Wenn v.u.g. fehlt ...

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 08.12.2011
Rechtsgebiete: VergleichVergleichsschlussFamilienrecht|16755 Aufrufe

Die Beteiligten hatten am 18.03.10 in einem Gewaltschutzverfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Antragsgegner verpflichtete, jegliche Kontaktaufnahme zu der Antragstellerin zu vermeiden.

Der Vergleich wurde protokolliert, sein Text aber weder vorgelesen noch als Tonaufnahme vorgespielt. Demgemäß fehlt der Vermerk

v.u.g.

Mit Beschluss vom gleichen Tage drohte das AG für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung in dem Vergleich Ordnungsgeld oder Ordnungshaft an.

Es kam zu Zuwiderhandlungen. Nach entsprechendem Bestrafungsantrag der Antragstellerin verhängte das AG gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld von 280 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft.

Die Beschwerde des Antragsgegners war erfolgreich.

Es fehlt (nach zutreffender Auffassung des OLG) an einem wirksamen Vollstreckungstitel

Bei einem Vergleich kommt anders als bei einseitigen Prozesserklärungen wie dem Rechtsmittelverzicht oder dem nicht darauf an, ob der Inhalt der protokollierten Erklärungen unstreitig ist oder sich anderweitig feststellen lässt; bei Prozessvergleichen ist die Einhaltung des durch § 162 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 160 ZPO vorgeschriebenen Verfahrens nach allgemeiner Ansicht Wirksamkeitsvoraussetzung.

Damit ist ein im Termin geschlossener Vergleich nicht nur gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO im Protokoll festzustellen, sondern diese Feststellungen sind den Beteiligten gem. § 162 Abs. 1 S. 1 ZPO vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Nach § 162 Abs. 1 S. 3 ZPO ist in dem Protokoll zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Diese beiden Erfordernisse sind unverzichtbare, d. h. nicht der Disposition der Beteiligten unterliegende Voraussetzungen der Wirksamkeit des Vergleichs

 

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass der protokollierte Vergleich den Beteiligten nicht vorgespielt bzw. vorgelesen wurde und dass er deshalb nicht von ihnen genehmigt wurde. Denn die Antragstellerin behauptet selbst - auch nach Hinweis des Berichterstatters vom 25. 11. 2010 - nicht, dass dies geschehen sei, und das Protokoll enthält keine diesbezüglichen Feststellungen. Die Einhaltung der Protokollierungsvorschrift des § 162 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nach den oben dargelegten Grundsätzen Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, so dass der Vergleich vom 18. 3. 2010 unwirksam ist und keine ausreichende Grundlage einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme darstellt.

OLG Hamm v. 11.04.2011 - 4 WF 185/10

 

  • Ist tatsächlich vorgelesen/vorgespielt worden und fehlt im Protokoll lediglich der  v.u.g.-Vermerk, kann Protokollergänzung beantragt werden.
  • Ist nicht vorgespielt/vorgelesen worden, fehlt es zwar an einem Vollstreckungstitel, gleichwohl kann ein wirksamer (Partei-)Vergleich geschlossen sein

 

 

 

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