Sparkasse Herne: 115.000 Euro weg - Verdachtskündigung unwirksam

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.08.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|5629 Aufrufe

Die Sparkasse Herne muss eine Mitarbeiterin weiterbeschäftigten, die sie verdächtigt, 115.000 Euro unterschlagen zu haben. Wie schon das ArbG Herne hat jetzt auch das LAG Hamm der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin stattgegeben. Eine Verdachtskündigung erfordere zwingend die vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers. In dieser Anhörung müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig konkret mit den verdachtsbegründenden Umständen konfrontieren. Eine diesen Anforderungen genügende Anhörung hatte die Sparkasse nach den Feststellungen des LAG Hamm nicht durchgeführt.

Die 52-jährige Klägerin ist seit 1991 bei der beklagten Sparkasse als Kassiererin beschäftigt. Am 28.5.2015 nahm sie gegen 9.40 Uhr einen verplombten Geldkoffer der Bundesbank von einem Geldtransportdienst entgegen. In diesem Koffer, den sie selbst am Tag zuvor bei der Bundesbank angefordert hatte, sollten sich 115.000 Euro in 50-Euro-Scheinen befinden (= 2.300 Scheine). Sie stellte den Koffer zunächst im nur teilweise einsehbaren Kassenbereich ab, in dem sie sich aufhielt. Gegen 10.00 Uhr öffnete sie unter Verletzung des von der Sparkasse vorgegebenen Vier-Augen-Prinzips den Koffer allein. Unstreitig rief sie sodann einen Kollegen hinzu, der im Koffer je eine Packung Waschpulver und Babynahrung, aber kein Bargeld erblickte. Die Klägerin behauptet, eben diese Füllung nach dem Aufbrechen der Plombe bei der Öffnung des Koffers vorgefunden zu haben.

Die Sparkasse erstattete Strafanzeige und führte eigene Ermittlungen durch. Fast ein Jahr nach dem Vorfall, am 19.4.2016, kündigte sie der Klägerin dann außerordentlich. Zu ihrer Überzeugung besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin selbst das Geld unterschlagen habe. Dafür sprächen zahlreiche Indizien. Die Klägerin hätte schon gar keinen dienstlichen Anlass gehabt, einen Betrag von 115.000 Euro in 50-Euro-Scheinen bei der Bundesbank anzufordern. Nach dem Abhandenkommen des Geldes habe sie auffällige finanzielle Transaktionen getätigt. In ihrem Bankschließfach seien 40.000 Euro - wenn auch mit anderen Seriennummern als das verschwundene Geld - gefunden worden.

Das ArbG Herne hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben (Urt. vom 4.10.2016 - 3 Ca 1053/16). Für eine Verdachtskündigung sei eine hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass dem betroffenen Arbeitnehmer das fragliche Fehlverhalten wirklich vorzuwerfen sei. Hier aber sei die Täterschaft anderer Personen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Die Berufung der Sparkasse blieb beim LAG Hamm ohne Erfolg. Es fehle schon an einer ordnungsgemäßen Anhörung der Klägerin zu der ihr zur Last gelegten Tat, wie er für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung unabdingbar sei.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Anklage erhoben.

LAG Hamm, Urt. vom 14.8.2017 - 17 Sa 1540/16

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