Vertragsstrafen bei Compliance: ein Musterschreiben

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 21.11.2008
Rechtsgebiete: Compliance Vertragsstrafe MusterCompliance3|8777 Aufrufe

Vor kurzem erreichte mich ein Schreiben eines deutschen Elektrounternehmens ,offensichtlich weil irgendein Mitarbeiter dieser Gesellschaft bei uns einmal bei einer Fortbildungsveranstaltung des Instituts als Zuhörer dabei war. Das an die Allgemeinheit gerichtete Schreiben sei hier im fast vollständigen Wortlaut zitiert:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Ihnen aus diversen Diskussionen in der letzten Zeit bekannt ist, liegt das Thema Compliance vermehrt in unser aller Blickwinkel. Um geltende Gesetze in Deutschland einzuhalten und in diesem Zusammenhang Klarheit über die Behandlung von Incentives, Geschäftsreisen, Geschenken u.ä. zu schaffen, haben wir unseren internen Richtlinien überarbeitet. Hiermit schaffen wir eine Selbstverpflichtung für alle Mitarbeiter zu diesem Thema. Wir wollen vor allem auch nicht die Geschäftsbeziehung zu Ihnen als unseren Lieferanten gefährden, sondern vielmehr mit der Einhaltung dieser Richtlinie Ihrem und unserem Schutz dienen. Deswegen erwarten wir von Ihnen als unserem Geschäftspartner, dass Sie sich gleichermaßen verpflichten, das Gedankengut dieser Regelungen in den Alltag täglichen Geschäftsumgang mit uns zu beachten. Im Wesentlichen erwarten wir von Ihnen die Beachtung folgender Grundsätze:

1. Angebot und eine Vergabe von Incentives wie Reisen oder Events haben stets zeitlich und inhaltlich unabhängig von konkreten Geschäftsabschlüssen zu erfolgen. Incentive-Vermögenswerte werden Sie nie direkt in Ihrem Privatvermögen eines Mitarbeiters oder dessen Angehörigen anbieten oder zufließen lassen. Unter Incentives verstehen wir Sach- und Geldprämien, Veranstaltungen, Events (z.B. Sportveranstaltungen, Konzerte), Reise, sonstige Naturalien oder Werte, die Sie als Geschäftspartner auf Ihre Kosten als Belohnung oder Motivation anbieten.

2. Bei Einladungen zu Geschäftsreisen mit rein geschäftlichem Charakter informieren Sie den Empfänger über die von Ihnen vorgenommene steuerliche Behandlung.

3. Muster- und Testprodukte bieten und übergeben Sie nicht für den direkten Zufluss in das Privatvermögen eines Mitarbeiters oder seinen Angehörigen.

4. Geschenke, Gefälligkeiten und sonstige Naturalwaren werden von Ihnen nur für den Geschäftsbetrieb und das Geschäftseigentum des Unternehmens und nur im rechtmäßigen Rahmen der gewöhnlichen Sitten und Gebräuche des alltäglichen Handelsgeschäftslebens angeboten und vergeben.

5. Angebote der obig genannten Art werden Sie entweder direkt dem Geschäftsführer  übergeben (...)

Wir weisen hiermit darauf hin, dass Verstöße Ihrerseits gegen das Gedankengut dieser oben genannten Regelungen weit reichende Konsequenzen für die Geschäftsverbindung bis hin zur strafrechtlichen Maßnahmen zur Folge haben kann.

Gleichermaßen wird bei einem Verstoß Ihrerseits gegen oben genannte Grundsätze eine Vertragsstrafe i.H.v. 1 % des mit Ihnen getätigten durchschnittlichen Jahresbruttoumsatzes eines Kalenderjahres, mindestens 50.000 € fällig, die wir uns vorbehalten, unmittelbar geltend zu machen.

Bitte senden Sie zum Einverständnis mit den obigen Grundsätzen und Konsequenzen im täglichen Geschäftsumgang mit uns dieses Schreiben rechtswirksam unterzeichnet bis zum 25. November 2008 an folgende Adresse. ..."

Mich schockiert so ein Schreiben. Da wird Druck auf Zulieferer ausgeübt. Die sollen Vertragsstrafen in enormer Höhe zahlen - und das bei Verbotstatbeständen, die extrem vage sind (zB: „gewöhnliche Sitten und Gebräuche des alltäglichen Handelsgeschäftslebens" in Ziff. 4). Ist so etwas rechtens?

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3 Kommentare

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Prinzipiell muss ein solcher Compliance-Vertrag in der Privatautonomie rechtmäßig sein. Es stellen sich m.E. aber, solange der Gesetzgeber zum Thema Compliance nicht tätig geworden ist, eine Vielzahl an Folgefragen an das allgemeine Zivilrecht, insb. inwieweit die Rechtsprechung bei der gerichtlichen Durchsetzung derartiger Vertragsstrafen mitmacht: Sind die Verbotstatbestände bestimmt genug oder bedarf es einer Korrektur nach § 242 BGB (oder eventuell sogar § 307 Abs. 1 BGB)? Sperrt § 348 HGB die mögliche, an Billigkeitrskriterien ausgerichtete Anpassung der Vertragsstrafe oder wurde die Vertragsstrafe im Compliance-Vertrag, weil dieser nur einem groben Rahmen der Geschäftsbeziehung absteckt, gar nicht im Betriebe eines Handelsgewerbes versprochen? Finden die §§ 343, 344 Abs. 1 HGB Anwendung? Wie sind die konfligierenden, über Art. 12 I GG geschützten und damit die Rechtsprechung bindenden Interessen gegeneinander abzuwägen?

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Eine sehr kluge und interessante Rückmeldung. M.E. wird man den Bestimmtheitsgrundsatz aus dem Strafrecht grundsätzlich auch bei Pönalen zur Anwendung kommen lassen müssen; dann wäre es mit Ziff. 4 obiger Vereinbarung ein Problem. Sollte man Compliance-Regelungen aus dem unternehmensinternen Bereich überhaupt in dieser Form 1:1 an die Zulieferer weitergeben? Mir erscheint dies psychologisch nicht sinnvoll.

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...das wird eine Fallrage sein und in diesen Facetten nicht antizipierbar sein. Ein Weitergabe 1:1 dürfte m.E. spätestens bei einem Blick eines sachkundien auf den Vertrag vom Tisch sein...aber die Praxis zeigt, dieser Blick kommt meistens danach und dann evtl. zu spät! Im Übrigen wäre an eine Herabsetzung der Vertragsstrafe zu denken (Einzelfall,s.o.). Nr.2 und 3 erscheint mir branachenabhängig.

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