Abmahnwelle gegen Psychotherapeuten gestoppt

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 27.07.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht2|3596 Aufrufe

Psychotherapeuten in mehreren Bundesländern erhielten seit einigen Wochen Abmahnungen. Vorgeworfen wurde ihnen ein Verstoß gegen § 1 Abs. 8 der neu geänderten Psychotherapie-Richtlinie. Danach sind seit April 2017 Psychotherapeuten mit ganzem Versorgungsauftrag verpflichtet, 200 Minuten pro Woche telefonisch erreichbar zu sein. Die Psychotherapeuten müssen nicht persönlich ansprechbar sein. Sie genügen dieser Verpflichtung, wenn sie den Telefondienst über das Praxispersonal gewährleisten. Die Zeiten, in denen die Praxen telefonisch erreichbar sind, müssen angekündigt werden.

Mit den Abmahnungen wurde ein Verstoß gegen § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gerügt. Verbunden mit der Abmahnung war die Aufforderung, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Andernfalls drohe eine Klage. Gleichzeitig wurden Anwaltsgebühren für das Tätigwerden verlangt.

Inzwischen ließ die  Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz  verlautbaren, dass die Abmahnwelle gestoppt sei. Die Kammer teilte mit, der Anwalt würde nichts mehr unternehmen, die von den abgemahnten Psychotherapeuten bereits unterschriebenen Verpflichtungen als nichtig betrachten und bisher erhaltene Gebühren zurückerstatten. Jetzt würde untersucht, ob sich der Rechtsanwalt wegen eines straf- oder berufsrechtlich Vergehens verantworten müsse.  Bereits vor dieser Entwicklung wies die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz darauf hin, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 8 der Psychotherapeuten-Richtlinie kein Fall für § 3a UWG sei.

Welche Überlegung steckt dahinter?

Hier trifft öffentliches Recht auf Privatrecht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15.03.2017 - B 6 KA 35/16 R, BeckRS 2017, 116554) regele in diesen Fällen § 69 SGB V die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander. Wenn diese ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllten, würden die Vorschriften des UWG nicht gelten. Das heißt: Dient die psychotherapeutische Tätigkeit der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten, ist sie der wettbewerbsrechtlichen Kontrolle entzogen. Werden die Psychotherapeuten, wie bei der Vorhaltung der telefonischen Sprechzeiten, in Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages tätig, so kommt das UWG und seine Marktverhaltensregeln nicht zur Anwendung.

Praxishinweise

Gefahr für's Erste gebannt - Was aber ist bei einer Abmahnung zu tun?

Abmahnungen waren gedacht als Instrument, um zwischen zwei Konkurrenten eine schnelle außergerichtliche Einigung zu erzielen. Ein langer und kostenintensiver Prozess sollte entbehrlich werden. Doch entwickelte sich diese Möglichkeit inzwischen zu einem Abmahngeschäft. Durch das Internet und die technischen Möglichkeiten lassen sich schnell Wettbewerbsverstöße und Urheberrechtsverletzungen finden und ahnden.

Trotzdem ist eine Abmahnung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Kompetenter Rat sollte eingeholt werden. Bis dahin gilt: Nichts unterschreiben und nichts zahlen.  

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2 Kommentare

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Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15.03.2017 - B 6 KA 35/16 R, BeckRS 2017, 116554) regele in diesen Fällen § 69 SGB V die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander.

Ich habe das mal kurz nachgelesen und halte es schon für recht mutig, wie das BSG Regelungen, die ausdrücklich zwischen Kasse und Leistungserbringer gelten, kurzerhand auch für das Verhältnis der Leistungserbringer untereinander anwendet, und zwar nur, weil der Gesetzgeber das angeblich so gewollt habe, obwohl das Gesetz selbst dafür überhaupt nichts hergibt. Na gut, wenn Rom spricht, hat die Provinz selbstverständlich zu schweigen und nur noch abzunicken. Aber richtig scheint mir das nicht.

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Kinder (oder deren Eltern) wegen Raubkopierens abmahnen - okay.

Psychotherapeuten wegen Verstoßes gegen Pflichten zur Erreichbarkeit abmahnen - nicht okay.

Ob die Verhältnisse umgekehrt wären, wenn die Zuständigkeiten von BSG und BGH umgekehrt wären?

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