Fahrerlaubnis auf Probe: Aufbauseminar muss man machen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.09.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1005 Aufrufe

Der Kläger hatte ein Aufbauseminar zu machen. Wollte er nicht - er sei ja nicht Fahrer gewesen. So kam es zur Fahrerlaubnisentziehung. "Gut so", meinte das OVG richtigerweise:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg – 7. Kammer (Einzelrichter) – vom 8. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

 Der Kläger trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 Gründe:

 I.

 Der 1993 geborene Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass ihm die Vorinstanz Prozesskostenhilfe für seine unter dem Aktenzeichen geführte Anfechtungsklage versagt hat, die sich gegen die Bescheide der Beklagten vom 27. März 2023 (Bl. 4 ff. der Gerichtsakte – GA –) und 6. April 2023 (Bl. 7 [Rückseite – R -] ff. GA) richtet. Durch den ersten dieser Bescheide entzog die Beklagte dem Kläger unter Berufung auf § 2a Abs. 3 StVG kostenpflichtig die Fahrerlaubnis auf Probe (u. a. der Klasse B), forderte ihn auf, seinen Führerschein binnen fünf Tagen nach Zustellung der Aufforderung abzugeben, und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld von 500,- EUR an. Denn der Kläger war einer ihm am 3. September 2022 (S. 7 der Beiakte 1) zugestellten Anordnung der Beklagten vom 1. September 2022 (S. 2 ff. BA 1) nicht nachgekommen, an einem Aufbauseminar teilzunehmen und ihr darüber bis zum 2. März 2023 eine Bescheinigung vorzulegen. Diese Anordnung war erlassen worden, nachdem im Fahreignungsregister eine Bußgeldentscheidung vom 28. Juli 2022 eingetragen worden war, die wegen einer dem Kläger zugeschriebenen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 18. April 2022 um 38 km/h auf der BAB A 2 getroffen worden war (vgl. Bl. 49 [R] GA). Durch den zweiten mit der hiesigen Klage angefochtenen Bescheid drohte die Beklagte dem Kläger nochmals kostenpflichtig das Zwangsgeld von 500,- EUR an, nachdem er seinen Führerschein nicht zeitgerecht abgeliefert hatte.

 Der Kläger macht geltend, den Bußgeldbescheid vom 28. Juli 2022 nicht erhalten, seinen Pkw am 18. April 2022 nicht selbst gefahren und die damalige Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen zu haben. Sein Prozessbevollmächtigter bemühe sich um Einsicht in die Bußgeldakte, um das anhand des Messfotos nachzuweisen. Obwohl er, der Kläger, die Ordnungswidrigkeit nicht begangen habe, habe er inzwischen einen Vertrag über die Teilnahme an einem Aufbauseminar abgeschlossen (Bl. 7 GA).

 Die Vorinstanz hat die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Klägers (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) unter Bezugnahme auf ihren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 8. Mai 2023 – 7 B 1150/23 – (Bl. 25 ff. GA) im Wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Die Voraussetzungen des § 2a Abs. 3 StVG lägen vor, weil der Kläger einer vollziehbaren Anordnung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG nicht nachgekommen sei. Die Voraussetzungen für den Erlass dieser Anordnung seien ebenfalls gegeben gewesen; denn die Beklagte sei gemäß § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG an die nicht offensichtlich unrichtige, rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit vom 18. April 2022 gebunden gewesen.

 II.

 Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 8. Mai 20023 ist unbegründet. Die Vorinstanz hat die begehrte Prozesskostenhilfe zu Recht versagt. Die Anfechtungsklage des Klägers bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Denn die Voraussetzungen des § 2a Abs. 3 StVG für den Erlass der Entziehungsverfügung lagen vor, sodass voraussichtlich auch die an die Letztere anknüpfenden Folgemaßnahmen, d. h. die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins, die Zwangsgeldandrohungen und die Festsetzungen von Verwaltungskosten, als gerechtfertigt zu betrachten sind.

 Die demgegenüber erhobenen Einwände des Klägers sind unerheblich. Denn sie betreffen allenfalls die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids vom 28. Juli 2022 sowie die Rechtmäßigkeit der Anordnung (des Besuchs) des Aufbauseminars vom 1. September 2022. Nichts davon zählt aber zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2a Abs. 3 StVG. Diese Vorschrift setzt nämlich für die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe lediglich voraus, dass die Anordnung (des Besuchs) des Aufbauseminars (hier vom 1. September 2022) wirksam, dass sie – vorliegend schon mangels eines gegen sie erhobenen Rechtsbehelfs des Klägers (vgl. im Übrigen § 2a Abs. 6 Var. 1 StVG) – vollziehbar und dass ihr der betroffene Fahrerlaubnisinhaber in der festgesetzten Frist – hier also bis zum Ablauf des 2. März 2023 – nicht nachgekommen war. Das alles war unbestritten hier der Fall.

 Auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 1. September 2022 und erst recht auf die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids vom 28. Juli 2022 kommt es dagegen nicht an. Da § 2a Abs. 3 StVG für die Fahrerlaubnisentziehung nur an die Tatbestandswirkung (vgl. Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, 2. Aufl., § 2a StVG [Stand: 25.1.2022], Rn. 271) der wirksamen und vollziehbaren Anordnung (des Besuchs) des Aufbauseminars anknüpft, unterliegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und ihre Voraussetzungen im Entziehungsverfahren nach § 2a Abs. 3 StVG keiner Prüfung mehr (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 8.7.1998 – B 1 S 477/98 –, NJW 1999, 442, hier zitiert nach juris, Rnrn 3 f., m. w. N.).

OVG Lüneburg Beschl. v. 25.7.2023 – 12 PA 62/23, BeckRS 2023, 18377

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