COVID-19-Impfpflicht - Ist sie verfassungsgemäß?

von Mathias Bruchmann, veröffentlicht am 21.12.2021
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Ganz heiß diskutiert wird derzeit das Thema der allgemeinen Impfpflicht. Vor gut einer Woche, am 10. Dezember 2021, haben Bundestag und Bundesrat einer Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt, nach der Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen bis 15. März 2022 eine vollständige Impfung nachweisen müssen. Neue Tätigkeitsverhältnisse können ab dem 16. März 2022 nur bei Vorliegen eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden. Hierüber sprechen wir in dieser Podcastfolge von beck-aktuell - DER PODCAST mit Dr. Andrea Kießling, Expertin auf dem Gebiet des Infektionsschutzrechts und Autorin eines Standartkommentars zum Infektionsschutzgesetz.

Host dieser Folge: Prof. Dr. Klaus Weber, Verlag C.H.BECK

 

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136 Kommentare

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Impfpflicht/subjektivierte Grundrechte: Die Rechtsprofessoren Jörn Reinhardt und Mathias Hong setzen auf dem Verfassungsblog die Sacksofsky/Gärditz-Debatte über die Subjektivierung von Grundrechten fort. Bei der Frage, ob für die Bemessung der Eingriffsintensität auch das subjektive Empfinden Betroffener zu berücksichtigen ist, nehmen die Autoren einen vermittelnden Standpunkt ein. Auf dieser Grundlage schlussfolgern sie, dass eine Impfpflicht verhältnismäßig ausgestaltet und zur Abwehr von Fremdschädigungen auch gerechtfertigt werden könne.

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Politisch zeigt die hektische Suche nach Gründen für Impflicht und Fortsetzung vieler Einschränkungen das Zutreffen der "Verschwöhrungstheorien" zum Ausbau des Maßnahmenstaats trotz Wegfall der ursprünglichen Gründe und des Ausnahmezustands.

Juristisch zeigt die angestrengte Suche von "staatstragenden" Juristen nach bestätigenden Auslegungen von Rechtsgrundsätzen für diese Fortführung, dass es an Qualität im Rechtsschutz gegen Staatliche Willkür erhebliche Mängel gibt.

Ideen und Antworten dazu, warum das strukturell so ist und nicht bleiben muss,kann Man u.a. bei Ingeborg Maus finden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ingeborg_Maus

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"Sag mir wo Du stehst!" war in der DDR ein Lied und eine Parole der SED-Nachwuchsorganisation der sogenannten freien deutschen Jugend, mit dem die Obrigkeit versuchte die Gedanken der Bürger und deren politische Zuverlässigkeit auszuforschen.

Wen die Obrigkeit als politisch unzuverlässig betrachtete, den lies sie durch die Stasi überwachen oder gar "zersetzen".

Ähnliche konzipiert war die Kampagne "Lasst  tausend Blumen blühen!" der Kulturrevolution unter Mao-Tse-Tung, als man die Bürger aufforderte der Obrigkeit Einblick in ihre Gedanken zu geben, woraufhin diejenigen Bürger deren Gedanken der Obrigkeit nicht gefielen zunächst registriert und etwas später ausgegrenzt und diffamiert und angeklagt und bestraft wurden.

Auch in Friedrich Schillers Drama "Wilhelm Tell" dient der Hut des Landvogt Gesslers auf der Stange am Marktplatz dazu, dem Kaiser nicht loyal gesonnene Bürger aufzuspüren.

Eine allgemeine Impfpflicht samt Impfregister könnte vielleicht aber wohl für ähnliche Zwecke mißbraucht werden.

Wer sich nicht impfen lässt, der wird dann künftig womöglich als politisch unzuverlässig gelten, und braucht sich dann vielleicht wohl um eine Stelle im öffentlichen Dienst erst gar nicht mehr zu bewerben.

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Es gibt offenbar wohl Hinweise darauf, daß die WHO grundsätzlich Untersuchungen über Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen nur dann anerkennt, wenn diese Untersuchungen sehr umfangreich und sehr aufwenig und sehr teuer sind.

Genug Geld, um solche Untersuchungen durchzuführen, haben oder geben bzw. inverstieren jedoch meist nur diejenigen, die selbst ein großes Interesse an den Impfungen bzw. am Erfolg der Impfstoffe haben.

(Quelle: Siehe dazu zum Beispiel den Artikel über Impfwirkungen von Martina Frey auf "Infosperber" vom 04.02.2022, die unter anderem auf Stellungnahmen der Impfforscher Peter Aaby und Christine Stabell Ben hinweist.)

Das ist wiederum nicht unbedenklich, dann dies Zweifel an der Unbefangenheit der Auftragegeber solcher Untersuchungen aufwerfen könnte.

Und wer die Musik bestellt, der bestimmt in der Praxis dann meist auch, was gespielt wird.

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Die LTO-Presseschau:

Impfpflicht: Die Mo-SZ (Wolfgang Janisch) untersucht, ob die durch die Omikron-Variante veränderten Bedingungen Einfluss auf die verfassungsrechtliche Bewertung einer Impfpflicht haben. Es sei eine Rechnung mit vielen Unbekannten – welche Variante wird im Herbst vorherrschend sein, wie infektiös wird das Virus dann und wie wirksam werden die Impfstoffe sein. Nur wenn man all dies einigermaßen seriös abschätzen kann, lasse sich beantworten, ob damit ein Eingriff in Grundrechte gerechtfertigt werden kann. Zitiert wird vor allem Rechtsprofessor Stephan Rixen, der bei einer Veranstaltung der Justizpressekonferenz Karlsruhe sprach. Auch in der Mo-FAZ (Andreas Ross) wird die unsichere Grundlage thematisiert, auf der die Abgeordneten über die Impfpflicht entscheiden müssen.

Rechtsprofessor Stephan Huster kritisiert in der Sa-taz die Entscheidung, die Abstimmung über die Impfpflicht zur Gewissensfrage zu erklären. Sie verleihe der Impfdiskussion einen Status, den sie nicht habe: Es gehe nicht um die Rechtfertigung eines heiklen Bürgeropfers, sondern ganz profan um die faire politische Bewältigung eines Problems: Lockdown und überlastete Krankenhäuser oder eine Impfpflicht? Diese klare Fragestellung drohe nun in den subjektiven Beliebigkeiten der vermeintlichen Gewissensqualen unterzugehen. Auch Reinhard Müller (Sa-FAZ) meint, dass damit der Impfpflicht eine existenzielle Bedeutung vorgegaukelt werde, die sie nicht habe. Die stete Überhöhung der Impffrage sei Wasser auf die Mühlen derer, die jede wissenschaftliche Erkenntnis und zunehmend auch diesen Staat ablehnten.

Impfpflicht/subjektivierte Grundrechte: Auf dem Verfassungsblog nimmt Rechtsprofessor Martin Nettesheim in der Debatte um die grundrechtliche Beurteilung einer Impfpflicht Rechtsprofessorin Ute Sacksofsky in Schutz, die in einem früheren Beitrag für eine auch subjektive Bewertung der Tiefe des Grundrechtseingriffes plädierte. Es wäre unsinnig zu glauben, dass dadurch die Grundrechtspraxis beschädigt würde, so Nettesheim. Die Angriffe auf Sacksofsky beruhten auf Missverständnissen. Nettesheim warnt vor "Objektivitätsillusionen".

BVerfG – Impfpflicht/Pflege: 74 Verfassungsbeschwerden von rund 300 Beschwerdeführer:innen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht liegen bereits beim Bundesverfassungsgericht vor, knapp 60 davon seien mit einem Eilantrag verbunden, schreibt LTO. Da die Impfpflicht ab Mitte März gelten soll, sei zu erwarten, dass rechtzeitig vorher zumindest die Eilanträge entschieden werden. Diese zielten darauf ab, die Umsetzung so lange auszusetzen, bis es eine abschließende Entscheidung im Hauptverfahren gibt.

Österreich/Italien – Impfpflicht: Seit Samstag gilt in Österreich eine allgemeine Impfpflicht, in Italien müssen sich alle über 50  Jahren impfen lassen. Das Hbl (Daniel Imwinkelried/Christian Wermke) beschreibt, wie die Regelungen durchgesetzt werden. In Österreich soll ab dem 15. März die Polizei Stichprobe durchführen, in Italien bekommt jeder Ungeimpfte automatisch einen Bußgeldbescheid vom Finanzamt, weil hier die Impfung über die Steuernummer registriert wird.

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Die LTO-Presseschau:

Corona — Pflege-Impfpflicht: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte "großzügigste Übergangsregelungen" bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Pflege- und Gesundheitswesen an, die eigentlich ab dem 15. März gelten sollte. Dies werde "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs" hinauslaufen." Die partielle Impfplicht sei "kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen." Söder fürchtet einen Personalmangel wegen der möglichen Abwanderung von Pflegekräften, die sich nicht impfen lassen wollen. An einer allgemeinen Impfpflicht halte er jedoch fest. Es berichten SZ (Kathrin Müller-Lancé/Johann Osel)FAZ (Heike Schmoll/Timo Frasch u.a.)LTO, spiegel.dezeit.de (Ferdinand Otto/Tilman Steffen) und bild.de (Jan Schäfer und Filipp Piatov).

Werner Bartens (SZ) kommentiert, dass Söder aus selbstsüchtigen Motiven handele, die Ministerpräsidentenkonferenz brüskiere und wieder einmal zeige, "dass der Föderalismus im Kampf gegen die Seuche selbst eine Seuche ist." Steffi Unsleber (Welt) kommentiert, dass das Gesetzesvorhaben am Personalmangel scheitert und dass es zudem beschämend sei, die ohnehin durch die Pandemie schon überlasteten Pflegekräfte in eine "Impflicht zu gängeln."

Corona — Allgemeine Impfpflicht: Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff spricht sich in ihrer Hbl-Kolumne unter Vornahme einer kurzen Verhältnismäßigkeitsprüfung für eine allgemeine Impfpflicht aus und kritisiert einen "Hundertprozentigkeitsanspruch" in der Debatte: "Ist die Schulpflicht verfassungswidrig, weil der Analphabetismus damit nicht ganz ausgerottet wird?"

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Verfassungsgemäß? Nun, es gibt Debatten, wer oder welche Partei verfassungsavers sei. Das selbsternannte Qualitätsblatt SZ druckt nun also, dass Föderalismus "eine Seuche" sei. Und das selbsternannte Qualitätsblatt WAZ pöbelt wiederholt dazu ,  warum eigentlich nicht jede einzelne Schule "entscheiden" können solle, was an Schließungsterror sich vollziehen solle. Ach, wäre das noch übersichtlich - 16 - Länder !. Klug Frau Lübbe-Wolff:  "kritisiert einen "Hundertprozentigkeitsanspruch" in der Debatte"  Allerdings - ein NULL-Prozentigkeitsrisiko wie Golfplatz oder Außengastronomie zu VERRRRRRRRRRRRRRRBieten, das war schon ein Stück aus dem Tollhaus.

Probleme der allgemeinen Impfpflicht ergeben sich doch gar nicht aus einem "Hundertprozentigkeitsanspruch", sondern aus der genauen Festlegung des gesetzgeberischen Ziels (problematisch wäre Selbstschutz der Geimpften) und der Geeignetheit der Impfung zum Schutz anderer. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand lt. RKI ist unter Omikron davon auszugehen, dass Geimpfte "trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind". Damit wäre die (Zwangs)Impfung keine geeignete Maßnahme (untaugliches Mittel), um andere Personen vor Infektion durch den (Zwangs)Geimpften zu schützen. Gleiche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Gleichwohl darf man aber skeptisch sein, ob die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden und die mit ihnen verbundene Eilanträge Erfolg haben werden.

Zum Erfordernis der Rechtswegerschöpfung und zum Grundsatz der Subsidiarität der VB gibt es (seltene) Ausnahmen. Die VBs gegen die gesetzliche Impfpflicht gegen Masern ( § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 und 6 und Abs. 12 Satz 1 und 3 sowie i.V.m. Abs. 13 Satz 1 IfSG) richteten sich unmittelbar gegen das Gesetz, offensichtlich ohne dass zuvor der Verwaltungsrechtsweg beschritten wurde. Gleichwohl schreibt das BVerfG (1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20) in seiner Entscheidung über die Eilanträge: "Die Verfassungsbeschwerde ist zumindest nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist".

Vermutlich haben sich die vielen inzwischen beim BVerfG eingegangenen VBs gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen COVID-19 davon leiten lassen. Ein möglicherweise entscheidungserheblicher Unterschied könnte aber darin liegen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen COVID-19 nicht unmittelbar einen gesetzlichen Betretungsverbot für die betreffende Einrichtung auslöst, wenn gegen die Impfpflicht verstoßen wird. Vielmehr kann sie erst dann durch das Gesundheitsamt angeordnet werden. Bei der Impfpflicht gegen Masern ergeht dagegen das Betreuungsverbot unmittelbar kraft Gesetzes.

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https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei
einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, den-
ken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: «Naja, so werden wir die Alten los, die unsere
Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen
Glück erbe ich so schon ein bisschen früher». Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher
zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen.
Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseu-
chung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden:
1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewie-
sen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft krie-
gen ist für jeden Menschen eine Urangst. Die Situation, in der man nichts tun kann, um in Le-
bensgefahr schwebenden Angehörigen zu helfen, ebenfalls. Die Bilder aus Italien sind verstö-
rend.
2) "Kinder werden kaum unter der Epidemie leiden": Falsch. Kinder werden sich leicht anste-
cken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre
Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld
daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist
es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.
3) Folgeschäden: Auch wenn wir bisher nur Berichte über einzelne Fälle haben, zeichnen sie
doch ein alarmierendes Bild. Selbst anscheinend Geheilte nach einem milden Verlauf können
anscheinend jederzeit Rückfälle erleben, die dann ganz plötzlich tödlich enden, durch Herzin-
farkt oder Lungenversagen, weil das Virus unbemerkt den Weg in die Lunge oder das Herz
gefunden hat. Dies mögen Einzelfälle sein, werden aber ständig wie ein Damoklesschwert
über denjenigen schweben, die einmal infiziert waren. Eine viel häufigere Folge ist monate-
und wahrscheinlich jahrelang anhaltende Müdigkeit und reduzierte Lungenkapazität, wie
dies schon oft von SARS-Überlebenden berichtet wurde und auch jetzt bei COVID-19 der Fall
ist, obwohl die Dauer natürlich noch nicht abgeschätzt werden kann.
Ausserdem sollte auch historisch argumentiert werden, nach der mathematischen Formel:
2019 = 1919 + 1929
Man braucht sich nur die oben dargestellten Zahlen zu veranschaulichen bezüglich der anzunehmen-
den Sterblichkeitsrate (mehr als 1% bei optimaler Gesundheitsversorgung, also weit über 3% durch
Überlastung bei Durchseuchung), im Vergleich zu 2% bei der Spanischen Grippe, und bezüglich der zu
erwartenden Wirtschaftskrise bei Scheitern der Eindämmung, dann wird diese Formel jedem ein-
leuchten.

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.pdf?__blob=publicationFile&v=6

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Pflege-Impfpflicht/Bayern: Auch Bayern muss Bundesgesetze umsetzen. Die Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Bayern de facto auszusetzen, hat zahlreiche staatsrechtliche Darstellungen ausgelöst, in denen die entgegenstehende Rechtslage aufgezeigt wird. Auch wenn die Umsetzung und Vollziehung der Pflege- und Gesundheits-Impfpflicht grundsätzlich den Ländern obliegt, bietet das Grundgesetz (GG) dem Bund dennoch mehrere Möglichkeiten, um diese Umsetzung durchzusetzen. Neben der Rechtsaufsicht gem. Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG, die keine bindenden Anordnungen und Weisungen erlaubt, kann der Bund Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen oder (mit Zustimmung des Bundesrates) auch mittels "Bundeszwang" gem. Art. 37 Abs. 1 GG zur Erfüllung seiner Pflichten bringen. Ein "Bundeskommissar" könnte dann die Exekutivgewalt übernehmen; in der Geschichte der Bundesrepublik hat es aber noch keinen Anwendungsfall des Bundeszwangs gegeben. Es analysieren FAZ (Marlene Grunert u.a.), Welt (Frederik Schindler), Rechtsanwalt Patrick Heinemann auf LTO und tagesschau.de (Claudia Kornmeier). Die BadZ (Christian Rath) weist zudem darauf hin, dass Söder auch "zu Tricks greifen" könne, zum Beispiel indem die bayerischen Gesundheitsämter den gemeldeten ungeimpften Mitarbeiter:innen monatelange Fristen zum Nachholen der Impfung bzw. zur anschließenden Abgabe einer Stellungnahme einräumen. Ende des Jahres laufe die Pflege-Impfpflicht laut Gesetz ohnehin aus.

Für Reinhard Müller (FAZ) ist das Verhalten Söders "entweder ein Eingeständnis massiven Organisationsversagens oder des eigenen Horrors vor Spaltung und Spaziergängerei oder beides zusammen". Das als vernünftig Erkannte und Beschlossene umzusetzen, entspreche hingegen auch dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger.

Im spiegel.de-Interview (Florian Gontek) mit Rechtsanwalt Jens Niehl sowie bei focus.de (Göran Schattauer) erfährt man, welche Mehrbelastung durch die Gesetzesänderung auf die Gesundheitsämter zukommt. Diese müssen ab dem 16. März einerseits gemeldete Ungeimpfte zu einer Impfung auffordern und ggf. Beschäftigungsverbote aussprechen sowie andererseits auch die Seriosität von ggf. vorgelegten Ausnahme-Attesten überprüfen.

Corona – Impfpflicht/subjektivierte Grundrechte: Als Beitrag zur öffentlichen Diskussion der Rechtsprofesor:innen Ute Sacksofsky und Klaus Ferdinand Gärditz auf dem Verfassungsblog kommt der wissenschaftliche Mitarbeiter Robert Ziehm auf dem JuWissBlog zum Ergebnis, dass trotz des geringen bis minimalen Eingriffs in die körperliche Integrität eine Impfpflicht einen sehr empfindlichen Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung darstelle. Das Grundrecht lasse nämlich dem Individuum Raum zur "medizinischen Häresie". Trotzdem könne der Eingriff gerechtfertigt werden und unter Umständen sogar die grundrechtsschonendste Handlungsalternative darstellen.

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Pflege-Impfpflicht/Bayern: Nun stellen auch SZ (Wolfgang Janisch) und spiegel.de (Dietmar Hipp) vertieft die infektionsschutzrechtliche und verfassungsrechtliche Verpflichtung Bayerns dar, die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitswesen umzusetzen. Die FAZ (Katja Gelinksy u.a.) hat entsprechende Stimmen von Arbeitsrechtlern gesammelt, LTO konzentriert sich auf das Verfassungsrecht. Die FR (Ursula Knapp) zeigt die rechtlichen Schwierigkeiten des Bundes auf, eine Verpflichtung der Länder durchzusetzen.

Frank Bräutigam (tagesschau.de) kritisiert, Söder säge mit seiner Ankündigung "an den Wurzeln von Rechtsstaat und Demokratie". , Katja Gelinsky (FAZ) warnt: "Unionspolitiker sollten sich gut überlegen, ob sie dem Irrlicht folgen, mit dem Söder sie in einen Sumpf locken will, in dem fundamentale demokratische und rechtsstaatliche Spielregeln zu versinken drohen.". Wolfgang Janisch (SZ) befürchtet, dass Söders Manöver die Akzeptanz einer allgemeinen Impfpflicht aushöhle. "Wenn selbst in Krankenhaus und Pflege die Immunisierung nicht durchgesetzt wird, dann kann die Impfung nicht so wichtig sein", könnte als Botschaft verstanden werden. Für Christian Rath (taz) zeigt die aktuelle Diskussion, dass eine Impfpflicht in der Regel den Widerstand anstachele und deshalb kontraproduktiv sei. Nur für extreme Situationen sollte eine Impfpflicht jetzt gesetzlich und organisatorisch vorbereitet werden. 

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Ich bin weder politischer Sprecher von Markus Söder noch sein politischer Anhänger. Aber in diesem Punkt kann ich seine Haltung sehr gut nachvollziehen. Ich versuche sie daher kurz zu erläutern. Sie hat nichts mit Sägen am Rechtsstaat zu tun. Ganz im Gegenteil. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht steht inzwischen unter Omikron verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis. Das liegt daran, dass lt. RKI davon auszugehen ist, dass Geimpfte "trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind". In der Grundrechtsprüfung führt das zur Ungeeignetheit der Impfpflicht als Maßnahme zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, also um vulnerable Personen vor Ärzten und dem Pflegepersonal u.a. vor Ansteckung durch sie zu schützen.

Bei der Impfpflicht gegen Masern (an deren Geeignetheit überhaupt keine Zweifel bestehen) besteht bei Verstoß ein Betreuungsverbot kraft Gesetzes. Bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht kann aber erst das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot anordnen. Darin liegt die Umsetzung des Gesetzes. Aufgrund dieser Anordnung können die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung dann nicht mehr erbringen und verlieren ihren Anspruch auf Lohnzahlung. Auch Kündigung kommt in Betracht. Hinzu kommt, dass es für sie schwierig sein dürfte,  für diese Zeit Arbeitslosengeld zu bekommen. Denn mangels Impfung bei bestehender Impfpflicht stehen sie dem Arbeitsmarkt eben nicht zur Verfügung. Kein Krankenhaus und keine Pflegeeinrichtung u.ä. wird sie ohne Impfung einstellen (dürfen).

Angenommen, es wird einige Betroffene geben, die selbst unter diesen Schwierigkeiten sich nicht impfen lassen werden und gegen die Betretungsanordnung vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erheben. Die Erfolgsaussichten sind alles andere als schlecht - schon wegen der oben genannten Ungeeignetheit. Sollte ihre Klage Erfolg haben und das Betretungsverbot des Gesundheitsamtes (!) rechtswidrig sein, dann stellt sich die Frage des Schadensersatzes aus Amtshaftung.

Gesundheitsämter sind Ämter der Kreisverwaltungen, die im Amtshaftungsprozess die passivlegitimierten Beklagten wären. Das wäre anders, wenn das Betretungsverbot wie bei der Impfpflicht gegen Masern kraft Gesetzes bestünde. Dann würde auch Markus Söder sicher dazu sich auch anders äußern. Denn dann stünde das Amtshaftungs- und Kostenrisiko beim Bund. Bei dem Betretungsverbot durch die Gesundheitsämter steht das Risiko aber bei den Kreisen, wenn sie ein verfassungswidriges Bundesgesetz umsetzen.

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Bevor man über Markus Söder so eine Hetz-Kampagne anheizt, hätte man ihm in der Tagesschau die sich so aufdrängende Frage stellen können: "Beabsichtigt etwa die Bayrische Landesregierung ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht?"

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Na ja, Bayern. Seehofer hat auch mal gesagt, Bayern werde gegen die Vermurksung des Art 6 GG ("Ehe") bei dem BVerfG vorgehen. NIX war denn!

Herzlichen Dank für den Hinweis. Eine interessante Entscheidung! Wäre das nur Allgemeingut! "De Fahne noch..." / "Die Maske auf..."!

Die LTO-Presseschau:

Corona – Impfpflicht: Die eigentlich für kommende Woche geplante erste Lesung der Gesetzentwürfe für und gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht muss verschoben werden, weil einer der parteiübergreifenden Gruppenanträge nicht rechtzeitig fertig wird. Der verspätete Gesetzentwurf, den der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann federführend vorbereitet, soll eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren regeln. Die erste Lesung im Bundestag ist nun wohl erst in der Woche ab dem 14. März möglich. Die SZ (Roland Preuss/Henrike Rossbach/Mike Szymanski) berichtet. 

Corona – Pflege-Impfpflicht/Bayern: Auf dem Verfassungsblog erläutert Rechtsprofessor Josef Franz Lindner, dass er die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigte Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für verfassungsrechtlich unproblematisch hält. Angesichts der Untätigkeit des Bundes, der wichtige Fragen ungeklärt gelassen habe, müssten die Länder nun "vollzugsleitende Verwaltungsvorschriften" erlassen, was eine Verzögerung des Vollzugs unausweichlich erscheinen lasse.

Österreich – Impfpflicht: Auf LTO analysiert Rechtsprofessor Stephan Rixen die Impfpflicht in Österreich und ob sie für Deutschland ein Vorbild sein könnte. Laut Rixen liege die eigentliche Herausforderung einer Impfpflicht in der erfolgreichen organisatorischen Umsetzung.

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Brav, brav, BVerfG, kleine Richterlein. Schön Obacht gegeben bei der Einnordung mit Merkel 30.6.2021. Lecker Abendessen, guter Wein, da wird man brav und folgsam, gell?

Wenn Sie auf die Befolgung von Recht und Gesetz pochen, müssten Sie mich eigentlich auch in meinen Angelegenheiten unterstützen.  

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Am 10.02.2022 hat das BVerfG - 1 BvR 2649/21 – den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Es führt darin u.a. aus:

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, sind die eintretenden Nachteile, die sich aus der Anwendung der angegriffenen Regelungen ergeben, von besonderem Gewicht. Kommen Betroffene der ihnen in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG auferlegten Nachweispflicht nach und willigen in eine Impfung ein, löst dies körperliche Reaktionen aus und kann ihr körperliches Wohlbefinden jedenfalls vorübergehend beeinträchtigen. Im Einzelfall können auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können (vgl. Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 7. Februar 2022 – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2021 – S. 5, 8 f., 28 ff.). Eine erfolgte Impfung ist auch im Falle eines Erfolgs der Verfassungsbeschwerde irreversibel. (RdNr. 16)

Allerdings verlangt das Gesetz den Betroffenen nicht unausweichlich ab, sich impfen zu lassen. Für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, kann dies zwar vorübergehend mit einem Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein. Dass die in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise eintretenden beruflichen Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind oder sonst sehr schwer wiegen, haben die Beschwerdeführenden jedoch nicht dargelegt; dies ist auch sonst – jedenfalls für den genannten Zeitraum – nicht ersichtlich. Wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, sind daneben grundsätzlich nicht geeignet, die Aussetzung der Anwendung von Normen zu begründen. (RdNr. 17) …

Vor diesem Hintergrund überwiegen letztlich die Nachteile, mit denen bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der angegriffenen Regelung für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen wäre. Nach wie vor ist die Pandemie durch eine besondere Infektionsdynamik mit hohen Fallzahlen geprägt, mit der eine große nfektionswahrscheinlichkeit und dadurch ein entsprechend hohes Gefährdungspotential für vulnerable Personen einhergeht. Für diese ist auch im Hinblick auf die Omikronvariante des Virus weiterhin eine möglichst frühzeitige Unterbrechung von Übertragungsketten besonders wichtig, zu der ausweislich der weitgehend übereinstimmenden Stellungnahmen der angehörten sachkundigen Dritten eine COVID-19-Impfung in einem relevanten Maß beitragen kann. …. In der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist daher bei Erlass der einstweiligen Anordnung zu erwarten, dass der weitgehend nicht vermeidbare Kontakt vulnerabler Gruppen mit Personen ohne Impfschutz die Zahl der – insofern irreversiblen – Infektionen mit schwerem oder sogar tödlichem Krankheitsverlauf erhöht.“ (RdNr. 22)

Immerhin geht das Gericht zutreffend davon aus, dass durch die Impfung „im Einzelfall“ auch Todesfälle verursacht werden können. Wenn die Impfung im Folgenden als für die Betroffenen nicht unausweichlich bezeichnet wird, mag dies formal zutreffen, wird es bei der Frage der allgemeinen Impfpflicht allerdings nicht mehr. Weitere Ausführungen zu den – nicht als gravierend angesehenen - wirtschaftlichen Nachteilen wären allerdings erforderlich gewesen. Denn die Annahme, dass die beruflichen Nachteile nicht „sehr schwer wiegen“, wird nicht begründet. Eine solche Annahme wäre nur haltbar, wenn das Gericht ausdrücklich festgestellt hätte, dass ein Wegfall des Vergütungsanspruch ausgeschlossen wäre. Wäre dies nicht der Fall, würde das höchstwahrscheinlich mehrmonatige faktische Verbot der Berufsausübung in einer Vielzahl von Fällen existenzvernichtend sein können.

Weiter bezieht sich das Gericht zur Frage der offenbar als wesentlich angesehenen „Unterbrechung von Übertragungsketten“ auf Stellungnahmen „sachkundiger Dritter“, ohne diese zu benennen. Dies wäre angesichts der seit längerem veröffentlichten und zwei mal revidierten Äußerungen auf der Homepage des Paul Ehrlich Instituts (PEI) zur Wirksamkeit der Impfungen allerdings naheliegend gewesen:

- 15.08.2021: COVID-19-Impfstoffe schützen vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus.“

- 07.09.2021: „COVID-19-Impfstoffe schützen vor einem schweren Verlauf einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus.“

- 27.09.2021: „COVID-19-Impfstoffe sind indiziert zur aktiven Immunisierung zur Vorbeugung der durch das SARS-CoV-2-Virus verursachten COVID-19-Erkrankung.“

Ursprünglich versprach das PEI also Schutz vor „Infektion“. Hierauf beruhte das 2G-System. Später versprach man nur noch Schutz vor „schwerem Verlauf“. Inzwischen verspricht man gar nichts mehr. Es bleibt die Frage, wie das Gericht im Widerspruch zu den öffentlich zugänglichen Äußerungen der zuständigen Behörde zu seiner Auffassung kommt, die Impfung sei zu einer – offenbar als „besonders wichtig“ angesehenen - „Unterbrechung von Übertragungsketten“, also der Vermeidung von Infektionen, in der Lage. Die Frage der Geeignetheit des Mittels wird nicht geprüft, sondern deren Vorliegen bestenfalls unterstellt.

Völlig unbeachtet lässt das Gericht den Aspekt von durch die Regelung verursachten Personalengpässen im Gesundheitswesen. Treffend stellt die „BZ“ dazu fest:

"Kein Scherz: Die Bundesregierung will Nachbarn dafür bezahlen, dass sie die zu erwartenden Lücken in der häuslichen Pflege schließen. Ob geimpft oder ungeimpft.

…. Das Ganze ist kein Scherz, auch kein schlechter. Auf eine Anfrage der Linken schrieb das Gesundheitsministerium wörtlich: „Zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungsengpässen im häuslichen Bereich können Pflegekassen für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 nach ihrem Ermessen Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Sachleistungsbeträge“ gewähren. Damit sei „eine flexible Möglichkeit bereitgestellt, um coronabedingte Versorgungsengpässe bei der Pflege zu Hause besser aufzufangen“. Mit den Mitteln könne „Ersatz bis hin zur Unterstützung durch Nachbarn organisiert werden“, so die Bundesregierung. Ein Aufschrei blieb aus. Man fragt sich, warum. ….

Fragt man einen Experten, was er von dieser Neuregelung hält, ist die Antwort nicht minder eindeutig: „Nichtgeimpfte ohne pflegerischen Sachverstand als Ersatz für Pflegehelfer in die Haushalte zu schicken, ist in der aktuellen Lage völlig absurd“, so der Rechtswissenschaftler, Sozialexperte und Pflegeforscher, Thomas Klie. …. Es hieße zwar immer zur Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, es seien 90 Prozent der Pflegekräfte bereits geimpft, doch gilt das längst nicht für alle Einrichtungen und ist regional höchst unterschiedlich.“

https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/personalmangel-durch-impfpflicht-fragen-sie-ihre-nachbarn-li.211147

Dem ist so gut wie nichts hinzuzufügen, außer vielleicht die Frage, warum bei Annahme einer Impfquote von 90 % in diesem Bereich die verbleibenden 10 % in dem hier geschehenen Maß unter Druck gesetzt werden müssen. Zu einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit hat sich das Gericht allerdings nicht veranlasst gesehen. Weder dieser Begriff noch der der Geeignetheit findet sich in dem Beschluss wieder. Darüber hinaus ist hier zumindest der Anschein eines Widerspruchs gegeben. Wenn wirklich nur 10 % des Personals auf Grund der hier in Rede stehenden Regelung ausfallen (würden), sollten die Folgen für die häusliche Pflege nicht so drastisch werden können, dass man zu derart absurden Lösungsvorschlägen greifen müsste. Allerdings könnte die viel beschworene, wenn auch nicht eingetretene, Gefährdung des Gesundheitssystems auf diesem Wege möglicherweise erreicht werden.

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Die LTO-Presseschau:

Corona - Impfpflicht: In einem am Freitag vorgestellten Antrag schlägt die CDU/CSU-Fraktion statt einer sofortigen Impfpflicht vor, diese nur für den Ernstfall vorzubereiten, wie die Sa-FAZ (Peter Carstens) und spiegel.de (Marc Röhlig/ Sophie Garbe u.a.) schreiben. Es soll ein Impfregister geschaffen werden, um bei möglichen künftigen Coronawellen Ungeimpfte gezielt zu kontaktieren und gegebenenfalls dann eine Impfpflicht einzuführen. Über diesen und zwei weitere Vorstöße aus der Mitte des Bundestages berichten das Hbl (Frank Specht), die Sa-taz (Anna Lehmann/Sabine am Orde) und LTO. Am Freitag hatten Abgeordnete von SPD, Grünen und SPD ihren Entwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 vorgestellt, eine Gruppe um den FDP-Politiker Andrew Ullmann arbeite an einem Vorschlag für einen "Mittelweg" mit verpflichtendem Beratungsgespräch und einer Impfpflicht am 50. Die Beschlussfassung im Bundestag soll spätestens Ende März abgeschlossen sein.

Wenn eine Impfpflicht kommen soll, dann müsse sie schnell kommen, fordert Christina Berndt (Mo-SZ). Dann sollten die Menschen im Herbst schon geimpft und geboostert sein, wenn es wieder losgeht – sonst werde es ohne umfassende Maßnahmen sehr wahrscheinlich wieder nicht gehen. Die Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht sei spätestens, seitdem die Union nun ihren eigenen Antragsentwurf vorgelegt habe, in weite Ferne gerückt, meint Mirko Schmid (Sa-taz). Weil die erforderliche Mehrheit für keinen der Entwürfe in Sicht wäre, sei aktuell davon auszugehen, dass keine der Initiativen umgesetzt werden könne.

LTO (Hasso Suliak) hat mit Rechtsprofessor Michael Kubiciel über Bußgeldandrohungen gesprochen, die mit einer möglichen allgemeinen Impfpflicht verbunden wären. Den Betroffenen müsse rechtliches Gehör gewährt werden, so Kubiciel. Für die Verhältnismäßigkeit wäre es gut, wenn vor Verhängung des Bußgelds noch einmal Gelegenheit zum Nachweis der Impfung gegeben wird. Eine mehrfache Sanktion sei nur möglich, wenn sie am unterlassenen Nachweis festgemacht wird und nicht an der unterlassenen Impfung. Es wäre schwer zu begründen, wenn bei zahlungsfähigen Personen, die die Geldbuße nicht bezahlen auf Erzwingungshaft verzichtet wird.

BVerfG zu Pflege-Impfpflicht: Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag in einer Eilentscheidung die einrichtungsbezogene Impfpflicht bestätigt. Es beständen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwände. Nur die Verweisung auf Entscheidungen des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts sei fragwürdig. In einer Folgenabwägung stellte das Gericht anschließend fest, dass die den Beschwerdeführenden drohenden Nachteile – körperliche Reaktionen auf die Impfung oder zeitweiliger Verlust des Berufs, um die Impfpflicht zu umgehen – in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere nicht die Nachteile überwögen, die bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung für vulnerable Menschen entstehen würden. Sa-FAZ (Marlene Grunert)Sa-SZ (Wolfgang Janisch)Sa-taz (Christian Rath)LTOspiegel.de berichten.

In der emotional aufgeheizten Debatte sei ein klärendes Wort wie dieses wichtig, schreibt Wolfgang Janisch (Sa-SZ). Der Beschluss wäge ab zwischen den Konsequenzen für das zur Immunisierung verpflichtete Personal und den Gefahren für Patienten und Heimbewohner – und halte damit jenen einen Spiegel vor, die lautstark "ihre" Grundrechte und "ihre" Freiheit einforderten. Reinhard Müller (Sa-FAZ) schreibt, man könne durchaus schon erkennen, wie die Abwägung auch in der Hauptsache ausgehe: zugunsten einer Impfpflicht, wohl auch einer allgemeinen. Benjamin Stibi (WamS) kritisiert dagegen, dass Karlsruhe sich weigere zu erkennen, dass sich durch Omikron die Gefahrenlage entscheidend verändert habe und dass die Impfung in ihrer aktuellen Form hauptsächlich zum Selbstschutz tauge; das aber sei kein verfassungsrechtlich legitimes Ziel für eine Impfpflicht.

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"Es beständen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwände."

Dieser Satz gibt die Entscheidung nur verkürzt wieder. Es könnte dadurch der falsche Eindruck entstehen, das BVerfG habe die Erfolgsaussichten der VBs in der Hauptsache summarisch (wie in verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz) geprüft. Das wäre aber falsch. Der verfassungsgerichtliche Eilrechtsschutz wird von dem Fall der Offensichtlichkeit abgesehen auf Folgenabwägung beschränkt. Aber auch das Originalzitat der Entscheidung ist leicht irreführend. So schreibt das BVerfG wörtlich in die Entscheidungsbegründung:

"Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken." (Rn. 14)

Ach danach könnte man den Eindruck haben, das BVerfG habe die Vereinbarkeit des § 20a IfSG mit der Verfassung geprüft (möglicherweise nur summarisch). Aber ich denke, das BVerfG hatte die Nachweispflicht in § 20a IfSG nur(!) auf Geeignetheit geprüft (m.E. unvermeidliche Teilprüfung), um vulnerable Personengruppen vor Infektionen durch das Einrichtungspersonal zu schützen. Die Geeignetheitspfrüfung ist m.E. für die Folgenabwägung unumgänglich. Denn eine Folgenabwägung wäre falsch, wenn sie die Geeignetheit der Impfung und damit der Impfpflicht (als Mittel) einfach unterstellt, während sie in Wahrheit aber nur ein untaugliches Mittel ist. Eine Andeutung der Geeignetheitsprüfung kann man aus folgendem Hinweis herleiten: "unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten". Denn unter Rn. 19 heißt es dann etwas genauer:

"Nach der weitgehend übereinstimmenden Einschätzung der angehörten sachkundigen Dritten ist zudem davon auszugehen, dass COVID-19-Impfungen einen relevanten – wenngleich mit der Zeit deutlich nachlassenden – Schutz vor einer Infektion auch mit der Omikronvariante des Virus bewirken."

Das BVerfG hat seine Eilentscheidung und die Folgenabwägung auf eine offensichtlich doch sehr suspekte und fragliche Sachkunde gestützt. Wenn schon der Gesetzgeber seine Maßnahmen auf sachkundigen Erkenntnissen des RKI stützt, dann sollte das BVerfG sie nicht gänzlich übergehen. Die sachkundigen Dritten hätten wenigstens namentlich genannt werden können (wie schon oben von " Assessor Michae..." kritisiert), damit die Öffentlichkeit sich ein Bild von ihrer Sachkunde machen kann. Das RKI schreibt dagegen auf seiner Homepage:

"Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?

[...]

In der Summe ist das Risiko, dass Menschen trotz Impfung PCR-positiv werden und das Virus übertragen, unter der Deltavariante deutlich vermindert. Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind. Dabei können diese Menschen entweder Symptome einer Erkrankung (die zumeist eher milde verläuft) oder überhaupt keine Symptome entwickeln. Zudem lässt der Impfschutz über die Zeit nach und die Wahrscheinlichkeit trotz Impfung PCR-positiv zu werden nimmt zu.

[...]

Stand: 24.01.2022".

Wie sich aus den Wochenberichten des RKI und aus seinen anderen Mitteilungen ergibt, hat sich an dieser Erkenntnis immer noch nichts geändert. Ganz im Gegenteil. Die Gefahr für einen Geimpften, sich mit der immunevasiven Untervariante des Omikron BA.2 (Anteil 8,1 Prozent in KW 04/2022) zu infizieren ist ungleich größer geworden (vgl. vorletzter Wochenbericht des RKI). Gleichwohl ändert das nichts an der verhältnismäßig guten Wirksamkeit der Impfung gegen Delta und damit an der Geeignetheit, deren Anteil zwar prozentual derzeit etwa bei nur 1 Pozent liegt in Zahlen aber immer noch im Mittelwert bei ungefähr 1000 Infizierten täglich vorkommt. Ein Schutzbedürfnis der Vulnerablen vor dieser Variante existiert daher immer noch. Die Ausführungen des BVerfG zur Wirksamkeit der Impfung gegen Infektion mit Omikron waren so überflüssig wie allem Anschein nach falsch.

Und zum Schluss noch zur erhöhten Testpflicht der Beschäftigten in Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Ich weiß nicht, ob es sie wirklich gibt. Wenn ja, dann hätte sie m.E. in die Folgenabwägung des BVerfG mit einfließen müssen. Denn das regelmäßige Testen ist ein wirksames Mittel, Vulnerable nicht nur vor Infektionen mit Delta, sondern auch mit Omikron zu schützen. Hier hätte sich dann die Frage stellen müssen, ob es bis zur Entscheidung in der Hauptsache wirklich eines weiteren und nur gegen Delta schützenden Maßnahme dringend bedarf.

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Die LTO-Presseschau:

Österreich – Corona-Impfpflicht: Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat angekündigt, die gerade in Kraft getretene allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wieder auszusetzen, wenn sich ein Expertenrat für die Aussetzung ausspreche. Es sei nicht der Sinn des Gesetzes gewesen, eine Zwangsmaßnahme zu setzen. Bisher gibt es diesen Expert:innen-Rat allerdings noch nicht. Es berichten FAZ (Stephan Löwenstein)SZ (Cathrin Kahlweit) und LTO.

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Die LTO-Presseschau:

Österreich – Corona-Impfpflicht: Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat angekündigt, die gerade in Kraft getretene allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wieder auszusetzen, wenn sich ein Expertenrat für die Aussetzung ausspreche. Es sei nicht der Sinn des Gesetzes gewesen, eine Zwangsmaßnahme zu setzen. Bisher gibt es diesen Expert:innen-Rat allerdings noch nicht. Es berichten FAZ (Stephan Löwenstein)SZ (Cathrin Kahlweit) und LTO.

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Impfpflicht: In einer "vorläufigen Skizze" zu dem von Mitgliedern der Ampel-Fraktionen vorgestellten Gesetzentwurf einer allgemeinen Impfpflicht für Volljährige kommt Rechtsprofessor Thorsten Kinggreen auf Verfassungsblog zu dem Schluss, "dass es zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs doch ein paar Unsicherheiten und Ungereimtheiten zu viel gibt". Es reiche nicht aus, "dass vielleicht irgendetwas irgendwann irgendwo irgendwie passieren kann", wobei hinsichtlich einer verfassungsgerichtlichen Korrektur nach der Bundesnotbremse-Entscheidung ohnehin "nichts mehr" zu erwarten sei. Angesichts der vielfachen tatsächlichen Unwägbarkeiten und Ungewissheiten plädiert der Autor für eine Fortsetzung der politischen Debatte und schlägt "ein personal und temporal abgestuftes Vorgehen" auf Grundlage des Vorschlags einer Impfpflicht für über 50-Jährige vor. Die Betreffenden sollten hierbei zunächst nur zur Beratung verpflichtet sein, eine Pflicht zur Impfung griffe nur bei Erreichen "einer klar definierten und nicht zu hoch angesetzten Gefahrenstufe".

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Impfpflicht: Nachdem nun alle Entwürfe für eine mögliche Corona-Impfpflicht vorliegen, stellen SZ (Henrike Roßbach/Angelika Slavik) und FAZ (Kim Björn Becker/Christian Geinitz) die vorgeschlagenen Modelle und ihre Unterschiede vor. 

Die FAZ (Stephan Klenner) zieht als mögliches Vorbild für eine Impfpflicht das Reichsimpfgesetz von 1874 heran, das im Deutschen Reich die Impfpflicht gegen Pocken regelte und über hundert Jahre lang in Deutschland galt.

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Anmerkung zu Troll-Aktivität und zu Off-Topic Kommentaren:

Ein "Gast" veröffentlicht seit einiger Zeit stoßweise und wahllos unter verschiedenen Blogbeiträgen immer wieder dieselben Kommentare. Es sind mittlerweile hunderte solcher Kommentare, die er oder sie inzwischen im Minutentakt über die ganze Community verbreitet. Diese Kommentare werden von mir und der Redaktion des Blogs gesperrt, was aber einen erheblichen Aufwand verursacht. Ich weiß nicht, was genau diesen Gast dazu antreibt, aber es stellt jedenfalls eine erhebliche Störung der Diskussion dar.

Danke allseits für das Verständnis für Bemühungen, die Beck Community auch als Fach-Diskussionsforum zu erhalten.

Henning Ernst Müller

Die LTO-Presseschau:

VG Köln zu Mitgliederzahl des AfD-"Flügels": Das Verwaltungsgericht Köln hat inzwischen die schriftliche Begründung zum ersten von vier AfD-Urteilen der letzten Woche vorgelegt. Danach muss das Bundesamt für Verfassungsschutz richtigstellen, dass seine frühere Aussage, der "Flügel" habe etwa 7000 Mitglieder, "rechtswidrig" war. Die Behörde habe dies nicht nur schätzen dürfen. Es berichtet die SZ (Ronen Steinke/Markus Balser)

In einem separaten Kommentar schreibt Ronen Steinke (SZ): "Das könnte AfD-Chef Tino Chrupalla ruhig mal beim nächsten Stammtisch europäischer Rechtspopulisten erzählen: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem selbst eine derart von Bundesrepublik-Verachtung geprägte Partei wie die AfD jederzeit zum örtlichen Verwaltungsgericht hingehen und sogar den mächtigen Inlandsgeheimdienst in die Schranken weisen lassen kann."

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Wie nahezu jede medizinische Maßnahme hat auch eine Impfung gegen das SARSCoV-2-Virus nicht nur (beabsichtige) Wirkungen, sondern auch (unbeabsichtigte) Nebenwirkungen. Das macht die Impfentscheidung zu einer hoch komplexen Risikoabwägung.

Ob und wie die aktuellen Impfstoffe gegen die grassierenden Virus-Varianten wirken, ist trotz aller Forschungsanstrengungen und einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien nicht abschließend geklärt. Die Beurteilung hängt auch davon ab, welchen Aspekt man betrachtet (Schutz vor Infektion, schwerem Verlauf, Hospitalisation, Intensivstation, Tod oder Übertragung des Virus auf andere). Der aktuelle Wissensstand ändert sich ständig und in wechselnden Abständen.

Ähnlich unsicher und fließend ist die Lage bei den Nebenwirkungen. Die zeigt sich u.a. bei den sog. „Rote-Hand-Briefen“. Die Frequenz dieser Informationsschreiben, mit denen pharmazeutische Unternehmen laufend über neu bekannt gewordene Nebenwirkungen ihrer Produkte informieren, ist bei den SARS-CoV-2-Impfstoffen ist ungewöhnlich hoch. Zum aktuellen Stand: https://www.pei.de/DE/newsroom/veroffentlichungen-

arzneimittel/rote-hand-briefe/rote-hand-briefe-node.html.


Das ist ein Indiz dafür, wie fließend und unsicher der sich dauernd ändernde Erkenntnisstand ist. Die Sicherheit der Impfstoffe kann deshalb derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Welche Nebenwirkungen mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten können, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Längst noch nicht alle Faktoren, die relevant sein können, sind bekannt oder ausreichend erforscht. Das liegt auch und in erster Linie daran, dass bisher kein effektives Monitoring installiert ist, das eine verlässliche und fundierte Datengrundlage schaffen könnte. Standard bei der Anwendung neuer Medikamente und Impfstoffe ist eine aktive sog. post-marketing-surveillance, die hier bisher aber fehlt.

Die Problematik der bisher allein existierenden Spontanmeldesysteme wurde bereits 2016 im Deutschen Ärzteblatt dargestellt und lässt Rückschlüsse auf einer erhebliche Dunkelziffer zu.

(vgl. https://www.aerzteblatt.de/archiv/175157/Unerwuenschte-Arzneimittelwirkungen-Warum-Meldun-gen-nicht-erfolgen)

Allerdings liefern offizielle Angaben, wie z.B. der Sicherheitsbericht des PEI vom 07.02.2022, der den Zeitraum vom 27.12.2020 bis zum 31.12.2021erfast, durchaus Indizien. So werden dort 2.255 Todesfälle aufgeführt:

„In 2.255 Verdachtsfallmeldungen wurde über einen tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung (0 Tage bis 289 Tage) berichtet. In 85 Einzelfällen, in denen Patienten an bekannten Impfrisiken wie Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS), Blutungen aufgrund einer Immunthrombozytopenie oder Myokarditis im zeitlich plausiblen Abstand zur jeweiligen Impfung verstorben sind, hat das Paul-Ehrlich-Institut den ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet.“ Diese Annahme wird allerdings nicht begründet.

https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-31-12-21.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Diese Zahlen sind nur aussagekräftig im Vergleich zu den entsprechenden Angabe für frühere Jahre. Nach Angaben des PEI waren unter den im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2020 erhobenen Verdachtsfällen insgesamt 456 Todesfälle. http://52625146fm.pei.de/fmi/webd/#UAWDB

2.255 Todesfällen in einem Jahr (Stand des Berichts: 30.12.2021) stehen also 456 in 20 Jahren gegenüber. Dies gilt es, soweit möglich, in Relation zu der Zahl der verwendeten Impfdosen zu setzten.

Im Jahr 2019 wurden deutschlandweit nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt rund 39,7 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) an Impfstoffen verbraucht. Weitere Informationen (wohl auch zu den übrigen Jahren) befinden sich hinter einer Bezahlschranke.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/467046/umfrage/impfstoffverbrauch-in-deutschland/#statisticContainer

Auf der gerundeten Basis von 40 Mio. und unter der Annahme, dass dieser Wert dem der Vorjahre im Wesentlichen entspricht, ergeben für die 20 Jahre von 2000 bis 2020 ca. 800 Mio. Dosen. Die Todesfallrate betrug demnach 0,000057 %. Bei (gerundet) 149 Mio. Impfungen im Zeitraum vom 27.12.2020 bis 30.12.2021 (vgl. o.a. Bericht des PEI, S.4) und 2.255 Todesfällen ergibt sich eine Todesfallrate von 0,0015134 %. Das mag (ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer) für den einzelnen Impfkandidaten als individuell tragbares Risiko erscheinen. Allerdings beträgt der Anstieg der Todesfallraten von 0,000057 % auf 0,0015134 % nicht weniger als 2555,0877193 %. Anders ausgedrückt stellt dies einen Anstieg um das 26fache dar (0,0015134 : 0,000057 = 26,55087719298246).


Noch anders ausgedrückt kam damit bis Ende 2020 ein Verstorbener auf 1,7 Millionen geimpfte Personen. (800 Mio: : 456 = 1.754.385,964912281). Anders bei den Corona-Vakzinen: Hier kommt eine Todesfallmeldung auf ca. 66.000 verabreichte Dosen (149 Mio. Impfungen : 2.255 Todesfälle = 66.075,38802660754). Die Annahme, dass dieser exorbitante Anstieg der Verdachtsfälle lediglich zu höchstens (so PEI, s.o.) 85 durch die Impfung verursachten Todesfällen geführt hat, muss als äußerst unwahrscheinlich angesehen werden. Aber auch ungeachtet dessen kann angesichts der dargelegten Zahlenverhältnisse davon ausgegangen werden, dass die Impfungen eine – unbestimmte – Anzahl von Todesfällen verursacht haben und weiterhin verursachen werden.

Das mag rechtlich so lange unproblematisch sein, wie die Entscheidung des Einzelnen für eine Impfung freiwillig und nach entsprechender Aufklärung – auch über die o.a. Zahlenverhältnisse – erfolgt. Wird allerdings eine rechtlich verbindlich konstruierte und auch sanktionierte Verpflichtung zur Impfung ausgesprochen, ändert sich grundlegendes. Zum einen wird derjenige, der dieser Pflicht nicht nachkommt, außerhalb der Rechtsordnung gestellt und mit Sanktionen bedroht. Zum anderen würde der schon jetzt bestehende erhebliche psychische Druck wesentlich verschärft. Der Ungeimpfte würde vom unsolidarischen Sozialschädling zum Rechtsbrecher.

Würden die angedrohten Sanktionen derart ausgestaltet, dass durch das unbegrenzt wiederholbare verhängen erheblicher Bußgelder de facto eine Vernichtung der (nicht nur wirtschaftlichen) Existenz herbeigeführt würde, wäre eine ausweglose Situation geschaffen,die das BVerfG für den Pflegebereich noch ohne Begründung verneint hat.

Im Zusammenhang mit den dargelegten Risiken einer Impfung ergibt sich das Bild, dass alle Bewohner Deutschlands verpflichtet würden, sich einer Behandlung auszusetzen, bei der als sicher gelten muss, dass eine bestimmte – allerdings nicht quantifizierbare – Anzahl Betroffener durch die Impfung zu Tode kommt. Dieses Risiko würde jedem einzelnen auferlegt, um nicht etwa ihn selbst, sondern eine unbestimmte Zahl von Dritten zu schützen.

Schon die Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“, Drucksache 20/250 Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses vom 09.12.2021 (S. 49). dokumentiert, dass jedenfalls die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausschließlich dem Schutz Dritter dient.

Dort heißt es:

Seit Beginn der Pandemie sei es in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen immer wieder nach Eintragung des Virus zu Ausbrüchen mit teilweise hohen Todesfallzahlen gekommen. Dem Personal in den Gesundheitsberufen und den Menschen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen beruflich betreuten, komme daher eine besondere Verantwortung zu. Um eine Eintragung und Weiterverbreitung des Virus in den genannten Settings zu vermeiden, müsse insbesondere das dort tätige Personal vollständig geimpft sein, da die Impfung das Infektions- und das Übertragungsrisiko substanziell reduziere. Deshalb sei aus medizinisch-epidemiologischer Sicht eine sehr hohe Impfquote zum verlässlichen Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 besonders wichtig. Nur so könne das Risiko, dass sich die besonders vulnerablen Personengruppen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten oder einen (besonders) schweren Krankheitsverlauf erleiden würden, gesenkt werden. Allerdings bestünden beim Personal in den genannten Einrichtungen relevante Impflücken. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der vulnerablen Personengruppen vor einer COVID19-Erkrankung ist deshalb im Gesetzentwurf vorgesehen, dass Personen, die in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen arbeiteten, geimpft oder genesen sein müssten oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen COVID-19 besitzen müssten.“

Damit wird diese Impfpflicht ausschließlich mit dem Argument des Drittschutzes begründet und die Gründe für eine allgemeine Impfpflicht in der Öffentlichkeit werden in gleicher Weise, nämlich unter dem Stichwort „Solidarität“ propagiert, wie folgende Beispiele zeigen :


So erklärt das BMG unter dem Titel „Gemeinsam gegen Corona“:

Gemeinschaftsschutz: Warum Solidarität in der Coronavirus-Pandemie so wichtig ist

https://www.zusammengegencorona.de/impfen/aufklaerung-zum-impftermin/gemeinschaftsschutz-solidaritaet-in-der-coronavirus-pandemie/

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (beide SPD) haben zum Jahreswechsel die Bevölkerung zur Solidarität angesichts der Coronapandemie aufgerufen. Scholz forderte zudem insbesondere alle Ungeimpften nachdrücklich auf, die Impfung nun rasch nachzuholen.

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/130499/Scholz-und-Bas-rufen-zu-Solidaritaet-in-Coronakrise-auf

Es wird also in keiner Weise mehr behauptet, die Impfung diene primär dem Schutz des Geimpften. Dies wäre angesichts der bereits zierten Änderungen der Sprachregelungen des PEI auch nicht mehr haltbar.

Im Ergebnis bedeutet schon die Impfpflicht im Pflegebereich und würde erst recht eine allgemeine Pflicht dieser Art bedeuten, dass staatlicherseits entschieden wird, dass sich eine bestimmte Personengruppe – nämlich zunächst die Ungeimpften, später im Falle weiterer Impfkampagnen alle – einer Behandlung zu unterziehen haben, bei der feststeht, dass diese für einige zum Tode oder schwersten Erkrankungen und Behinderungen führen wird. Damit werden diese Folgen, die dann nicht mehr der Geimpfte, sondern der Staat zu verantworten hat, von den Verantwortlichen zumindest billigend in Kauf genommen. Damit läge bzw. liegt ein Verhalten vor, für das das Strafrecht den Begriff des bedingten Vorsatzes entwickelt hat.

Eine zwangsweise Impfung der Ungeimpften, in die sich auch Geimpfte durch Zeitablauf wirder zurückverwandeln können, würde der Staat zum Schutz derer unternehmen, die das staatlicherseits gewünschte Verhalten bereits gezeigt haben, der ursprünglichen Lesart zufolge nach erfolgter Impfung also keines Schutzes mehr bedurft hätten. Denn hier kann nicht mehr mit dem Schutz vulnerabler Gruppen argumentiert werden, denn diese sind ja angeblich bereits durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht geschützt. Man ist also davon abgerückt, die Impfung als Schutz der Geimpften anzusehen. Denn gäbe es diesen Schutz und wäre er effektiv, wäre es nicht erforderlich, Ungeimpfte zum Schutz der Geimpften zur Impfung zu zwingen. Diese Argumentation lässt sich also nur aufrecht erhalten, wenn man eine weitere Gruppe der zu schützenden schafft, nämlich die der Geimpften. Dann gäbe es zwei schutzbedürftige Gruppen, nämlich die bereits durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht geschützten besonders Vulnerablen und die Geimpften als vielleicht nicht ganz so sehr, aber doch auch Vulnerablen. Der Begriff vulnerabel für diese Gruppe ist durchaus sachgerecht. Denn wären sie nicht vulnerabel, also "verwundbar" oder "verletzlich", bedürften sie keines Schutzes. Diese Gruppe der Vulnerablen erlangt diesen Status allerdings – anders als die erste Gruppe der Vulnerablen - nicht wegen ihres Gesundheitszustandes, Alters, ihrer Tätigkeit oder sonst in ihrer Person liegenden Umstände. Ursache für ihre Schutzbedürftigkeit wäre nach dieser Logik allein die Tatsache, dass neben dieser Gruppe noch eine weitere existiert, nämlich die Ungeimpften. Diese Ungeimpften können wie gesagt aber nur dann eine Bedrohung sein, wenn die Impfung die Geimpften nicht vor den Ungeimpften schützt.

Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass auch Geimpfte andere, und zwar nicht nur Ungeimpfte infizieren können. Wie sagt doch das RKI so klar:

Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind.“

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html;jsessionid=8B4FE49A7EFADA2406E6BFB2D221D41D.internet101

Bewahrt aber die Impfung die Geimpften nicht davor, Viren auszuscheiden und infektiös zu sein, stellt sich die Frage nach dem – fiktiven – Zustand, der erreicht wäre, wenn wirklich die gesamte Bevölkerung vollständig geimpft (was auch immer das zu welchem Zeitpunkt auch immer gerade heißen mag) wäre. Da sich auch dann noch die Menschen gegenseitig infizieren könnten, aber alle (mit Ausnahme vielleicht der Vulnerablen im engeren Sinne) derselben Gruppe angehören, bestünde eine Situation, in der man die angenommen Bedrohung durch die Ungeimpften eliminiert hätte, eine Bedrohung aber nach wie vor – nämlich innerhalb der Gruppe - bestünde. Bestünde aber diese Bedrohung fort, müsste sich der Effekt der dann vollzogenen Durchimpfung der Bevölkerung daran messen lassen, in welchem Maße die Risiken vermindert wären.Das muss derzeit als zumindest unklar bezeichnet werden.

Bestätigt wird letzteres durch eine weiter Äußerung von Drosten, die der Impfung ebenfalls nur eine bestenfalls bedingte Schutzwirkung zumisst (S. 7 der Niederschrift des NDR Podcasts vom 01.02.2022):

„Das muss ich vielleicht auch noch mal sagen, auch wenn ich seit langen Monaten immer wieder sage, die ideale Immunisierung ist, dass man eine vollständige Impfimmunisierung hat mit drei Dosen und auf dem Boden dieser Immunisierung sich dann erstmalig und auch zweit- und drittmalig infiziert mit dem wirklichen Virus und dadurch eine Schleimhautimmunität entwickelt, ohne dabei schwere Verläufe in Kauf nehmen zu müssen.“ https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript360.pdf

Demnach wäre also eine vollständige Impfung nur die Vorstufe für eine echte(?) Immunisierung, die durch nicht nur eine,sondern mehrere Infektionen herbeigeführt würde. Das würde allerdings voraussetzen, dass die Dreifachimpfung so wenig Schutz bietet, dass man sodann noch mit Aussicht auf Erfolg auf eine dreimalige Infektion hoffen kann. Bevor die Angelegenheit hier völlig ins Satirische abgleitet, sei abschließend noch Elon Musk zitiert:

Trying to follow the science of the protected needing protection from the unprotected by forcing the unprotected to use the protection, that doesn`t protect the protected.“

Versuche der Wissenschaft zu folgen, wonach sich die Geschützten vor den Ungeschützten schützen müssen, indem sie die Ungeschützten zwingen den Schutz zu verwenden, welcher die Geschützten nicht schützt.“

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Die  am 07.04.2022 erfolgte Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht ab 60 (mit der Option einer Erweiterung auf alle ab 18) wird noch nicht thematisiert. Über die Beweggründe, die die Mehrheit der Abgeordneten zu ihrer Entscheidung geführt haben, können naturgemäß bestenfalls Vermutungen angestellt werden. Denkbar wären jedenfalls auch verfassungsrechtliche Erwägungen, wie sie auch in einigen Redebeiträgen anklangen. 

Eine weitere Rolle könnte die Tatsache gespielt haben, dass diese Problematik über einen längeren Zeitraum intensiv diskutiert wurde und nicht wie sonst üblich wenige Tage vor der Beschlussfassung ein alternativloser Entwurf ultimativ präsentiert wurde. Wird also kein unangemessener insbesondere zeitlicher Druck aufgebaut, erweisen sich demokratische Verfahren – allerdings nahezu erstmals in den vergangenen zwei Jahren – wieder als funktionsfähig.

Auch wenn der amtierende Bundeskanzler erklärt hat, eine erneute Befassung des BT mit dem Thema sei ausgeschlossen, hat ihm sein Gesundheitsminister quasi postwendend widersprochen. (vgl. https://www.berliner-zeitung.de/news/olaf-scholz-impfpflicht-kein-thema-mehr-li.221333)

Vergegenwärtigt man sich darüber hinaus die spektakulären Sinneswandel vieler Politiker und nicht zuletzt auch des BK in dieser Frage (vgl. nur z.B. https://www.focus.de/politik/deutschland/ein-kommentar-von-ulrich-reitz-impfpflicht-versprechen-gebrochen-politik-sollte-sich-nicht-bei-uns-entschuldigen_id_24477670.html)kann das Thema noch nicht als definitiv erledigt angesehen werden.

Ein möglicher Grund für ein Weiterverfolgen dieser Absicht lässt sich aus folgender Meldung ableiten:

ntv vom 09.04.2022:

„Deutschland hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 77 Millionen Dosen Corona-Impfstoff auf Lager. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte einen Bericht der "Welt am Sonntag", wonach zum Stichtag 4. April diese Anzahl an Dosen im zentralen Lager des Bundes vorrätig waren. Wie außerdem aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag hervorgeht, werden bis Ende Juni mehr als 10 Millionen Dosen ihr Verfallsdatum erreichen, im dritten Quartal sind es 50 Millionen.

Laut Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums wurden zuletzt nur noch einige Zehntausend Dosen pro Tag verabreicht. Im vergangenen Dezember waren es manchmal täglich mehr als eine Million Impfungen am Tag.“ https://www.n-tv.de/panorama/Millionen-gehortete-Corona-Impfdosen-verfallen-article23258807.html

Angesichts dieser Entwicklung ließe sich ein Verfall der Impfdosen nur durch eine allgemeine Impfpflicht verhindern.

Dazu passt eine Meldung der „SZ“ vom 12. April 2022, 18:40 Uhr:

Ministerpräsident Wüst plädiert weiter für Impfpflicht

"Meine Auffassung ist glasklar: Ich bin weiterhin für eine Impfpflicht. Wir müssen auf den dritten pandemischen Winter vorbereitet sein, ohne nachher wieder auf Lockdowns zurückgreifen zu müssen".

https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/gesundheit-duesseldorf-ministerpraesident-wuest-plaediert-weiter-fuer-impfpflicht-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220412-99-896704

Es ist also alles andere als vorbei.

Daher ist nach wie vor die Frage zu stellen,inwieweit eine solche Regelung insbesondere der gem. Art. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegten Verpflichtung genügt, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Die Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines Menschseins zusteht. Individualität, Identität sowie physische, psychische und moralische Integrität des Menschen sind immer und überall zu respektieren. Die Menschenwürde, die das Grundgesetz garantiert, besteht darin, dass jeder Mensch immer als selbstverantwortliche, autonome Persönlichkeit anerkannt und respektiert wird. (BVerfGE 109, 133 (171) st. Rspr. = NJW 2004, 739 (745). Er ist immer Subjekt als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft. (BVerfGE 144, 20, Rn. 541) Ein Mensch ist nie Mittel zum Zweck eines anderen, sondern immer Zweck an sich. Deshalb darf kein Mensch jemals zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden (BVerfGE 144, 20 (207) st. Rspr.)

 

„Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch den Staat selbst (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 107, 275 <284>; 109, 279 <312>).“ 

Hierzu drängt sich ein Zwischenruf außerhalb der Frage einer gesetzlichen Impfpflicht auf:

Lassen sich die hier bereits zitierten Kampagnen und gezielt gegen Ungeimpfte gerichtete Maßnahmen anders als Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnliche Handlungen durch Dritte oder durch den Staat beschreiben?

„Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <227 f.>), schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>); 45, 187 <228>; 96, 375 <399>). Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 87, 209 <228>; 96, 375 <399>), indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 109, 279 <312 f.>). Wann eine solche Behandlung vorliegt, ist im Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu konkretisieren, in der es zum Konfliktfall kommen kann (vgl. BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311>). bb).“ (S. 27)

Dies wird im Urteil des BVerfG vom 15. Februar 2006 - 1 BvR 357/05- konkretisiert.

Streitgegenstand dieser Entscheidung war das Luftsicherheitsgesetz, das es den Streitkräften erlaubte, durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Hinsichtlich der Besatzung und der Passagiere in dem Luftfahrzeug, die damit getötet würden, hat das Gericht festgestellt:

„Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt. Dies geschieht zudem unter Umständen, die nicht erwarten lassen, dass in dem Augenblick, in dem gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG über die Durchführung einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zu entscheiden ist, die tatsächliche Lage immer voll überblickt und richtig eingeschätzt werden kann. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Verhaltensabläufe eintreten, die den Einsatz der Maßnahme nicht mehr erforderlich sein lassen. (S. 28) …“

Am 10.02.2022 hat das BVerfG - 1 BvR 2649/21 – den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Es führt darin immerhin u.a. aus:

Kommen Betroffene der ihnen in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG auferlegten Nachweispflicht nach und willigen in eine Impfung ein, löst dies körperliche Reaktionen aus und kann ihr körperliches Wohlbefinden jedenfalls vorübergehend beeinträchtigen. Im Einzelfall können auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können.“ 

 

Wie extrem die darin genannten Ausnahmefälle nach Ansicht des BVerfG auch immer sein mögen, jedenfalls wird damit unbestreitbar festgestellt,dass die Impfungen im Einzelfall zum Tode führen könnenAngesichts dessen steht diese Entscheidung nicht im Einklang mit derjenigen vom 15. Februar 2006. Zu der Problematik der Untererfassung auch tödlicher Impffolgen wurde hier bereits ausgeführt.

Damit lassen sich die im Fall des Luftsicherheitsgesetzes entwickelten Grundsätze für den Bereich der erzwungenen Verabreichung eines immer noch nicht regulär zugelassenen Impfstoffs wie folgt übertragen:

Durch die mit bedingtem Vorsatz herbeigeführte Tötung einer unbestimmten Zahl von Menschen als Mittel zur bestenfalls vermuteten Rettung anderer werden die Betroffenen verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird. Ihnen wird als durch die Impfung potentiell mit dem Tod bedrohten Opfern der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt. Dies geschieht zudem unter Umständen, die nicht erwarten lassen, dass in dem Augenblick, in dem über die Durchführung einer konkreten Impfung oder die Einführung einer entsprechenden Duldungspflicht zu entscheiden ist, die tatsächliche (Infektions- und Gefährdungs-) Lage immer voll überblickt und richtig eingeschätzt werden kann. Dass eine solche richtige Lageeinschätzung im Bereich der Impfung nicht möglich ist, wurde bereits dargelegt. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Erkenntnisse auftreten, die die Maßnahme nicht mehr erforderlich sein lassen. Derzeit existieren lediglich nicht fundierte Annahmen über eine vielleicht mögliche neue Variante oder Welle welcher Art auch immer im Herbst. 

Weitgehend unbeachtet geblieben sind die von offizieller Seite eingeräumten Erkenntnisse, die der Präsident des RKI in der PK am 80.04.2022 verbreitet hat. Er hat vorgetragen, 

1. dass die Rate er Atemwegsinfektionen im Bereich der Werte der vorpandemischen Jahre liegt (youtube ab Min. 20:00) und

2. dass die Impfungen nicht immer vor Infektionen schützen, allerdings wird nach wie vor ein Schutz vor schweren Verläufen und Tod behauptet. Nicht behauptet wurde allerdings ein Schutz Dritter, seien sie nun geimpft oder nicht. (ab Min. 22:30)  Genau das aber wurde stets als wesentliches Kriterium für die Einführung der Impfpflicht vorgebracht.

Vor diesem Hintergrund kann fraglos Erkenntnissen gesprochen werden, die eine Impfpflicht als nicht erforderlich einstufen.

Weiter führt das BVerfG aus:

„Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die Annahme, wer an Bord eines Luftfahrzeugs in der Gewalt von Personen festgehalten werde, die das Luftfahrzeug im Sinne des § 14 Abs. 3 LuftSiG als Tatwaffe gegen das Leben anderer Menschen einsetzen wollen, sei selbst Teil dieser Waffe und müsse sich als solcher behandeln lassen. Diese Auffassung bringt geradezu unverhohlen zum Ausdruck, dass die Opfer eines solchen Vorgangs nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Teil einer Sache gesehen und damit selbst verdinglicht werden. Mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und der Vorstellung vom Menschen als einem Wesen, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>), und das deshalb nicht zum reinen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, lässt sich dies nicht vereinbaren.“ (S.31) 

„Die Wahl kann aber immer nur auf solche Mittel fallen, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht. Daran fehlt es im Fall des § 14 Abs. 3 LuftSiG. Die Anordnung und Durchführung der unmittelbaren Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt nach dieser Vorschrift lässt außer Betracht, dass auch die in dem Luftfahrzeug festgehaltenen Opfer eines Angriffs Anspruch auf den staatlichen Schutz ihres Lebens haben. Nicht nur, dass ihnen dieser Schutz seitens des Staates verwehrt wird, der Staat greift vielmehr selbst in das Leben dieser Schutzlosen ein. Damit missachtet jedes Vorgehen nach § 14 Abs. 3 LuftSiG, wie ausgeführt, die Subjektstellung dieser Menschen in einer mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise und das daraus für den Staat sich ergebende Tötungsverbot. Daran ändert es nichts, dass dieses Vorgehen dazu dienen soll, das Leben anderer Menschen zu schützen und zu erhalten.“ (S. 36)

Im Gegensatz zu der dem Urteil zu Grunde liegenden Luftlage werden hier die Betroffenen (also hier die Ungeimpften) nicht nur als Teil einer Waffe qualifiziert; vielmehr werden sie selbst als Waffe betrachtet, die es unschädlich zu machen gilt.

Demnach muss auch für die Frage der Impfpflicht gelten, dass nicht nur die anderen, also paradoxerweise die schon Geimpften, vor einer – allerdings zumindest unbestimmten und daher sehr fraglichen – Gefahr zu schützen wären, sondern dass auch die zu Impfenden Anspruch auf den staatlichen Schutz ihres Lebens haben. Diesen würde nicht nur dieser Schutz seitens des Staates verwehrt wird, der Staat greift vielmehr selbst in deren Leben ein. 

Damit schließt sich der Kreis. In dem seinerzeitigen Fall war es unter Achtung der Menschenwürde inaktzeptabel, den Tod von Menschen herbeizuführen, um eine Todesgefahr für eine unbestimmte Anzahl anderer abzuwehren. Der einzige Unterschied zur Situation der Impfpflicht besteht darin, dass beim Abschuss eines Flugzeugs die Zahl der damit herbeigeführten Todesopfer in der Regel bekannt sein dürfte, während diese Zahl bei der Impfung nicht feststeht. Angesichts dedann millionenfach erzwungenen Impfungen muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Insassen eines noch so großen Passagierflugzeugs jedenfalls deutlich überschritten würde.

Geradezu verwerflich wird das Ganze bei Betrachtung des Menschenbildes, das - nicht nur - der Idee einer Impfpflicht zu Grunde liegt. Insbesondere durch das generelle staatliche Verhalten während des gesamten Verlaufs der „Pandemie“ wurde und wird der Mensch als solcher nicht mehr als Individuum aufgefasst, sondern unterschiedslos und ohne konkreten Anlass zunächst als eine nicht einmal mehr nur potentielle, sondern als reale Gefahrenquelle für seine Mitmenschen klassifiziert, richtigerweise müsste man sagen: er wurde darauf reduziert. Erst diese Betrachtungsweise machte und machtes möglich, jedermann zuzumuten, sich schwerwiegendsten Grundrechtseinschränkungen zu unterwerfen und sich – derzeit auf bestimmte Berufe beschränkt - zwangsweise einer unmittelbaren Todesgefahr auszusetzen und dies nicht einmal als Zumutung zu empfinden. Der Mensch wird damit nicht mehr im Sinne des BVerfG als Inhaber einer unveräußerlichen Subjektqualität, als autonomes Rechtssubjekt angesehen. Vielmehr wird er zum Teil einer Verfügungsmasse degradiert, mit der man letztlich beliebig manövrieren kann.

 

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