Zwangsweise Abgabe einer Spermaprobe?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 04.02.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht10|5929 Aufrufe

Wir erinnern uns.

Der beklagte Mann und sein eineiiger Zwillingsbruder hatten mit der Mutter während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt.

Statt der üblichen 12 hatte der bestellte Sachverständige 1033 "Marker" bei seinem Abstammungsgutachten untersucht, aber kein eindeutiges Ergebnis erzielen können. (Die Kosten hierfür sollen sich bis dahin bereits auf 100.000 € belaufen haben.) Der Sachverständige hielt es indes für nicht ausgeschlossen, dass bei Untersuchung der wholegenome Sequencing ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden könne.

Das BVerfG hatte die klageabweisende Entscheidung des OLG Celle aufgehoben und das OLG zu weiterer Forschung Beweisaufnahme verpflichtet (BVerfG v.  18.08.2010 - 1 BvR 811/09).

Die weiter zu Rate gezogenen Sachverständigen teilten dem OLG mit, nicht eine weitere Blut-, sondern eine Spermauntersuchung der beiden Männer könne theoretisch und vielleicht das Rätsel lösen.

Eine Spermaprobe wollte aber der beklagte Mann dem Senat nicht zur Verfügung stellen. Sein Zwillingsbruder teilte mit, die Abgabe einer Spermaprobe scheitere bereits daran, dass er sich zwischenzeitlich habe sterilisieren lassen.

An dieser Stelle brach das OLG die Beweisaufnahme ab:

Nach § 178 FamFG sei zur Feststellung der Abstammung eine Untersuchung nur zur dulden, wenn sie nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung und nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn ohne Nachteil für seine - physische oder psychische - Gesundheit zugemutet werden kann.

Das ist hier nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall.

Darum hat der Beklagte die Abgabe einer Spermaprobe mit Recht verweigert, weshalb eine zwangsweise Durchsetzung durch Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 390 ZPO schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Mithin kann hier dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen im Hinblick auf das Recht auf Schutz der Menschenwürde und auf persönliche Freiheit in Gestalt des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG) grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig wäre. Gleiches gilt für den Zeugen, der zudem nach seiner schriftlichen Erklärung, hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit Zweifel weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind, infolge Durchführung einer Vasektomie zur Abgabe einer Spermaprobe nicht mehr in der Lage ist.

OLG Celle v. 30.01.2013 - 15 UF 51/06

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10 Kommentare

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Eigentlich müsste man ja die beiden Zwillinge gesamtschuldnerisch den Kindesunterhalt zahlen lassen. Einer von beiden war es ja schließlich, und der andere könnte sich im Grunde nicht einmal beschweren, dass er für ein fremdes Kind zahlen soll, denn es ist ja genetisch praktisch sein eigenes. Und in der Geburtsurkunde werden einfach beide zu je 50 % als Vater eingetragen ;-))

 

Kann man da nicht vielleicht über den § 840 BGB etwas machen? Analog, oder so?

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@ falbala

eine unerlaubte Handlung?

das Kind als Schaden?

 

 

@ Herrn Untermann

 

Doch, oh Glück, einer der Zweillinge hatte einen Trauschein, der ist mehr wert wie 50% Vaterschaftswahrscheinlichkeit. Dem haben die Richter ohne weitere Tests die Vaterschaft zugewiesen

Das sind die Wirkungen des § 1592 Nr. 1 BGB

Man könnte ja versuchen, die Abgabe der Probe durch unmittelbaren Zwang durchzusetzen, (zumindest bei dem bei dem es noch biologisch machbar ist) ^^

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@ Herrn Burschel:

Natürlich nicht das Kind, aber die Unterhaltbelastung kann durchaus als Schaden aufgefasst werden - wenn z.B. ein Unterhaltsvorschuss gezahlt wird.

Unerlaubte Handlung liegt natürlich keine vor.

@ Herr Burschel

 

bei missglückten Sterilisationen oder bei medizinischen Kunstfehlern ist es doch meines Wissens Usus, den anfallenden Kindesunterhalt als Schaden zu betrachten.

 

Natürlich liegt -zumindest im engeren Sinne -  hier keine unerlaubte Handlung vor ;-)) ABER deswegen meinte ich ja auch, analog... Rein vom Rechtsempfinden her fände ich es richtig, wenn beide zusammen zahlen müssten. Einer ist definitiv der Vater und der andere immerhin der Onkel, der nur zufällig nicht Vater wurde.

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Gast schrieb:
bei missglückten Sterilisationen oder bei medizinischen Kunstfehlern ist es doch meines Wissens Usus, den anfallenden Kindesunterhalt als Schaden zu betrachten.
Da gibt es aber einen Behandlungs-, also Dienstleistungs- oder sogar Werkvertrag, der die Verhinderung einer Schwangerschaft bzw. den Verlust der Zeugungsfähigkeit zum Ziel hat.

Das kann man von der hier dargestellten Situation ja nicht gerade behaupten - eine "Analogie" ist da an schon sehr langen Haaren herbeigezogen.

Ich hatte den Kommentar von Falbala wegen des  "  ;-)) " nicht als ganz ernstgemeint aufgefasst. Ebenso ironisch waren meine Bemerkungen zur unerlaubten Handlung und "zum Kind als Schaden" (uraltes juristisches Thema) gemeint gewesen.

Nach § 178 FamFG hat der potenzielle Kindsvater (welch lustig Wortspiel) nur ein Duldungspflicht. Interessant wäre hier, wie da die Spermaprobe entnommen werden soll. Blutprobe ist ja klar, aber nach meiner Erfahrung muss man bei dieser Sache zumindest psychisch mitwirken, manchmal auch physisch. Hier lässt uns das Gericht mit ungeklärten Fragen zurück, ähnlich der Durchsetzbarkeit des ehelichen Beischlafes.

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Ich wäre auch dafür ,unter Zwang durch Festhalten des beklagten Mannes und Massage seiner Prostata durch einen hinzugezogenen Urologen, in ein vorgehaltenes Probeglas  ejakulieren zu lassen,weil hier ja wesentlich zu einer Aufklärung eines sehr wichtigen und weitreichenden Sachverhaltes beigetragen wird. Nur in diesem kurzen Moment müsste schon einmal das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ausser Kraft gesetzt  und Zwang angewendet werden dürfen.Weil hier geht es ja um Unsummen,welche der Mutter bis zum 18 bzw 25 Lebensjahr ihres Kindes zustehen würden. 

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