Sonderbetriebsvermögen II oder Privatvermögen? Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es zum Schwur (FG Rheinland-Pfalz vom 27.7.2022 - 2 K 1544/17)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 20.12.2023
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2601 Aufrufe

Sonderbetriebsvermögen” der Personengesellschaft und kein Ende! Nicht nur im grenzüberschreitenden Kontext sorgt es für so manchen Unmut und so manche Verwirrung - zuletzt im Kontext des § 4i EStG (FG Münster v. 31.8.2023 – 10 K 2613/20 F, BeckRS 2023, 32348; Rev. eingelegt, Az. BFH I R 58/­23; Weiss, DStR 2023, 2766). Auch im rein nationalen Kontext ist es für so manche Überraschung gut - insbesondere auch im Einbringungsteil des Umwandlungssteuergesetzes (BeckOK UmwStG/Dürrschmidt UmwStG § 20 Rn. 816 ff.). 

Zum notwendigen Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehören nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG iVm § 4 Abs. 1 EStG zusätzlich zu den im Gesamthandseigentum der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgütern auch solche Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören, wenn sie geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder die Voraussetzungen des Sonderbetriebsvermögens II erfüllen. (BFH v. 19.12.2019 – IV R 53/16, BeckRS 2019, 45184 Rn. 34)

Das so definierte Sonderbetriebsvermögen wird (erst) aufgrund (verfassungsrechtlich zulässiger) richterlicher Rechtsfortbildung und Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG iVm §§ 4 ff. und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Bestandteil des steuerlichen Betriebsvermögens der Mitunternehmerschaft (BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, BeckRS 2015, 94978 Rn. 10). Als Folgerung sind Aufwendungen und Erträge bei gewerblichen Mitunternehmerschaften (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) dann auch in den Gewerbeertrag einzubeziehen (BFH v. 16.7.2020 – IV R 30/18, BeckRS 2020, 41089 Rn. 35). Die daraus folgende Gewerbesteuer wird von der Personengesellschaft selbst geschuldet (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), ohne dass die dadurch entstehende Unwucht beim Verlustabzug (§ 10a Satz 4, 5 GewStG) oder bei der Steuerermäßigung für erlittene Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG) berücksichtigt würde. Die ertragsteuerliche Behandlung der zum Ausgleich von Ungleichgewichten aus dem Sonderbetriebsvermögen in Rechnung gestellten Gewerbesteuer stellt damit ein großes Folgeproblem dar (BFH v. 19.7.2018 – IV R 14/16, DStR 2018, 2259).

Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II ist anzunehmen, wenn die dem Mitunternehmer gehörenden Wirtschaftsgüter zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung eingesetzt werden. Ein solches Wirtschaftsgut kann auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sein (BFH v. 17.11.2011 - IV R 51/08, DStR 2012, 850 Rn. 18). Wer mithin Anteile bspw. unentgeltlich überträgt und sie für steuerliches Privatvermögen hält, muss eine Verhaftung im Sonderbetriebsvermögen II unbedingt im Auge behalten. Denn bei einer Veräußerung oder einer Schenkung an eine Person, die nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft ist, droht sonst zwingend die Aufdeckung stiller Reserven (bspw. FG Düsseldorf v. 2.5.2019 – 11 K 1232/15, BeckRS 2019, 13545; bestätigt durch BFH v. 21.12.2021 – IV R 15/19, BeckRS 2021, 47217). Bei unentgeltlicher Übertragung auf einen Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft kann hingegen § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG “helfen”, aber auch Sperrfristen “hinterlassen” (§ 6 Abs. 5 Satz 4, 6 EStG).

Diese Probleme stellten sich nun auch im Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 27.7.2022 (2 K 1544/17, BeckRS 2022, 52308). Bei der gewerblich geprägten (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG)  Klägerin wurden über Jahre die Anteile an der Komplementärin im Gesamthandsvermögen bilanziert, was sich letztendlich mangels notarieller Beurkundung der Übertragung als falsch herausstellte: Weder rechtliches (§ 39 Abs. 1 AO) noch wirtschaftliches Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) war übergegangen. Da jedoch die Mitunternehmer im Jahr 2014 sowohl Anteile an der Komplementärin veräußert als auch unentgeltlich auf Nicht-Gesellschafter übertragen hatten, wollte das FA gerne Sonderbetriebsvermögen II annehmen. Glücklicherweise - für die Klägerin - unterhielt die Komplementär-GmbH einen sehr umfassenden eigenen Geschäftsbetrieb, der ihre Anteile aus dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II “raushielt” (OFD Frankfurt v. 12.12.2022, DStR 2023, 151; BFH v. 21.12.2021 – IV R 15/19, BeckRS 2021, 47217).

In diesem Fall stand jedoch auch die Annahme einer Willkürung (R 4.2 Abs. 2 Satz 3 EStR; zum erforderlichen Widmungsakt FG Köln v. 26.4.2018 – 1 K 1896/17, BeckRS 2018, 9940) im Raum, wobei die BFH-Rechtsprechung diese für Zwecke des Sonderbetriebsvermögens II zwischenzeitlich ohnehin kritisch sieht (BFH v. 28.5.2020 – IV R 17/17, BeckRS 2020, 24529 Rn. 18). Dagegen sprach jedoch, dass die Komplementär-GmbH bereits 2011 als Komplementärin ausgeschieden war, wodurch “die objektive Eignung zur Förderung der Beteiligung an der Personengesellschaft” entfallen war. Also noch einmal gut gegangen…

 
Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen