IT-Infrastruktur und ertragsteuerneutrale Umwandlungen - die nächste Runde (FG Nürnberg v. 12.9.2023 – 1 K 985/22)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 20.08.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2875 Aufrufe

Umwandlungen und „IT-Infrastruktur“ – da gibt es doch einige Friktionen! Die Frage, ob die „Kosten der Zusammenführung von IT-Systemen und Daten“ der an einer einer Verschmelzung beteiligten Rechtsträger „Kosten für den Vermögensübergang“ im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG (und damit ertragsteuerlich nicht abziehbar; Holle/Weiss DStR 2018, 167) sind, hat bereits die Finanzgerichte beschäftigt (FG Bremen v. 19.10.2023 – 1 K 134/21 (6), BeckRS 2023, 34775). Die Problematik ist jetzt beim BFH anhängig (Az. X R 34/23). Sie behandelt die Zeit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).

Dass einem die für heutige Geschäftsbetriebe essentielle IT-Infrastruktur auch in anderem Kontext auf die Füße fallen kann, zeigt jetzt ein Urteil des FG Nürnberg (v. 12.9.2023 – 1 K 985/22, BeckRS 2023, 49756; Rev. Az. X R 33/23). In diesem Fall sollte ein ertragsteuerlicher Teilbetrieb zur Neugründung auf eine übernehmende GmbH abgespalten werden (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). Dieser muss bereits auf den steuerlichen Übertragungsstichtag bestehen (UmwStE, BMF v. 11.11.2011, Tz. 15.03). Entgegen früheren Rechtslagen (BFH v. 22.6.2010 – I R 77/09, BeckRS 2010, 25016643) ist der Teilbetrieb jedoch nicht für die Anwendung des § 15 UmwStG insgesamt entscheidend.

Vielmehr führen fehlende Teilbetriebe „nur“ dazu, dass § 11 Abs. 2 UmwStG und § 13 Abs. 2 UmwStG, die beiden Wahlrechte zur Bewertung unterhalb des gemeinen Wertes, nicht zur Verfügung stehen. Andere „benefits“ des Umwandlungssteuergesetzes, wie etwa die ertragsteuerliche Rückwirkung unter § 2 UmwStG oder die Rechtsnachfolge unter § 12 Abs. 3 UmwStG, bleiben hingegen erhalten (UmwStE, BMF v. 11.11.2011, Tz. 15.13).

In diesem Kontext wollte die Finanzverwaltung der Klägerin den Ansatz von Buchwerten streitig machen: Nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seien übertragen worden. Deshalb sei die Abspaltung nicht zu Buchwerten möglich. Von einer zumindest denkbaren verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 ff. AO) zur Absicherung der Fragestellung berichtet jedenfalls der Sachverhalt nichts (zur Bemessung der Gebühr bei mehrstufigen Umwandlungen FG Münster v. 8.2.2023 – 6 K 1330/20 AO, BeckRS 2023, 5867; Rev. IV R 6/23). Streit entzündete sich insbesondere an dem „Rechenzentrum“ der Klägerin, das das Finanzamt nach einer Betriebsprüfung als „Spaltungshindernis“ im Sinne der Tz. 15.08 im UmwStE ansehen wollte (zu immateriellen Wirtschaftsgütern als Spaltungshindernis bereits Gude, DStR 2022, 1463): Wird danach eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage von mehreren Teilbetrieben eines Unternehmens genutzt, liegen die Voraussetzungen für die Steuerneutralität der Spaltung nicht vor. Die Klägerin trug hingegen vor dem Finanzgericht vor, das vom Finanzamt angeführte Rechenzentrum sei keine wesentliche Betriebsgrundlage. Die eingesetzte Software sei ein weltweit von tausenden Dienstleistern eingesetztes Standardprodukt zur Warenlogistik. Es seien keinerlei spezielle kundenspezifische Anpassungen erforderlich.

Das FG hat jedoch die Anwendung des § 15 UmwStG in zeitgemäßer Weise weiterentwickelt und das Spaltungshindernis verneint. Eine IT-Infrastruktur gehöre zu den funktional betriebsnotwendigen Einrichtungen. Die Selbständigkeit des zurückbleibenden und abgespaltenen Teilbetriebs gerate dadurch jedoch nicht in Gefahr. Eine eigene zivilrechtliche Übertragung auf den abgespaltenen Teilbetrieb sei insoweit nicht erforderlich. IT-Systeme könnten aufgrund ihrer Natur „nicht 1:1 mit physischen Wirtschaftsgütern, wie Grundstücken, Gebäuden oder Teilen davon verglichen werden“ (Rz. 45). Vielmehr könnten diese so konfiguriert werden, dass sie auch nach der Abspaltung dem nun eigenständigen Teilbetrieb zur Verfügung stehen.

Mithin eine frohe Botschaft für die Auf- und Abspaltungen, bei denen sich die Fragen rund um die IT-Infrastruktur regelmäßig stellen werden! Um die Neutralität unter § 11 Abs. 2 UmwStG auch dauerhaft zu erhalten, muss die Klägerin nun jedenfalls noch die Einhaltung der Sperrfrist des § 15 Abs. 2 Satz 2-7 UmwStG überwachen (zu neueren Entwicklungen Gude, DStR 2024, 841).

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