BAG stärkt den Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer - Verhandlungsgeschick ist kein Differenzierungsgrund

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.02.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2505 Aufrufe

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

Das hat das BAG entschieden.

Die Klägerin ist seit März 2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro brutto. Auf vergleichbaren Arbeitsplätzen (Außendienst Vertrieb) waren zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit Januar 2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt iHv. 3.500 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch abgelehnt hatte. Seiner Forderung nach 1.000 Euro zusätzlich, insgesamt also 4.500 Euro monatlich, hat die Beklagte entsprochen. 

Die Klägerin sieht sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert und verlangt Nachzahlung der Vergütungsdifferenz sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Das ArbG Dresden und das Sächsische LAG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ganz überwiegend Erfolg.

Die Beklagte hat die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Vertragsfreiheit und Verhandlungsgeschick rechtfertigen also keine Differenzierungen wegen des Geschlechts. Auf die Urteilsgründe darf man gespannt sein.

BAG, Urt. vom 16.2.2023 – 8 AZR 450/21, Pressemitteilung hier

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