Entlastungen der Strafgerichte: Ist Corona eine Chance für Reform des Strafbefehlsverfahrens?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.05.2020
Rechtsgebiete: Corona4|3249 Aufrufe

Die Covid 19-Pandemie wirbelt auch die Justiz ganz schön durcheinander. Sogar die Tagespresse hat sich des Themas angenommen: Können Zeugen per Video vernommen werden? Können vielleicht ganze Gerichtsverhandlungen nur noch online stattfinden? Kann mehr als bisher schriftlich entschieden werden?

Vieles ist vor allem im klassischen ZPO- und FamFG-Bereich denkbar. Hier könnte Covid 19 einen echten Schub nach vorne bedeuten. Im Strafprozess ist das aber schwieriger. Wenn hier Berge an Verfahren anlaufen, bedarf es jedenfalls bei schwereren Taten stets einer Hauptverhandlung. Und dann stellt sich die Frage: Was ist vorrangig zu behandeln? Haftsachen? Schnell verjährende OWis? Und die nächste Frage ist: Wie kann man eventuell unproblematische Verfahren schnell erledigen? Wie führt man ausufernde Hauptverhandlungen mit vielen Beteiligten in Covid 19-Zeiten?

Da ist in laufenden Verfahren § 408a StPO eine tolle Sache. Nach dieser Norm kann in jeder Lage des Verfahrens ein Strafbefehl erlassen werden. Das Strafbefehlsverfahren gilt aber leider nur für Verfahren, in denen maximal eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung festgesetzt wird. Außerdem darf der Strafbefehl kein Verbrechen betreffen. Damit ist das Verfahren bei Schöffengerichten und Landgerichten nur selten anzutreffen.

Ich denke aber, dass es durchaus erwägenswert wäre, jedenfalls in einer vorübergehenden Phase das Strafbefehlsverfahren für alle bewährungsfähigen Strafen zu eröffnen. Hierdurch ließen sich vermutlich Strafgerichte jedenfalls zum Teil recht schnell entlasten. Eine weitere Möglichkeit wäre es, für einen vorübergehenden Zeitraum zusätzlich noch die Grenze für bewährungsfähige Strafen auf 3 Jahre heraufzusetzen. Dies könnte etwa bis zum 31.12.2020 möglich sein. Vielleicht würde dies ebenso allein schon wegen der nur vorübergehenden Aussicht auf eine Bewährungsstrafe dazu führen, eigentlich von ihrer Schuld überzeugte Angeklagte "aus der Reserve zu locken" umd aktiv an einer schnellen und ressourcensparenden Erledigung mitzuwirken. 

Ich bin überzeugt: Der Entlastungseffekt wäre erheblich!  

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4 Kommentare

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Die Frage einer vermehrten Nutzung des Strafbefehlsverfahrens wird heute auf der Online-Tagung "Das Verfahrensrecht in den Zeiten der Pandemie" diskutiert. Der Vortrag dazu von Jana Trapp ist bei YouTube zugänglich - wie alle anderen Vorträge auf dieser Tagung auch noch nach dem Tagungswochenende.

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Meine grenzenlose Bewunderung gehört eher den Verteidigern der bisher Restangeklagten in Duisburg/Düsseldorf. Wenn es so läuft , wie erwartet, werden die ohne Einknicken wegen §153 a StPO eine Einstellung OHNE Auflagen hinbekommen und jedenfalls KEINE Verurteilung. Die Reputation der Betroffenen ist dann doch größer. 

Man sollte strafprozessrechtliches Kulturgut wie Öffentlichkeit und Mündlichkeit nicht wegen der derzeitigen Lage vermutlich unwiderruflich die Toilette runterspülen!

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