OLG Frankfurt am Main: Abfindung beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out anhand des Börsenkurses (ISRA Vision AG)

von Julia MacDonald, veröffentlicht am 15.03.2024
Rechtsgebiete: WirtschaftsrechtAktienrecht|1089 Aufrufe

Das OLG Frankfurt am Main hat erstmals für einen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff. AktG entschieden, dass der Börsenkurs als geeignete Schätzgrundlage für Abfindungszahlungen herangezogen werden kann (Beschluss vom 9. Februar 2024, 21 W 129/22).

Die Bieterin hatte ein öffentliches Übernahmeangebot für die Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von EUR 50 abgegeben. Ein knappes Jahr später führte die Bieterin einen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out durch. Die angebotene Barabfindung in Höhe von EUR 46,77 entsprach dem umsatzgewichteten Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Ankündigung des Squeeze-out. Der Bewertungsgutachter ermittelte einen Ertragswert von EUR 42,72.

Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass der Börsenkurs einer Gesellschaft grundsätzlich auch für die Bestimmung der angemessenen Abfindung beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out geeignet ist. Er knüpft damit an die Rechtsprechung des BGH vom 23. Februar 2023 (II ZB 12/21) an, der den Börsenkurs als geeignete Schätzgrundlage für die Abfindung im Beherrschungsvertrag herangezogen hatte.

Ob der Börsenkurs im konkreten Fall herangezogen werden könne, sei, so der Senat, aufgrund einer umfassenden Einzelfallentscheidung, u. a. unter Berücksichtigung der Liquidität des Marktes, vorzunehmen. Grundsätzlich eigne sich der Börsenkurs bei einem Squeeze-out zwar weniger, da das hohe Mindestquorum von 90 % zu einem geringen Anteil frei handelbarer Aktien und damit zu einer Marktenge führen könne. Eine Marktenge sei vorliegend jedoch nicht gegeben.

Zwar liege es nahe, dass der Börsenkurs maßgeblich durch das Übernahmeangebot bestimmt worden sei, sodass er nicht mehr Ausdruck des unternehmensindividuellen, operativen Risikos sein könnte. Da der Börsenkurs jedoch unter dem Angebotspreis des Übernahmeangebots gelegen habe, könne der Börsenkurs als Obergrenze des inneren Wertes der Gesellschaft herangezogen werden. Zudem habe es im Zeitraum nach Ablauf des Übernahmeangebots und vor Ankündigung des Squeeze-out noch einen dreimonatigen Zeitraum des Börsenhandels ohne wesentliche Kursschwankungen gegeben.

Aufgrund von Restzweifeln hielt der Senat vorliegend die Einbeziehung des Ertragswerts zu Kontrollzwecken für erforderlich. Im Ergebnis wurde die angebotene Abfindung jedoch auch unter Berücksichtigung des Ertragswerts als angemessen gewertet.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

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