Was bedeuten ChatGPT & Co. für den Berufsstand der Steuerberater?

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 21.08.2023
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Prof. Dr. Schwab, Präsident der BStBK

Im Editorial der aktuellen DStR 33/2023 setzt sich Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, mit den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz wie z.B. ChatGPT auf den steuerberatenden Berufsstand auseinander. Lesen Sie hier das Editorial im vollen Wortlaut:

Seit Monaten ist das auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Sprachmodell ChatGPT in aller Munde und in unserem Berufsstand überschlagen sich die Diskussionen. Von vielen von uns zunächst als wenig bedeutend für den Berufsstand der Steuerberater zur Kenntnis genommen, hat sich dies spätestens mit ChatGPT 4.0 verändert. Viele gingen davon aus, dass ChatGPT allenfalls für einfache Schreibarbeiten und Textzusammenfassungen im redaktionellen Bereich eingesetzt wird. Doch ChatGPT 4.0 belehrt diese Stimmen eines Besseren. Es löst die Aufgaben einer Steuerfachangestelltenprüfung in Windeseile und besteht sie, wenn auch knapp.

Was bedeutet KI also für unseren Berufsstand? Ein Thema, das auch in den Gremien der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) intensiv diskutiert wird. Eines vorab: Es geht nicht darum, ob uns die KI eines Tages überflüssig macht. Wer sich diese Frage stellt, hat keine Ahnung von Steuerberatung. Es geht vielmehr um die Frage: Wie soll oder muss der Berufsstand mit KI-Werkzeugen arbeiten? Welche Regulierung muss es geben? Oder sollte eher Sensibilisierung und Aufklärung erfolgen? Ein jeder von uns muss sich bewusst sein, dass der Einsatz von KI-gestützten Programmen sowohl Chancen als auch Risiken birgt, die sorgfältig miteinander abgewogen werden müssen. Klar ist auch, dass beim Einsatz von Programmen wie ChatGPT die drei Berufsgrundsätze Eigenverantwortlichkeit, Unabhängigkeit und Gewissenhaftigkeit genauso beachtet werden müssen, wie bei jeder anderen steuerberatenden Tätigkeit.

Somit ist klar, dass ChatGPT & Co. weder Steuerberaterinnen und Steuerberater noch ihre Teams ersetzen werden. Die Kreativität menschlichen Denkens, das Prüfen der inhaltlichen Richtigkeit sowie der Fakten-Check des Outputs KI-gestützter Programme bleiben weiterhin Menschen vorbehalten. Es wird eine Verschiebung weg vom Fleißanteil der täglichen Arbeit hin zum Wissensanteil erfolgen. Der Nutzen solcher Programme liegt daher hauptsächlich in der Delegation der Fleißarbeiten wie Schreibtätigkeiten, Textgenerierungen, Textzusammenfassungen und weiteren Vereinfachungen, was jetzt schon möglich ist. KI kann dies schneller und effizienter. Die Bearbeitungszeit dieser Tätigkeiten wird sich bei Einsatz von KI deutlich reduzieren. In Zeiten von Fachkräftemangel kann das Potenzial von Steuerberaterinnen und Steuerberatern und ihren Teams besser genutzt und der Output jedes Einzelnen gesteigert werden.

Bei all den Chancen muss der Berufsstand – ohne dass es zu einer Hemmung der Nutzung führt – auch die Risiken kennen und alle Beteiligten entsprechend sensibilisieren.

So greift eine KI-gestützte Anwendung immer nur auf das Wissen zurück, mit dem sie trainiert wurde. Sie kann keine neuen Ansätze generieren. Man kann sich weder auf die Richtigkeit der Ergebnisse zB von ChatGPT verlassen noch werden Quellen angegeben, so dass immer eine Prüfung und Freigabe durch einen Menschen erfolgen muss. Bei der Verwendung von ChatGPT müssen Datenschutz und Verschwiegenheitsverpflichtungen eingehalten werden. Wer zB ChatGPT nutzt, muss sich im Klaren sein, dass dort eingegebene Daten für Trainingszwecke der KI direkt in die USA gesendet werden. Auch scheitert ChatGPT noch an komplexeren steuerlichen Sachverhalten, da es aktuell an einer Kombination von generativen Sprachmodellen wie ChatGPT mit steuerlicher Fachliteratur, Rechtsprechung und Gesetzen fehlt.

Die aufgezeigten Risiken sollten jedoch keinesfalls dazu führen, sich diesem Thema zu verschließen. Das können wir uns nicht leisten. Gerade im internationalen Vergleich müssen wir aufpassen und auf der Höhe der Zeit bleiben.

Erforderlich sind daher datenschutzkonforme Lösungen, so dass auch personenbezogene Daten mit allen Sicherheitsaspekten verwendet werden können und KI-Lösungen, die das Fachwissen der Fachverlage sowie Rechtsprechung und Gesetze einbeziehen. Es bleibt abzuwarten, welche Geschäftsmodelle sich hieraus noch entwickeln werden.

Da sich die Kernaufgaben unseres Berufsstandes verändern werden, müssen auch die Aus-, Weiter- und Fortbildungen angepasst werden. Ausbildungs- und Prüfungsordnungen müssen dynamischer werden, um mit den schnellen Entwicklungen mithalten zu können. Es muss eine Transformation stattfinden, weg von der schlichten Abfrage repetitiven Wissens hin zu mehr Wissenskombination und kreativer Wissensverknüpfung.

Die Chancen der KI können trotz der vorhandenen Risiken genutzt werden. Voraussetzung ist, dass dies unter Berücksichtigung der Berufsgrundsätze Eigenverantwortlichkeit, Unabhängigkeit und Gewissenhaftigkeit erfolgt und die Prüfung und Freigabe durch Berufsträgerinnen und Berufsträger vorgenommen wird.

Wir müssen alle gegenüber den kommenden Entwicklungen offenbleiben. Die Umsetzungsgeschwindigkeit in den letzten Monaten war enorm und wird es bleiben. Chancen- und gleichzeitig Risikobewusstsein sowie Mut, neue Wege zugehen, sind hier gefragt.

Der weiterführende Artikel „Riders on the Storm“ von Groß/Freyenfeld/Gradl in DStR 2023, 1853 nimmt die Thematik vertieft auf. Die BStBK wird das Thema weiter intensiv begleiten.

StB/FB f. IStR Prof. Dr. Hartmut Schwab, 
Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Berlin

Zum Beitrag von Groß/Freyenfeld/Gradl, DStR 2023, 1853 (€): https://ch.beck.de/cit8

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