Reform des Untersuchungshaftrechts: Justizvollzugsanstalten befürchten Kompetenzchaos

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 23.08.2008

Für Kritik sorgt der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform des Untersuchungshaftsrechts. So fürchtet die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und Anstaltsleiterinnen im Justizvollzug, dass die Gesetzesänderungen eine erhebliche Verunsicherung in den Anstalten hervorrufen und letztlich zu einer Verschlechterung der Arbeitsergebnisse führen könnte. In ihrer Stellungsnahme kritisiert die Bundesvereinigung insbesondere die Zersplitterung des Untersuchungshaftrechts aufgrund der Föderalismusreform, da der Bund für das gerichtliche Verfahren zuständig ist (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz), die Länder aber künftig für die Regelung des Vollzugs zuständig sind. So fordern die JVAs nun neben einigen weiteren Änderungen insbesondere die klare Herausarbeitung der Kompetenzabgrenzungen und die Einrichtung eines eigenen Vollstreckungsgerichts.

Hintergrund: Zuständigkeitsänderung aufgrund der Föderalismusreform

Seit der Föderalismusreform erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf das gerichtliche Verfahren ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzuges. Der Referentenentwurf des BMJ, der innerhalb der Regierung noch nicht abgestimmt ist, hebt deshalb darauf ab, künftig zwischen dem von den Ländern zu regelnden Vollzug der Untersuchungshaft einerseits und der in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes als Teil des gerichtlichen Verfahrens verbliebenen Regelungsbefugnis zur Untersuchungshaft andererseits zu unterscheiden. Dass es dabei Überschneidungen geben kann, wird im Referentenentwurf des BMJ angesprochen.

JVAs fordern klare Kompetenzabgrenzungen zur Vermeidung eines «rechtsfreien Raums»

Diese Zuständigkeitsvielfalt ist der Bundevereinigung der Anstaltsleiter ein Dorn im Auge. Denn die Justizvollzugsanstalten müssten die Untersuchungshaft dann künftig unter Beachtung zweier nebeneinander stehender Regelungswerke vollziehen. Die Anstalten seien zum einen dem Gericht gegenüber dafür verantwortlich, dass die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens getroffenen richterlichen Anordnungen gewissenhaft umgesetzt werden, und zum anderen müssten sie die in den Landesgesetzen festgelegten gesetzlichen Vorgaben einhalten, wie die Untersuchungshaft durchzuführen ist. Für den Justizvollzug und für die Untersuchungsgefangenen wäre eine gesetzliche Grundlage der Untersuchungshaft «aus einem Guss» eine erhebliche Verbesserung gewesen, so die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter. Doch da dies wohl nicht mehr zu erreichen ist, appelliere man, die Zuständigkeiten des Gerichts einerseits und der Vollzugsanstalt andererseits durchgängig und so klar wie möglich abzugrenzen; dies nicht zuletzt im Interesse der Untersuchungsgefangenen, die nicht in einen durch Kompetenzprobleme verursachten «rechtsfreien Raum» fallen dürften.

Gerichte oder JVA sollen Beschränkungen während der Untersuchungshaft anordnen können

Zur deutlicheren Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Gerichte und der JVAs fordert die Bundesvereinigung, § 119 Abs. 1 Satz 1 E-StPO, der die Beschränkungen während der Untersuchungshaft wegen Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr regeln soll, so zu fassen, dass das Gericht die Überwachung von Außenkontakten, die Trennung von Tatbeteiligten und den Erlaubnisvorbehalt für Besuche und andere Beschränkungen anordnen kann. Wenn das Gericht solche Anordnungen nicht treffe, solle die Justizvollzugsanstalt ihrerseits aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung entsprechende Regelungen treffen können.

Einrichtung eines Vollstreckungsgerichts gefordert

Im Interesse der möglichst klaren Abgrenzung der beiden Bereiche vertritt die Bundesvereinigung die Meinung, dass auch die Rechtsbehelfe beider Bereiche streng zu trennen sind. Danach sollte für die in § 119 a Abs. 1 E-StPO eingeräumte Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung zu beantragen, nicht das Gericht nach § 126 StPO zuständig sein, sondern ein anderes Gericht. Die Bundesvereinigung fordert, ein eigenes Vollstreckungsgericht einzurichten und die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern - zukünftig «Vollstreckungskammern» - bei den Landgerichten vorzusehen. Insbesondere werde dadurch auch vermieden, dass über Beschwerden gegen Entscheidungen des Haftrichters derselbe Haftrichter entscheiden müsse.

Staatsanwaltschaften sollen weiterhin Außenkontakte überwachen

Die Überwachung sämtlicher Außenkontakte dürfe aus Gründen der Sicherung des Strafverfahrens nicht, wie im Entwurf in § 119 Abs. 2 E-StPO vorgesehen, auf die Vollzugsanstalt übertragen werden, so die Bundesvereinigung. Denn diese kenne in aller Regel nicht den Hintergrund und den Inhalt des Strafverfahrens und sei daher nicht in der Lage, Gefahren für das Verfahren zu erkennen. Es müsse daher bei der Überwachung der Außenkontakte durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft beziehungsweise deren Hilfsbeamte bleiben.

Aus dem Nachrichtenarchiv

Richterbund trägt geplante Reform des Untersuchungshaftrechts weitgehend mit, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 18.08.2008, becklink 265014

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