LAG Düsseldorf zur Entschädigung im Stellenbesetzungsverfahren nach Google-Recherche

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|1468 Aufrufe

Das Datenschutzrecht erweist sich immer öfter als Haftungsfalle für Arbeitgeber. Gefahrgeneigt ist u.a. das Verfahren der Einstellung eines neuen Mitarbeiters. In dem vor kurzem vom LAG Düsseldorf (10.4.2024 – 12 Sa 1007/23, BeckRS 2024, 14078) entschiedenen Fall hatte die Beklagte, eine Universität, eine befristete Stelle als Volljurist:in (m/w/d) ausgeschrieben, die organisatorisch an das Justiziariat angebunden sein sollte und unter anderem das Führen von Gerichtsverfahren und die Betreuung der AGG-Beschwerdestelle beinhalten sollte. Der Kläger, ein vielfach als AGG-Kläger in Erscheinung getretener Rechtsanwalt, war seinerzeit vom LG München I wegen Betrugs (nicht rechtskräftig) vorbestraft, was auch in einem Wikipedia-Eintrag über den Kl. erwähnt war. Er bewarb sich auf die Stelle und erhielt eine Absage. Hintergrund war, dass die beklagte Universität durch eine Google-Recherche, die aufgrund der Bekanntheit des Namens des Klägers im Zusammenhang mit der Geltendmachung von fragwürdigen AGG-Ansprüchen und einer hierzu ergangenen EuGH-Entscheidung erfolgte, Kenntnis von der strafrechtlichen Verurteilung erhielt. Eine Information über die seitens der Beklagten erhobenen Daten erhielt der Kläger nicht. Daraufhin machte er einen Anspruch auf Entschädigung geltend.

Das LAG Düsseldorf hat die Beklagte daraufhin verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1.000,00 Euro gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu zahlen, weil sie den Kläger entgegen Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO nicht über die Kategorie der von ihr im Rahmen des Auswahlverfahrens verarbeiteten Daten, nämlich der strafrechtlichen Verurteilung durch das Landgericht München I, informiert hat.

Die Google-Recherche und die Berücksichtigung der entdeckten Ergebnisse sind allerdings nicht zu beanstanden. Die Leitsätze lauten:

„1. Die nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, steht der Eignung i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG für eine befristete Stelle im Justiziariat/Personalwesen eines öffentlichen Arbeitgebers entgegen.

2. Dem steht nicht entgegen, dass der öffentliche Arbeitgeber von der Verurteilung durch eine Google-Recherche über den Bewerber erfahren hat. Diese war im konkreten Fall gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b DSGVO zulässig. Die Erforderlichkeit ergibt grundsätzlich aus der Zweckbindung des Einstellungsverfahrens und der daraus folgenden Aufgabe des öffentlichen Arbeitgebers, die Eignung des Bewerbers festzustellen und zu überprüfen. Es bleibt offen, ob ein anlassloses "googeln" zulässig ist. Hier waren einem Mitglied der Auswahlkommission Umstände bekannt, welche die Google-Recherche rechtfertigten.“

Die Entschädigung begründet hingegen der Verstoß gegen die Informationspflicht:

„3. Führt ein Arbeitgeber eine Google-Recherche durch, ist der Bewerber über diese Datenerhebung gemäß Art. 14 DSGVO zu informieren. Die Information über die Datenkategorien (Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO) muss dabei so präzise und spezifisch gefasst sein, dass die betroffene Person die Risiken abschätzen kann, die mit der Verarbeitung der erhobenen Daten verbunden sein können. Kommt der Arbeitgeber dieser Informationspflicht nicht nach und verwertet die erlangte Information – hier über die strafrechtliche Verurteilung – im Stellenbesetzungsverfahren, steht dem Bewerber ein Entschädigungsanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.“

Das LAG stellt ferner klar, dass ein Verstoß gegen die Informationspflicht aus Art. 14 Abs. 1 lit. d DS-GVO zu keinem Beweisverwertungsverbot führt. Schließlich stellt sich das LAG auf den Standpunkt, dass dem Anspruch eines Scheinbewerbers aus Art. 82 DS-GVO nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten werden kann.

Die gegen die Entschheidung zugelassene Revision ist mittlerweile eingelegt worden und wird beim BAG unter dem Aktenzeichen 8 AZR 117/24 geführt. 

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1 Kommentar

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Bleibt zu hoffen, dass das BAG das 'Bewerber-Googeln' komplett verbietet. Ist ja wohl ein Unding, wenn im Hintergtund der Arbeitgeber im Geheimen irgend etwas recherchiert und der Bewerber nicht weiß, was es ist. Im Internet steht ja auch viel Unsinn

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