Ab ins kalte Wasser!!! - nur KV, (noch) keine gefährliche KV

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 17.01.2012

Eine durchaus interessant zu lesende Entscheidung zur Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Behandlung:

Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegt vor, wenn das als Körperverletzung zu beurteilende Verhalten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden. Nicht erforderlich ist es, dass das Opfer auch tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176; Urteil vom 4. September 1996 – 2 StR 320/96, NStZ-RR 1997, 67 m.w.N.).
Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte an einem Septemberabend den mit Jeans, Pullover und Schuhen bekleideten 21jährigen Geschädigten in die Elbe zu steigen und sich stromabwärts treiben zu lassen. Der Geschädigte war ein guter Schwimmer, ortskundig und trotz der vorhandenen Dunkelheit räumlich orientiert. Nach etwa 700 m vermochte er an einem Buhnenkopf aus dem Wasser zu steigen und zeitnah ärztliche Hilfe zu erlangen. Er erlitt eine leichte Unterkühlung (Untertemperatur von einem Grad Celsius) und wurde über Nacht im Krankenhaus mit vorgewärmten Infusionen versorgt. Die Elbe hatte zum fraglichen Zeitpunkt eine Temperatur von 15 Grad Celsius, ei-nen Pegelstand von 92 cm über Pegel – was Niedrigwasser entspricht – und eine Fließgeschwindigkeit von 0,81 m/s. Strudelbildungen gab es in dem betref-fenden Flussabschnitt nicht. Zur Wassertiefe und zum Schiffsverkehr hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
Daraus ergibt sich nicht, dass der von dem Angeklagten erzwungene und auf Grund der eingetretenen Unterkühlung als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu beurteilende Aufenthalt des Geschädigten in der Elbe unter Bedingungen erfolgt ist, die dessen Leben zumindest abstrakt in Gefahr gebracht haben.
Das Wasser war mit 15 Grad Celsius noch nicht so kalt, dass eine tödliche Unterkühlung zu befürchten war (vgl. LG Saarbrücken, NStZ 1983, 414). Auch Umstände, die geeignet waren, den Geschädigten in die Gefahr des Ertrinkens zu bringen, sind nicht festgestellt. In dem gleichmäßig und eher langsam fließenden Wasser war eine körperliche Überforderung des Geschädigten nicht zu befürchten. Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte beim Schwimmen wegen der mit Wasser vollgesogenen Kleidung mehr Kraft als erwartet aufwen-den musste, kann noch keine abstrakte Lebensgefährdung abgeleitet werden. Als sich der Geschädigte ins Wasser sinken ließ und zu schwimmen begann, konnte er noch gefahrlos stehen. Panikreaktionen oder ein Orientierungsverlust waren mit Rücksicht auf die Ortskunde des Geschädigten und sein beherrsch-tes Reagieren offenkundig nicht zu befürchten. Andere in der konkreten Situati-on angelegte, aber letztlich nicht wirksam gewordene Gefahrenquellen (vgl. RG Urteil vom 8. April 1884 – II. StrafS 783/84, RGR 6, 282) sind nicht erkennbar.
b) Der Bestand des Schuldspruchs wird durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht in Frage gestellt. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur den Schuldumfang und damit den Straf-ausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 – 2 StR 58/99; KK-StPO/Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 m.w.N.). Zwischen den Feststellungen zu der den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung tragenden gemeinschaftli-chen Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und den Feststellungen zu einer möglichen das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB besteht auch kein innerer Zusammenhang, der eine nochmalige tatrichterliche Entscheidung über den Schuldspruch erforderlich machen würde. Beide Fragen betreffen voneinander abgrenzbare Ausschnitte des Gesamtge-schehens und können daher getrennt beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222, 223 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7).
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Straf-ausspruchs. Obgleich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht ausdrück-lich zum Nachteil des Angeklagten darauf abgehoben hat, dass zwei Tatbe-stände des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht worden sind, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafe bei einem reduzierten Schuldumfang auch niedriger bemessen worden wäre. Der neue Tatrichter wird daher - gegebenen-falls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen - über die Gefährlichkeit der Körperverletzung und die danach schuldangemessene Strafe neu zu befinden haben.

 

BGH, Beschl. vom 25.10.2011 - 4 StR 455/11 -

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