Ausländische Investitionen in inländische Unternehmen: "Investitionskontrollrecht wird immer bedeutsamer"

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 29.01.2024
Rechtsgebiete: Verlag|5970 Aufrufe
Frank Röhling und Roland M. Stein, Recht der Investitionskontrolle

Ausländische Investitionen in inländische Unternehmen fallen immer häufiger in den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle. Warum ist das so? Und wann wird eine ausländische Investition eigentlich zum Prüffall? Ein Interview mit den Rechtsanwälten Dr. Frank Röhling und Dr. Roland M. Stein. Die beiden sind Herausgeber des neuen C.H.BECK-Kommentars Recht der Investitionskontrolle

Beginnen wir mit einer nüchternen Definition: Das Investitionskontrollrecht soll sicherstellen, dass ausländische Investitionen in die deutsche und europäische Wirtschaft vermieden werden, die sich negativ auf die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auswirken können. Was wären denn solche Risiken für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit? Wenn chinesische Firmen beispielsweise in den Hamburger Hafen investieren?

Röhling: Das mag seltsam klingen, aber diese eigentlich grundlegende Frage der Investitionskontrolle ist noch weitgehend ungeklärt. Man kann versuchen, sich dem anzunähern, indem man die öffentliche Ordnung und Sicherheit als die „Grundinteressen der Gesellschaft“ beschreibt, aber damit ist praktisch nicht viel gewonnen. Es gibt bisher nur sehr wenig Literatur speziell zu dem Thema und auch nur wenige Untersagungsentscheidungen, in denen die Bundesregierung das konkret begründen musste. Keine dieser Entscheidungen ist veröffentlicht. Zudem fehlt es noch an Gerichtsentscheidungen in Deutschland, die sich inhaltlich mit der Frage auseinandersetzen. Und wie wir beim Hamburger Hafen gesehen haben, ist dies auch häufig eine sehr politisch geprägte Frage, bei der man je nach politischer Einstellung unterschiedlicher Ansicht sein kann.

Für alle, die es nicht mehr in Erinnerung haben: Was war beim Hamburger Hafen der Streitpunkt?

Röhling: In diesem Fall wurde insbesondere befürchtet, dass eine Beteiligung chinesischer Firmen an einem Terminal des Hamburger Hafens Deutschland erpressbar machen könnte und dass die chinesische Regierung so Einfluss auf die deutsche und europäische Seeverkehrspolitik ausüben könnte. Außerdem ging es um die Versorgungssicherheit im Krisenfall. Befürworter der Investition hielten die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten für gering, da es sich nur um Minderheitsbeteiligungen an einem konkreten Terminal handelte, und verwiesen zudem darauf, dass chinesische Unternehmen bereits an vielen anderen europäischen Häfen beteiligt seien, die deshalb durch chinesische Reedereien bevorzugt werden könnten. Zudem sprach die mit der Investition einhergehende größere Auslastung des Terminals für die Transaktion. Daran sieht man, dass es sich stets um schwierige Einzelfallentscheidungen handelt.

Wer entscheidet eigentlich, welche Investition zum Prüffall wird – und wer prüft dann?

Stein: Bei Investitionen in sensiblen Sektoren sind Unternehmen verpflichtet, ihre Investitionen zu melden. Die Entscheidung, ob eine Investition zum Prüffall wird, liegt grundsätzlich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz oder kurz BMWK. Das Ministerium kann aber auch von sich aus eine Prüfung einleiten, wenn es Anhaltspunkte dafür hat, dass die Investition voraussichtlich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Schließlich können Unternehmen auch freiwillig eine Prüfung ihrer Investition beantragen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Die Prüfung selbst wird dann ebenfalls vom BMWK durchgeführt, das in aller Regel andere Ressorts und Behörden einbezieht.

Wie wahrt man die Balance zwischen Offenheit für Investitionen und Abschottung?

Röhling: Bisher hat keine Bundesregierung versucht eine „Abschottung“ zu betreiben. Unser Investitionskontrollrecht ist weiterhin von einer großen Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen gekennzeichnet und nur eine sehr kleine Zahl von Investitionen wurde durch die Bundesregierung bisher verhindert oder eingeschränkt. Das größere Problem sind der Aufwand, die Dauer und die Unsicherheit, die durch Meldepflichten und Kontrollmöglichkeiten für all diejenigen Transaktionen geschaffen werden, die nicht verboten werden. Hier ist wichtig, die Verfahren effizient auszugestalten und die Anforderungen an Investoren auf das Notwendige zu beschränken, was in der Praxis inzwischen meistens gut funktioniert.

Im Vorwort Ihres neuen Kommentars schreiben Sie, dass das Investitionskontrollrecht für die Praxis immer bedeutsamer wird. Woran machen Sie das fest?

Stein: Die wachsende Bedeutung lässt sich schon an der deutlich gestiegenen Zahl der Prüffälle in den letzten Jahren ablesen. Das liegt zum einen an dem fortdauernden Interesse ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen. Zum anderen hat die Bundesrepublik in den letzten Jahren regelmäßig ihre Prüfbefugnisse erweitert und verschärft, um möglichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entgegenzuwirken. Das hat nicht zuletzt etwas mit der geopolitischen Lage und den damit verbundenen Interessen zu tun, etwa Verflechtungen und damit Abhängigkeiten mit bestimmten Staaten zu reduzieren. Auch die Schaffung eines unionsrechtlichen Rahmens für die Investitionskontrolle durch die sog. EU-Screening-Verordnung trägt zu einem gestiegenen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission und so zu einer höheren Praxisrelevanz bei.

Welche Vorschriften spielen im Rahmen des Investitionskontrollrechts eine Rolle und wie hängen diese zusammen?

Röhling: In Deutschland gibt es momentan kein einheitliches „Investitionskontrollgesetz“ wie in Österreich oder anderen Ländern. Stattdessen ist die Materie über mehrere Rechtsakte verstreut. Es gibt einige grundlegende Regelungen im Außenwirtschaftsgesetz. Dieses ermächtigt den Bundeswirtschaftsminister, Näheres durch Verordnung zu regeln, was dieser in den §§ 55 – 62a der Außenwirtschaftsverordnung getan hat. Für die Bestimmung der kritischen Infrastruktur verweist diese aber auf das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, welches wiederum auf die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen und deren Anlagen Bezug nimmt. Zudem gibt es eine EU-Verordnung zu dem Thema und primärrechtliche Vorgaben, die zu beachten sind. Allerdings arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer Konsolidierung der relevanten Vorschriften in einem eigenständigen Investitionskontrollgesetz, welches dieses oder Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll. Aus Sicht der Praxis ist dies zu begrüßen, vorausgesetzt natürlich es kommt in dem Zusammenhang nicht zu einer weiteren Ausdehnung und Verschärfung der Investitionskontrolle.

Was unterscheidet das Werk von anderen Titeln auf dem Markt?

Stein: Das Werk hebt sich vor allem durch seinen klaren Fokus, seine Aktualität und seine Praxisnähe hervor. Anders als andere Kommentare und Handbücher im Außenwirtschaftsrecht, behandelt es nur diejenigen Bereiche, die für die Investitionskontrolle von Bedeutung sind. Das erlaubt etwa eine vertiefte Kommentierung der maßgeblichen Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung sowie eine pointierte Behandlung der grundlegenden Normen des Außenwirtschaftsgesetzes, bei denen oftmals eher die Ausfuhr- als die Investitionskontrolle im Vordergrund steht. Kommentierungen der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz und der Screening-Verordnung sowie unionsrechtlicher Grundlagen runden das Werk ab. Es liefert so eine umfassende und systematische Darstellung der materiellen und verfahrensrechtlichen Regelungen auf aktuellem Gesetzesstand, das ferner durch die Behandlung von konkreten Anwendungsfragen, die sich regelmäßig in der Praxis stellen, einen echten Mehrwert auf dem Markt bietet.

Für welche Zielgruppe haben Sie den Kommentar geschrieben? 

Röhling: Für alle, die sich für das Investitionskontrollrecht interessieren! Vor allem für Praktiker, sei es in Kanzleien, Unternehmen, Behörden oder Gerichten, dürften die umfangreichen Kommentierungen der besonders praxisrelevanten Themen, wie zum Beispiel der Anmeldepflichten und der Verfahrensfragen von großer Bedeutung sein. Wir beziehen aber auch ausgiebig Stellung zu den grundlegenden europarechtlichen Aspekten und den offenen Fragen des Investitionskontrollrechts und hoffen, auf diese Weise auch einen Beitrag für die Entwicklung des Rechtsgebiets zu leisten und einen Impuls für die weitere wissenschaftliche Bearbeitung liefern zu können.

Zum Schluss noch ein Blick nach vorne. Sie haben oben erwähnt, dass für 2024 oder 2025 ein eigenständiges Investitionskontrollrecht erwartet wird. Das Gesetz soll die Bestimmungen aus Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bündeln. Wo besteht Ihrer Ansicht nach derzeit die größte Rechtsunsicherheit, die gesetzgeberisch gelöst werden könnte?

Stein: Die größte Rechtsunsicherheit besteht derzeit wohl in der genauen Bestimmung der einzelnen Fallgruppen und der Abgrenzung der verschiedenen Prüfverfahren. Je nachdem, ob es sich um eine sektorübergreifende oder sektorspezifische Prüfung handelt, ob die Investition aus einem EU- oder Drittstaat kommt, ob sie einen bestimmten Schwellenwert überschreitet oder nicht, gelten unterschiedliche Anforderungen, was etwa das Bestehen von Meldepflichten oder die Gestaltung des Prüfverfahrens angeht. Eine Vereinheitlichung und Konkretisierung dieser Regelungen wären wünschenswert, um mehr Rechtssicherheit und Transparenz für die Beteiligten zu schaffen. Zudem bereitet der Begriff der „atypischen Kontrolle“ immer wieder Schwierigkeiten, insbesondere bei PE- und VC-Investitionen. Auch hier wäre eine Präzisierung hilfreich.

(Interview: TF)

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