Zulagen und Prämien können der Erfüllung des Mindestlohn-Anspruchs dienen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 01.03.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|5384 Aufrufe

Die Auslegung des Mindestlohngesetzes hat die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerentsenderecht zu beachten. Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Bestandteile des Mindestlohns (EuGH 12. Februar 2015 – C-396/13 – [Sähköalojen ammattiliitto]).

Das hat der Fünfte Senat das BAG entschieden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Telefonistin beschäftigt. Sie erhält neben ihrem Grundlohn (zuletzt 1.280 Euro monatlich) eine Wechselschichtzulage sowie Funk- und Leistungsprämien. Diese addieren sich auf 499,40 Euro, sodass die Klägerin in den streitgegenständlichen Monaten insgesamt 1.779,40 Euro brutto bezog. Sie ist der Auffassung, dass die Prämien nicht der Erfüllung ihres Anspruchs aus § 1 MiLoG dienen könnten, sondern zusätzlich zu gewähren seien. Sie beansprucht daher für die von ihr arbeitsvertraglich geschuldeten 182,5 Stunden im Monat Differenzlohn in Höhe von (182,5 Stunden x 8,50 Euro/Stunde = 1.551,25 Euro, abzüglich gezahlter 1.280 Euro =) monatlich 271,25 Euro.

Ihre Klage blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Das LAG Berlin-Brandenburg hat der Berufung stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen, klageabweisenden Urteils.

Entscheidend sind die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, nicht die vertraglich geschuldeten

Die Klage hatte schon deshalb keinen Erfolg, weil die Klägerin nur vorgetragen hatte, arbeitsvertraglich zur Leistung von 182,5 Stunden im Monat verpflichtet zu sein, nicht aber, diese auch tatsächlich geleistet zu haben. Der Mindestlohn ist aber nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen.

Der Senat hat den Fall aber zum Anlass genommen, sich (obiter dictum) auch zu der von der Klägerin begehrten Berechnung des Mindestlohns zu äußern. Auch hier folgt das BAG der Klägerin nicht. Nicht nur der Grundlohn, sondern auch die Zulagen und Prämien dienten der Erfüllung des Mindestlohnanspruchs. Die Klägerin könne daher auch dann keine zusätzliche Vergütung beanspruchen, wenn man unterstelle, dass sie tatsächlich 182,5 Stunden im Monat gearbeitet habe:

(26) Die Wechselschichtzulage ist eine im Synallagma stehende Geldleistung der Beklagten. Die Klägerin erhält diese als Bruttovergütung ergänzend zum Monats(grund) lohn. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass die Beklagte die Zulage ohne Rücksicht auf die Lage der Arbeitszeit der Klägerin monatlich in gleichbleibender Höhe zahlt. Denn dies spricht allenfalls dafür, dass die Zulage allgemeiner Natur ist und nicht eine Erschwernis der Arbeitserbringung in Wechselschicht ausgleichen soll. Selbst dann wäre die Zulage aber eine für die Arbeitsleistung erbrachte Zahlung. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die Wechselschichtzulage nicht. In § 6 Abs. 5 ArbZG werden besondere Zahlungspflichten lediglich für Nachtarbeitnehmer vorgesehen. Eine entsprechende Regelung für Schichtarbeitnehmer enthält das Gesetz nicht.

(27) Bei der Funkprämie handelt es sich um ein im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Entgelt. Die Beklagte zahlt diese Prämien ohne Rücksicht darauf, ob die Klägerin einzelne Kanäle im Abrechnungszeitraum tatsächlich bedient hat. Damit honoriert sie vorgehaltene Fähigkeiten zur Erbringung der Arbeitsleistung, also die Arbeitsleistung selbst.

(28) cc) Schließlich sind die Leistungszulagen LP1 und LP2 im Synallagma stehende Geldleistungen der Beklagten, die den Mindestlohnanspruch der Klägerin miterfüllen. Dahinstehen kann, ob sie - wie ursprünglich in der Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 vorgesehen - anlässlich einer besonderen Leistung der Klägerin gezahlt werden oder ob es sich dabei um pauschale Zahlungen handelt. Jedenfalls werden die Leistungszulagen als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Klägerin gezahlt und unterfallen daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes.

BAG, Urt. vom 21.12.2016 – 5 AZR 374/16, BeckRS 2016, 115121

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