Wachstumschancengesetz: Zu wenig steuerliche Entlastung, zu viel unnötige Bürokratie

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 13.11.2023
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Prof. Dr. Schwab, Präsident der BStBK

Im Editorial der neuen DStR-Ausgabe 45/2023 unterzieht Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, den Entwurf des Wachstumschancengesetzes einer kritischen Beurteilung. Lesen Sie hier das Editorial im vollen Wortlaut:

Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Wachstumschancen enthält einige begrüßenswerte Ansätze, um Unternehmen steuerlich zu entlasten. Inakzeptabel sind die darin vorgesehenen Anzeigepflichten für nationale Steuergestaltungen, denn sie liefern zu wenig Anhaltspunkte gegen Steuerhinterziehung und schaffen nur weitere Bürokratie.

Die Ampel-Koalition hat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Wachstumschancen vorgelegt, zu dem die Bundessteuerberaterkammer am 1.11.2023 schriftlich Stellung genommen hat und am 6.11.2023 als Sachverständige zur Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages geladen war. Die zahlreichen vorgesehenen Einzelmaßnahmen, mit denen bestehende Festbeträge, Pauschalierungen, Freibeträge oder Freigrenzen angehoben oder neu eingeführt werden, sind ausdrücklich zu begrüßen. Das gilt auch für die Aufhebung der schlicht unpraktikablen Regelungen zur Besteuerung der Gas- und Wärmepreisbremse. Alle damit verbundenen Erleichterungen sowohl finanzieller als auch administrativer Art sind willkommen, führen aber noch nicht zu einer substanziellen Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung gelingt der Bundesregierung leider nicht der dringend benötigte Durchbruch. Die vorgesehene bessere Verrechnung von Verlusten mit früheren oder späteren Gewinnen, günstigere Abschreibungsregeln und mehr Geld für forschende Unternehmen können nur ein Anfang sein. Von der neuen Prämie für Klimaschutzinvestitionen profitieren sinnvollerweise auch Betriebe, die Verluste erzielen. Es ist unverständlich, wieso eine vergleichbare Prämie für Investitionen in Digitalisierung unter den Tisch gefallen ist. Denn damit deutsche Unternehmen auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind, müssten sie jetzt viel in Digitalisierung investieren. Die Prämie war im Koalitionsvertrag vorgesehen. Erfolgreiche Digitalisierung hebt Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen, sie kostet aber auch Zeit und Geld. Unternehmen müssen hier stärker unterstützt werden.

Leider sind auch die Regelungen der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter nicht ausreichend, um Unternehmen umfassend zu entlasten, da der vorgesehene Anwendungszeitraum viel zu kurz ist. Nicht nachvollziehbar ist zudem, warum die zuvor geplanten verbesserten Thesaurierungsbegünstigungen für Personengesellschaften im Regierungsentwurf nicht mehr enthalten sind. In die völlig falsche Richtung gehen auch die Reform der Zinsschranke und die Einführung einer Zinshöhenschranke, da sie weitere Verschärfungen für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen und das oft bekundete Bemühen um einen Bürokratieabbau konterkarieren.

Die steuerlichen Entlastungen sind also schon nicht der große Wurf. Schafft das Wachstumschancengesetz dann bei der immensen deutschen Bürokratie Erleichterungen für die hiesigen Unternehmen? Leider nein. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Einführung von neuen Anzeigepflichten für nationale Steuergestaltungen sieht eine neue bürokratische Last vor. Diese lehnen wir strikt ab. Wieso sollte man etwas einführen, von dem man schon weiß, dass es nichts bringt? Die bisherige Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen hat schon zu keinem wesentlichen Erkenntnisgewinn geführt und steht in keiner Kosten-Nutzen-Relation. Sie stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in unsere Verschwiegenheitspflicht dar. Dies jetzt noch auf inländische Sachverhalte auszudehnen, ist schlicht nicht hinnehmbar. Im Übrigen sieht auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates dieses Vorhaben kritisch. Fragwürdige Regelungen sollten nicht nur deswegen eingeführt werden, weil sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurden.

Die geplante Einführung der verpflichtenden eRechnung im B2B-Bereich hat das Potenzial, einen Meilenstein der Digitalisierung in Deutschland darzustellen. Deshalb ist das Vorhaben ausdrücklich zu begrüßen und sollte zügig umgesetzt werden. Weil aber wichtige Voraussetzungen wie u.a. die hinreichende IT-seitige Entlastung von KMU noch fehlen, sollte der Zeitplan ggf. noch einmal verschoben werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf KMU, die über nur beschränkte technische und personelle Ressourcen verfügen. Auch besteht dringender Bedarf für einen Einsatz von interdisziplinären Arbeitsgruppen, um das vorhandene Know-How zu bündeln und zügig Lösungsvorschläge für die noch offenen Fragestellungen zu erarbeiten.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. Der Fokus muss jetzt auf eine Verbesserung des allgemeinen Wirtschafts- und Investitionsklimas gelegt werden. Investitionen in Deutschland müssen wieder attraktiv werden, damit wir den bevorstehenden Wandel erfolgreich bewältigen können. Nur dann können wir künftig mit wachsenden Steuereinnahmen und gesunden Staatsfinanzen rechnen. Das vereinzelte Drehen an Stellschrauben und beständiges Misstrauen bringen uns hier nicht weiter.

StB/FB f. IStR Prof. Dr. Hartmut Schwab,
Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Berlin

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