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Kein Abschleppen eines nicht zugelassenen PKW im "Sofortvollzug" bei fehlender Behinderung => keine Kostenerstattung für Abschleppkosten

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.05.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1852 Aufrufe

Auch das Verkehrsverwaltungsrecht bietet immer wieder interessante Fälle. Hier wehrte sich die Klägerin gegen eine Abschleppmaßnahme im Sofortvollzug gegen einen nicht weiter behindernd abgestellten nicht zugelassenen PKW. Mit Erfolg:

 

Der Bescheid des Ordnungsamtes Bremen vom 16.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Senators für Inneres vom 16.12.2021 wird aufgehoben.

 Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

 Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 Tatbestand: 

 Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid aus Anlass einer Abschleppmaßnahme mit anschließender Verwertung ihres Fahrzeugs.

 Die Klägerin war Halterin des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … Dieses Fahrzeug parkte am 03.07.2018 in der Straße vor den Hausnummern in Bremen. Ausweislich eines Tätigkeitsberichtes des Ordnungsamtes Bremen wurde das Fahrzeug am 03.07.2018 um 12.40 Uhr abgeschleppt und auf einen Verwahrplatz gebracht. Im Tätigkeitsbericht wurde festgehalten, dass das Fahrzeug kein amtliches Kennzeichen führte. Das Kennzeichen sei jedoch u.a. auf der Umweltplakette deutlich lesbar. Eine Halterabfrage vor Ort oder ein anderweitiger Versuch der Kontaktaufnahme ist nicht dokumentiert. Am 31.07.2018 stellte das Abschleppunternehmen dem Ordnungsamt eine Rechnung in Höhe von 275,00 für das Abschleppen einschließlich der Verwahrkosten für Juli 2018.

 Mit Bescheid vom 09.08.2018 bescheinigte das Ordnungsamt der Klägerin, dass ihr Fahrzeug am 03.07.2018 sichergestellt worden sei. Es wurde angeordnet, dass das Fahrzeug nach Ablauf von vier Wochen nach erfolgter Sicherstellung verwertet bzw. vernichtet werde. Zur Begründung führte das Ordnungsamt aus, dass das Fahrzeug nicht mehr zugelassen sei. Die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen stelle daher eine Sondernutzung im Sinne des § 18 BremLStrG dar, für welche die Klägerin keine Erlaubnis besitze. Von dem ordnungswidrig abgestellten Fahrzeug sei eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen. Eine Sondernutzung ohne Erlaubnis stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Ein nicht zugelassenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenraum erhöhe die Gefahr für Nachahmer, für illegale Müllentsorgung sowie Vandalismus. Zudem könne nicht ausgeschlossen sein, dass Betriebsstoffe oder andere umweltschädliche Substanzen aus dem Fahrzeug austräten, falls die fehlende Zulassung auf einer fehlenden Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs beruhte. Die Sicherstellung sei verhältnismäßig.

 Insbesondere sei eine vorherige Kontaktaufnahme nicht erforderlich gewesen, da nicht zu erwarten gewesen sei, dass eine alsbaldige Beseitigung des rechtswidrigen, aber nicht verkehrsbehindernden, Zustandes erfolgen werde. Dies sei vor allem darin begründet, dass das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum nicht bewegt werden dürfe und daher davon auszugehen sei, dass die Zulassung oder eine anderweitige Abhilfe nicht zeitnah erfolgen könne. Die Verwahrung sei aus demselben Grunde erforderlich, da ein nicht zugelassenes Fahrzeug nicht selbst im öffentlichen Verkehrsraum bewegt werden dürfe.

 Ein „Umsetzen“ des Fahrzeugs sei deshalb nicht möglich gewesen.

 Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 07.09.2018 Widerspruch. Dazu führte sie im Wesentlichen aus, das Fahrzeug, das sie am 28.12.2017 abgemeldet hätte, sei nicht verkehrsbehindernd abgestellt worden. Ihr sei nicht klar, weshalb die Behörde nicht zunächst mit sogenannten „roten Aufklebern“ auf eine drohende Abschleppmaßnahme hingewiesen hätte. Die Vier-Wochen-Frist zur Abholung des Fahrzeugs sei bei Zustellung des Bescheids schon verstrichen gewesen.

 Mit Schreiben vom 26.10.2018 bat das Ordnungsamt die Klägerin um Mitteilung, ob sie das Fahrzeug abholen lasse. Laut Wertermittlung habe das Fahrzeug keinen Wert mehr und werde ansonsten zur Verschrottung freigegeben. Mit Schreiben vom 13.11.2018 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 auf.

 Mit Schreiben vom selben Tag bat das Ordnungsamt die Klägerin erneut um Mitteilung, ob sie das Fahrzeug abholen lasse und setzte eine Frist bis zum 26.11.2018. Da sich die Klägerin daraufhin nicht meldete, erteilte das Ordnungsamt am 26.11.2018 den Auftrag zur Verschrottung, die am 16.01.2019 stattfand.

 Mit Bescheid vom 16.01.2019 setzte das Ordnungsamt die Kosten für das Abschleppen, die Verwahrung und die Verschrottung des Fahrzeugs zuzüglich einer Verwaltungsgebühr auf insgesamt 794,00 Euro fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25.02.2019 Widerspruch. Unter dem 12.05.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es habe bislang in der Sache noch keine Anhörung stattgefunden, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.06.2021.

 Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2021 reduzierte der Senator für Inneres die Forderung für die Verwahrkosten/Standgebühr um 160,00 Euro (je 80 Euro für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019) und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Nach Erlass des Bescheids habe die Klägerin mehrfach versucht, beim Ordnungsamt in Erfahrung zu bringen, in welcher Form der Widerspruch eingereicht werden müsse, woraus sich ableiten lasse, dass die Klägerin mit der Kostenentscheidung nicht einverstanden sei. Der Widerspruch sei daher vom Ordnungsamt trotz Verfristung als zulässig angenommen worden. Der Kostenfestsetzungsbescheid sei ansonsten rechtmäßig, weil auch die zugrundeliegende Sicherstellung und Verwertung rechtmäßig gewesen seien; zur Begründung vertieft die Beklagte die Begründung des Bescheids vom 09.08.2018. Die Gebührenentscheidung beruhe auf §§ 4, 5 Absatz 1 BremGebBeitrG in Verbindung mit § 1 AIIKostV in Verbindung mit Nummer 103.00 der Anlage zu § 1 AIIKostV sowie § 1 InKostV in Verbindung mit Nummer 120.40 der Anlage zu § 1 InKostV, wonach die Klägerin die Kosten nach den §§ 15 und 19 BremVwVG zu erstatten habe.

 Die Klägerin hat am 15.01.2022 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie sei von der Behörde vorher nicht mit Fristsetzung aufgefordert worden, das Fahrzeug zu entfernen. Auch ein Bußgeld habe sie nicht erhalten. In dem Bescheid vom 16.08.2018 sei angeordnet worden, dass das Fahrzeug nach Ablauf von vier Wochen nach der am 03.07.2018 erfolgten Sicherstellung verwertet bzw. vernichtet werde. Sie habe daher keine Möglichkeit mehr zum Handeln gesehen, da der Bescheid erst nach Ablauf dieser Frist zugegangen sei. Das Modell ihres Fahrzeugs habe im Jahr 2018 noch einen Wert von 2.700 Euro gehabt; im Falle ihres konkreten Fahrzeugs seien es sogar 5.000-6.000 Euro gewesen. Weiterhin hätte sie das Fahrzeug in Zahlung geben können; in der Werbung seien 6.000 Euro Neukaufprämie bei Abgabe des alten Autos geboten worden. Im Übrigen hätte das Auto nicht sichergestellt werden müssen. Lediglich die Batterie sei schwach und die Reifen seien nicht aufgepumpt gewesen. Das Abschleppunternehmen habe keine Schäden eingetragen. Es sei somit keine Gefahr von dem Fahrzeug ausgegangen.

 Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich,

 die Rechtswidrigkeit festzustellen.

 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 die Klage abzuweisen.

 Sie nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, es handele sich um eine Ersatzvornahme, nicht um eine Sicherstellung. Die Gebührenforderungen seien insofern richtig begründet gewesen. Die unterbliebene Dokumentation eines Versuchs der Kontaktaufnahme sei dem Umstand geschuldet, dass der „Abschlepperlass“, der dies vorsehe, erst wenige Wochen vor dem streitgegenständlichen Vorfall bekannt gemacht worden sei. Eine unterbliebene Halterabfrage sei jedoch unschädlich.

 In Bezug auf das Fahrzeug trägt sie vor, dieses sei in einem besorgniserregenden Allgemeinzustand gewesen, weshalb zu befürchten gewesen sei, dass durch Rost und Verfall Flüssigkeiten hätten austreten können. Es sei offenbar bereits seit 2008 in nicht fahrbereitem Zustand geparkt gewesen. Da das Fahrzeug nahezu wertlos gewesen sei, habe zur Vermeidung von weiteren Kosten die Verschrottung erfolgen müssen. Es werde bestritten, dass das Fahrzeug noch einen Wert von bis zu 5.000 Euro gehabt habe. Es sei zwar zutreffend, dass Fahrzeuge dieser Baureihe mit Verkaufspreisen von 1.500 bis 3.000 Euro angeboten werden, dabei handele es sich jedoch um hervorragend gepflegte und nahe Neuzustand befindliche Fahrzeuge. Das Fahrzeug der Klägerin habe hingegen nur noch Schrottwert gehabt. Die gesamte Karosserie und der Unterboden seien teilweise verrostet und die Reifen kaputt gewesen. Das Fahrzeug sei mit Moos bewachsen gewesen, der Spiegel abgebrochen und die Fahrertür mit einem Riss versehen gewesen.

 Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 23.01.2023 und vom 27.01.2023 zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

 Entscheidungsgründe: 

 I. Das Klagebegehren ist nach verständiger Würdigung gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbescheids vom 16.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2021 begehrt, da sie der Ansicht ist, dass dieser rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletzt.

 Soweit die Klägerin in einem Postskriptum zum Schriftsatz vom 16.12.2022 darum bittet, den Schadensersatz festzustellen, der von der Beklagten zu zahlen sei, so versteht die Kammer dies sachdienlich nicht als Klagantrag; für eine solche Klage wäre das Verwaltungsgericht nicht zuständig.

 II. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 16.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit die letzte Behördenentscheidung, mithin der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2021.

 1. Die Festsetzung der Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs ist rechtswidrig.

 a. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Abschleppkosten ist §§ 19 Abs. 3, 11 Abs. 2, 15 BremVwVG i.V.m. §§ 100, 10 Abs. 1 Satz 1 BremPolG in der zwischen dem 01.09.2021 und dem 31.12.2021 gültigen Fassung. Wird danach eine Handlung auf Kosten der pflichtigen Person im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt, so setzt die Vollzugsbehörde die ihr daraus entstandenen notwendigen besonderen Aufwendungen (Kosten) gegenüber der pflichtigen Person fest.

 Bei der zugrundeliegenden Abschleppmaßnahme handelte es sich um eine Ersatzvornahme nach § 15 BremVwVG, nicht um eine Sicherstellung nach § 26 Nr. 2 BremPolG. Von einer Sicherstellung kann nur dann gesprochen werden, wenn es der Behörde vom Zweck der Maßnahme gerade darauf ankommt, die Sache anschließend in Verwahrung zu haben und andere von jeder Einwirkungsmöglichkeit auszuschließen; sie ist ihrem Wesen nach darauf gerichtet, den Gewahrsam des bisherigen Gewahrsamsinhabers zu beenden und neuen Gewahrsam zu begründen (vgl. etwa ausführlich HmbOVG, Urt. v. 19.08.1993 – Bf VII 3/93 –, juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen handelt es sich beim Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge entsprechend um eine Ersatzvornahme (vgl. etwa Urt. v. 15.04.2014 – 1 A 104/12 –, juris). Anders liegt auch der hiesige Fall eines nicht zugelassenen Fahrzeugs nicht. Die Beklagte hat selbst im Klageverfahren angegeben, es sei ihr vorrangig um die Freimachung des Parkplatzes, nicht um die Erlangung der Sachherrschaft gegangen; dies deckt sich im Übrigen auch mit der rechtlichen Wertung des „Erlasses für das Abschleppen und Verwahren von Kraftfahrzeugen durch die Polizei Bremen und die Verkehrsüberwachung des Ordnungsamtes Bremen“ vom Senator für Inneres vom 31.03.2021, welcher in Ziffer 3.1 Abs. 3 das Abschleppen von nicht zugelassenen Fahrzeugen als Ersatzvornahme qualifiziert.

 b. Der angefochtene Kostenbescheid ist zunächst formell rechtswidrig erlassen worden. Die nach § 28 Abs. 1 BremVwVfG erforderliche Anhörung wurde mit dem Anhörungsschreiben vom 12.05.2021 jedoch nachgeholt und dadurch geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 BremVwVfG).

 c. Der Kostenbescheid ist hinsichtlich der Abschleppkosten materiell rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit der Kostenfestsetzung setzt die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme voraus, welche vorliegend nicht gegeben ist. Die Beklagte durfte jedenfalls nicht im Wege des Sofortvollzugs gegen die Klägerin vorgehen.

 Die Vollstreckung im Sofortvollzug kann in den Fällen des §§ 1, 40 BremPolG i.V. m. § 11 Abs. 2 Satz 1 BremVwVG erfolgen. Demnach kann Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr geboten erscheint und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.

 Beide Tatbestandsalternativen sind zunächst erfüllt. Das Parken der Klägerin stellte einen Verstoß gegen das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 1 BremLStrG und mithin eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 1 BremLStrG).

 Erfüllt ist auch die zweite Tatbestandsalternative des § 11 Abs. 2 Satz 1 BremVwVG. Der Verstoß gegen die Vorschriften des Landestraßengesetzes stellt gleichzeitig eine Störung der öffentlichen Sicherheit mit fortwirkender Gefahr dar. Diese bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit geht über das gesetzliche Erfordernis der drohenden Gefahr hinaus. Einer zusätzlichen konkreten Gefährdung oder Behinderung der übrigen Verkehrsteilnehmer durch das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug bedarf es auf dieser Ebene nicht (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 15.04.2014 – 1 A 104/12 –, juris Rn. 26).

 Das Vorgehen gegen das ordnungswidrig abgestellte Fahrzeug im Sofortvollzug war vorliegend jedoch nicht geboten. Zu prüfen ist hierbei, ob ein sofortiges Tätigwerden im Wege der Ersatzvornahme notwendig war oder ob ein Vorgehen im gestreckten Verwaltungsverfahren möglich gewesen wäre (OVG Bremen, Beschluss vom 15.08.2017 – 1 B 65/17 –, juris Rn 12). Letzteres ist vorliegend der Fall.

 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Bremen ist hinlänglich geklärt, dass im Falle von behindernd abgestellten Fahrzeugen ein Sofortvollzug grundsätzlich geboten und im Regelfall verhältnismäßig ist (vgl. nur OVG Bremen, Beschluss vom 24.06.2020 – 1 LA 90/20 –, juris Rn. 14). Insbesondere muss nicht eine Halterabfrage durchgeführt werden, die mit ungewissen Erfolgsaussichten und nicht abzusehenden weitere Verzögerungen einhergeht. In den Blick zu nehmen sind jedoch auch immer die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. ebd sowie OVG Bremen, Urt. v. 15.04.2014 – 1 A 104/12 –, juris Rn. 28). Der hiesige Fall betrifft gerade nicht ein unter Verstoß gegen ein ortsspezifisches Parkverbot abgestelltes Fahrzeug, sondern ein Fahrzeug, dass (nur) aufgrund seiner fehlenden Fahrtauglichkeit ordnungswidrig abgestellt ist. Es lag keine konkrete Behinderung des fließenden oder ruhenden Verkehrs vor, wie das Ordnungsamt im Bescheid vom 09.08.2018 selbst festgestellt hat. Auch handelte es sich nicht um eine zentrale Innenstadtlage mit hohem Parkdruck (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.07.1983 – 7 B 182/82 –, juris Rn. 5). Bei der in Rede stehenden Straße handelt es sich um eine Straße, in der lediglich Wohnbebauung vorzufinden ist. Die Parkplätze dienen den Anliegern und deren Besuchern. Die Parkzeit ist in der Straße nicht beschränkt. Im Übrigen ist auf den Lichtbildern in der Akte kein weiteres Fahrzeug auf den benachbarten Parkplätzen zu sehen, sodass zumindest auch zum Zeitpunkt der konkreten Abschleppmaßnahme kein hoher Parkdruck herrschte.

 Vor diesem Hintergrund wäre es geboten gewesen, dass die Behörde die Halterin des Fahrzeugs ermittelt und gegen diese eine Beseitigungsverfügung erlässt. Diese hätte mit kurzen Fristen und einer Androhung des Sofortvollzugs ergehen können. Dies deckt sich auch mit dem „Erlass für das Abschleppen und Verwahren von Kraftfahrzeugen durch die Polizei Bremen und die Verkehrsüberwachung des Ordnungsamtes Bremen“ vom Senator für Inneres vom 31.03.2021. Darin heißt es speziell für den Fall des Abschleppens nicht zugelassener Kraftfahrzeuge unter Ziffer 3.1., dass wenn eine Person ohne einen über die einfache Halterfeststellung hinausgehenden Ermittlungsaufwand nicht ausfindig zu machen ist, das Fahrzeug im Wege der Ersatzvornahme unverzüglich aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen ist. Inhaltgleich war dies auch schon im Abschlepperlass vom 12.06.2018 unter Ziffer 3 geregelt.

 Dass aufgrund des Zustandes des Fahrzeugs allein die Annahme getroffen werden kann, die Klägerin würde den rechtswidrigen Zustand nicht zeitnah beseitigen, wie vom Ordnungsamt vorgetragen, bewegt sich im Rahmen der Spekulation. Es kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass jeder Halter, der sein abgemeldetes Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum stehen lässt, auf eine etwaige Ordnungsverfügung nicht reagieren wird. Zumindest hätte die Klägerin dann die Möglichkeit gehabt, das Fahrzeug selbst abschleppen zu lassen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2014 – 14 K 6956/13; OVG NRW, Beschluss vom 24.11.2017 – 5 A 1467/16 –, juris Rn. 7 ff.; im Ergebnis für eine als Sicherstellung qualifizierte Maßnahme auch VG Lüneburg, Urt. v. 06.05.2022 – 5 A 358/19 –, juris). Auch generalpräventive Zwecke rechtfertigen hier die eingeleitete Abschleppmaßnahme nicht. Die pauschalen Aussagen der Behörde, dass bei abgemeldeten Fahrzeugen die Gefahr des Vandalismus und der illegalen Müllentsorgung steige, rechtfertigt nicht zwangsläufig ein sofortiges Abschleppen.

 2. Die Verwahrkosten in Höhe von 80 Euro pro Monat für die Monate Juli bis November sind ebenfalls nicht von der Klägerin zu erstatten.

 Es kann dahinstehen, ob für die Erstattung der Verwahrkosten eines PKW die Kostenerstattungsnorm des § 100 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG i.V.m. § 24 Abs. 3 BremPolG einschlägig ist. Diese Norm umfasst die Kosten der Sicherstellung und Verwertung, jedoch nicht ausdrücklich die Kosten der Verwahrung (anders als entsprechende Vorschriften anderer Bundesländer, vgl. etwa § 46 Abs. 3 PolG NRW). Denkbar wäre ebenfalls, dass die Verwahrungskosten zu den „aus einer Ersatzvornahme entstehenden“ notwendigen besonderen Aufwendungen im Sinne des § 19 Abs. 3 BremVwVG gehören oder dass die Verwahrkosten von Ziffer 120 der Anlage zu § 1 InKostV umfasst sind.

 Die Erstattung von Kosten für die Verwahrung setzt in jedem Falle die rechtmäßige Besitzentziehung voraus (vgl. etwa VG Trier, Urt. v. 27.07.2022 – 8 K 728/22 –, juris Rn. 21; VG Köln, Urt. v. 19.11.2009 – 20 K 1143/09 –, juris Rn. 18; angedeutet auch OVG NRW, Urt. v. 09.06.2016 – 11 A 2560/13 –, juris Rn. 59). Die der Verwahrung vorausgehende Ersatzvornahme war indes – wie ausgeführt – rechtswidrig.

 3. Da die Kosten der Ersatzvornahme der Klägerin nicht auferlegt werden durften, besteht auch für die hierfür festgesetzte Gebühr von 163 Euro keine Grundlage. Da für die Verschrottung des Fahrzeugs keine Aufwendungen geltend gemacht wurden, sondern lediglich der „Zuschlag“ zu dem Gebührentatbestand der Ersatzvornahme (Ziffer 102.04 der Anlage zu § 1 AllKostV), war mangels „zuschlagfähiger“, rechtmäßiger Ersatzvornahme auch hierfür kein Raum.

 4. Da der Kostenbescheid mithin insgesamt rechtswidrig war, besteht schließlich auch für die Gebühr des Widerspruchsbescheids als solchen keine Grundlage.

VG Bremen Urt. v. 2.3.2023 – 5 K 144/22, BeckRS 2023, 6225

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