Steuerfreiheit der Photovoltaikanlagen unter § 3 Nr. 72 EStG - wie gelang der Übergang?

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 01.02.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2628 Aufrufe

Photovoltaikanlagen und kein Ende – die „gut gemeinte“ Einführung einer Steuerbefreiung in § 3 Nr. 72 EStG zieht – neben den umsatzsteuerlichen Problemen des § 12 Abs. 3 UStG (Zusammenfassung bei Becker MwStR 2024, 41) – ertragsteuerliche Fragen in Hülle und Fülle nach sich.

Die Vorschrift des § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG stellt Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von bestimmten Photovoltaikanlagen (zum sachlichen Anwendungsbereich BMF v. 17.7.2023, BStBl. 2023 I, 1494, unter II.) steuerfrei. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb wird nach Satz 2 kein Gewinn ermittelt, wenn diese insgesamt nach Satz 1 steuerfrei sind, was sich auch negativ auf die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG auswirkt (BMF v. 17.7.2023, BStBl. 2023 I, 1494, unter II., 5.). Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG gilt nach § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG für Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden (LfSt Niedersachsen v. 17.10.2023, BeckVerw 629248, unter III., 1.3.). Flankiert wird sie von der Gewerbesteuerfreiheit des § 3 Nr. 32 GewStG.

Besondere Aufmerksamkeit genießt jedoch derzeit Satz 3 der Regelung, nach dem in den Fällen des § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG die Vorschrift zur „gewerblichen Infektion“ nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht anzuwenden ist (ähnlich wie § 18 Abs. 1 Nr. 4 2. HS EStG, der jedoch den gesamten Absatz 3 des § 15 EStG ausschaltet). Die erstmalige Anwendung des § 3 Nr. 72 Satz 3 EStG gemäß § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG hätte insoweit für im Übrigen vermögensverwaltend tätige Mitunternehmerschaften, die bis dahin nur aufgrund des Betriebs einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen i.S.d. § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG gewerblich infiziert waren, eine Zwangsentnahme sämtlicher Wirtschaftsgüter, insbesondere der Gebäude, auf, an oder in denen sich eine Photovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen im Veranlagungszeitraum 2022 bedeutet (zum Ende der gewerblichen Prägung bspw. R 16 Abs. 2 Satz 5 EStR; BFH v. 22.2.2021 – IX R 13/19, BeckRS 2021, 21011, Rz. 20 ff, dort auch zur weiteren Bemessung der steuerlichen AfA). Jedenfalls einkommensteuerlich (gewerbesteuerlich besteht bei natürlichen Personen meist keine Steuerbarkeit, § 7 Satz 2 GewStG) hätten dann die stillen Reserven der Besteuerung unterlegen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Aus Vertrauensschutzgründen wird indes nach dem Schreiben des BMF v. 17.7.2023, BStBl. 2023 I, 1494, unter II., 8., von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31.12.2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt war. Tauglich hierfür sollte u.a. die gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sein. Daneben konnte natürlich auch eine weitere gewerbliche Tätigkeit bis zum 31.12.2023 aufgenommen werden (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 1. Alt. EStG), die dann aber die für die „Seitwärtsabfärbung“ bestehenden „Bagatellgrenzen“ (LfSt Niedersachsen v. 17.10.2023, BeckVerw 629248, unter III., 4.) übersteigen muss. Diese wurden ursprünglich für die Abfärbung auf freiberufliche Tätigkeiten vom VIII. Senat des BFH entwickelt (H 15.8 Abs. 5, „Bagatellgrenze“, 1. Gedankenstrich EStH). Sie gelten nach dem Urteil des IV. Senats des BFH vom 30.6.2022 (IV R 42/19, BStBl. II 2023, 118) jedoch nicht nur für gemischt tätige freiberufliche, sondern auch für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften.

 

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