreue, das von Bedeutung sei, wenn man den Verein als Teil des öffentlichen Dienstes betrachte, könne allein aufgrund dieser vertraulichen Äußerungen nicht geschlossen werden.

Das LAG hat das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen hier vor. Es sei im Sinne des § 9 KSchG keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten. Da die schwerwiegenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden seien, könne der Verein bei Weiterbeschäftigung dieses technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten. Außerdem sei er bei der Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung und hauptamtlichen Personals beeinträchtigt. Bei der Bemessung der Abfindung hat das LAG ein Auflösungsverschulden des Gekündigten berücksichtigt, das sich allerdings wegen der anstrebten Vertraulichkeit der Äußerungen mindere.

Über die Entscheidung hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung wird man geteilter Meinung sein können. Von daher ist es zu begrüßen, dass das LAG die Revision zum BAG zugelassen hat.

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