Zusatzurlaub für Silberhochzeit trotz Trennung?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 28.11.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3810 Aufrufe

Ein vor kurzem veröffentlichtes Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (8.6.2017 - 6 Sa 464/16, BeckRS 2017, 131031) beschäftigt sich mit der Auslegung eines Tarifvertrags. Gestritten wurde um zwei Tage bezahlten Zusatzurlaub wegen 25-jährigen Bestehens der Ehe (Silberhochzeit).

Die Klägerin ist seit 2010 bei einer privaten Klinik im Raum Trier als Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigt. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Tarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

㤠16 Freistellung von der Arbeit

2. Der/Die Arbeitnehmer/-in wird unter Fortzahlung der Vergütung gem. § 14 Abs. 1 (Erholungsurlaub) und insoweit die Freistellung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis steht, aus folgenden Anlässen von der Arbeit freigestellt:

d) bei der silbernen Hochzeit des/der Arbeitnehmerin: 2 Arbeitstage“

Die Klägerin hat am 14. September 1990 standesamtlich die Ehe geschlossen, lebt jedoch von ihrem Ehemann getrennt. Diesen Umstand hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, welche in ihrer Personalakte den Vermerk „getrennt lebend“ festgehalten hat. Am 5. August 2015 hat die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Zusatzurlaub wegen „Silberhochzeit (Standesamt)“ für den 14. und 15. September 2015 gestellt. Der Antrag wurde von der beklagten Klinik unter Hinweis auf ihr Getrenntleben abgelehnt. Dabei wies sie darauf hin, dass es Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmung sei, dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, Familienfeiern, die im Zusammenhang mit dem 25-jährigen Bestehen seiner Ehe durchgeführt würden, in Ruhe vor- und nachbereiten zu können und hierfür keinen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen zu müssen. Auch wenn die tatsächliche Durchführung einer Familienfeier keine Voraussetzung für den Anspruch auf den Zusatzurlaub sei, sei nach dem Wortlaut der Tarifnorm unabdingbare Voraussetzung für die Freistellung, dass die zusätzlichen Urlaubstage in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Silberhochzeit stehen. Dies setze zwingend voraus, dass die Ehe tatsächlich noch bestehe und fortgeführt werde, was bei einem Getrenntleben nicht der Fall sei. Das LAG Mainz sieht dies indes anders: Dass der zeitliche Mehraufwand in jedem Einzelfall tatsächlich anfallen und vom Anspruchsteller nachzuweisen ist, setze der Tarifvertrag nicht voraus, sondern stelle pauschal auf das grundsätzliche Vorliegen des Anlasses ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände ab. Damit hätten die Tarifvertragsparteien die Erfüllung des Zwecks der Freistellungen - Ausgleich eines üblicherweise anfallenden Mehraufwandes - im Einzelfall gerade nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben, sondern den Freistellungsanspruch aufgrund einer generalisierenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse anerkannt. Vor diesem Hintergrund komme es im Fall des Freistellungsanspruchs wegen Silberhochzeit weder darauf an, ob die Eheleute in häuslicher Gemeinschaft leben, noch ob sie den Tag der Silberhochzeit durch eine Festivität oder ähnliches begehen. Letztlich spreche auch die Praktikabilität der Umsetzung der Tarifnorm entscheidend dafür, dass eine fehlende häusliche Gemeinschaft eines Mitarbeiters/ einer Mitarbeiterin einem Freistellungsanspruch nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV nicht entgegensteht. Denn für das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft könne es im Rahmen einer bestehenden Ehe unterschiedliche Ursachen geben (z.B. berufliche Gründe). Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt sei es nicht zu beanstanden, dass die Tarifpartner für den Freistellungsanspruch allein auf den formalen Bestand der Ehe abgestellt haben, nachdem die Prüfung der Ursache für das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft durch den Arbeitgeber - ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit überhaupt - nicht praktikabel wäre.

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