Was das Versicherungsrecht so spannend macht

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 31.01.2024
Rechtsgebiete: Verlag|3282 Aufrufe
Prof. Dr. Theo Langheid | MüKo zum Versicherungsvertragsgesetz

Versicherungsrecht, oft als trocken und unzugänglich wahrgenommen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als faszinierendes Geflecht, das nahezu alle Lebensbereiche durchzieht. In diesem Editorial gibt Prof. Dr. Theo Langheid, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Einblick in die vielschichtige Welt des Versicherungsrechts. Von der Hebammen- über die Industrieversicherung bis hin zur Vorsorge für Krankheit, Alter und Tod – das Versicherungsrecht begleitet jeden Einzelnen buchstäblich ein Leben lang.
 

Jene versicherungsrechtlichen Laien, die ihr Leben bislang in der deprimierenden Überzeugung gefristet haben, beim ‚Versicherungsrecht‘ handele es sich um eine staubtrockene Materie, nur geeignet für blutarme Bleistiftspitzer oder knauserige Leistungsverweigerer, werden eines Besseren belehrt, wenn sie erkennen, dass das Versicherungsrecht sie ihr ganzes Leben lang begleitet, und zwar buchstäblich. Nichts, was nicht zumindest mittelbar mit einem Risikotransfer zu tun hätte, von der Hebammen- über die sog. Jedermann- und Industrieversicherung bis hin zur Vorsorge für Krankheit, Alter und Tod. Alle spektakulären Schäden, vom vorsätzlich herbeigeführten Absturz der German Wings – Maschine im März 2015 über die Opioid Crisis bis hin zu cum ex – Tricksereien haben immer auch einen versicherungsrechtlichen Hintergrund, bei dem es sich häufig, von der Öffentlichkeit unbemerkt, um den Hauptaspekt des Geschehens handelt. Und um das Ganze auch für Anspruchsvolle interessant zu machen, haben wir es mit einem komplexen Geflecht von Zivilrecht, Versicherungsrecht, Aufsichtsrecht, Gesellschaftsrecht und solchen Exoten wie Asset Management, Kidnap & Ransom oder dem Berufsrecht des Versicherungsvertriebs zu tun. Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen, europarechtliche Richtlinien, zuletzt einem Green Deal verpflichtet, die gestalterischen Vorgaben einer mal ordoliberalen, mal restriktiven Ordnungspolitik und zuletzt auch die Herausforderungen von KI und Digitalisierung runden das Bild.

Wer sich hier zurechtfinden will, benötigt einen umfassenden Ratgeber und hat ihn im Langheid/Wandt Münchner Kommentar zum VVG schnell gefunden. Der jetzt vorgelegte Bd. 2 komplettiert die Kommentierung des gesamten VVG und in den bald erscheinenden Bd. 3 und 4 werden sämtliche zuvor genannten Nebengebiete abgehandelt und zusätzliche Spezialthemen wie die Besonderheiten des Versicherungsrechtsstreits, das Versicherungskartellrecht, die Rechnungslegung und die D&O – Versicherung, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Eine Ausnahmestellung nimmt dabei die Haftpflichtversicherung ein, mit ihren Verzweigungen in die Betriebs-, Produkt-, Vermögensschaden- und/oder KFZ – Versicherung, diese geprägt von der Pflicht – Haftpflichtversicherung in §§ 114 ff. VVG. Hier paart sich Altes (wie der vorweggenommene Deckungsprozess oder die Frage von parallelen, teils vorsätzlichen, teils fahrlässigen Pflichtverletzungen) mit Neuem (wie die Frage, ob der Versicherer dem Haftungsprozess auf Seiten des Gegners beitreten darf oder der Beweislastverteilung nach abgetretenem Freistellungsanspruch in der D&O - Versicherung).

In der Rechtsschutzversicherung dürfte besonders bedeutsam der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls sein, nachdem der BGH in Bezug auf den dafür verantwortlichen Verstoß auf die Behauptungen des VN abstellt, wodurch sich sogleich das Problem von ‚Zweckabschlüssen‘ stellt. In der Transportversicherung könnte die hier vorherrschende causa proxima – Beweisregel Maßstab für das gesamte Versicherungsrecht werden und die komplexe Rechtsprechung des BGH in der (Einbruch)Diebstahlversicherung (hinreichende und erhebliche Wahrscheinlichkeit) ablösen.

In der Lebensversicherung stellen sich wirtschaftlich wichtige Fragen wie die nach der Überschussbeteiligung und dem angemessenen Rückkaufswert, namentlich bei einem Frühstorno. Besonders prägend waren in letzter Zeit die sog. 5 a – Prozesse, mit denen Versicherungsnehmer versucht haben, aus der Unwirksamkeit der früheren Widerrufsregel in § 5 a VVG aF lange bestehende Verträge rückabzuwickeln. In der Krankenversicherung stellt sich die (alte) Frage des Primats der Prämien- vor der Bedingungsanpassung und die (neue) Frage, welche Anforderungen an Prämienerhöhungen des Versicherers zu stellen sind. Und in den Schlussvorschriften verbergen sich so spannende Regelungen wie die Digitalisierung des Vertragsabschlusses und die Nicht-Anwendbarkeit des Gesetzes auf Großrisiken und die Rückversicherung.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Münchener Kommentar Versicherungsvertragsgesetz: VVG, Band 2: §§ 100-216: Zur neuen Auflage

Prof. Dr. Theo Langheid, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Hier finden Sie weitere Informationen zum Autor. 

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