Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für die Besetzung einer Schicht?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.08.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|5210 Aufrufe

Der Betriebsrat kann über sein Mitbestimmungsrecht beim betrieblichen Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) ggf. eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Arbeitnehmern erzwingen. Ein Spruch der Einigungsstelle, der eine solche Besetzungsregelung trifft, kann rechtmäßig sein. Das hat das Arbeitsgericht Kiel entschieden.

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik. Zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Auseinandersetzungen über die Frage der Mindestbesetzung für den Pflegedienst auf bestimmten Stationen. Im Frühjahr 2013 wurde eine Einigungsstelle zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten gebildet. Die Einigungsstelle holte insgesamt drei Gutachten zur konkreten Belastungs- und Gefährdungssituation des auf diesen Stationen tätigen Pflegepersonals ein. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass die Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit der Arbeitnehmer in bestimmten Krisensituationen – etwa bei erhöht pflegebedürftigen Patienten, Komplikationen und OP-Spitzen – wahrscheinlich überschritten werde. Ein arbeitswissenschaftliches Gutachten enthält fundierte Aussagen und Berechnungsmethoden darüber, mit welchen Arbeitsbedingungen dem begegnet werden kann.

Da die Betriebsparteien keine Einigung erzielen konnten, fällte die Einigungsstelle am 8.12.2016 einen Spruch. Dieser sieht eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften für bestimmte Belegungssituationen vor.

Die Arbeitgeberin hat den Spruch angefochten. Ihr Antrag blieb beim Arbeitsgericht Kiel ohne Erfolg. Dem Betriebsrat stehe gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz zu. Das beziehe sich auch auf Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden bei konkreten Gefährdungen, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden seien. Die Vorgabe einer Mindestbesetzung sei durchaus eine Maßnahme, mit der der Gefährdung der Arbeitnehmer begegnet werden könne. Der durch die Besetzungsregel bewirkte Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers (Art. 12 Abs. 1 GG) sei durch die kollidierenden Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer, insbesondere deren Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), gerechtfertigt.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

ArbG Kiel, Beschluss vom 26.7.2017 - 7 BV 67c/16, Pressemitteilung hier

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