LAG Hessen: Streik um Tarifsozialplan zulässig

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.07.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4131 Aufrufe

Die Zulässigkeit und vor allem die Erstreikbarkeit von sog. tariflichen Sozialplänen (=Tarifsozialplänen) war lange Zeit höchst umstritten, da hier das Unternehmen von zwei Seiten in die Zange genommen werden kann, einerseits vom Betriebsrat nach den §§ 111 ff. BetrVG und andererseits von der Gewerkschaft auf Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags. In dem grundlegenden Urteil vom 6.12.2006 (NZA 2007, 821) hat das BAG die unter verschiedenen Gesichtspunkten bestehenden rechtlichen Bedenken an einer solchen Vorgehensweise der Gewerkschaft für unbegründet gehalten. Die Instanzgerichtsbarkeit folgt dieser Rechtsprechung, wie eine neuere Entscheidung des LAG Hessen (Urteil vom 16. Juli 2018 - 16 SaGa 933/18, PM Nr. 06/2018) zeigt. Im jetzt entschiedenen Fall ging es um einen bereits seit ca. vier Wochen andauernden Streik der Arbeitnehmer des Automobilzulieferers „Neue Halberg-Guss GmbH“ in Leipzig und Saarbrücken. Nach dem Streikaufruf wollen sie damit Ausgleichsleistungen für den Verlust der Arbeitsplätze wegen der angekündigten Werksschließung in Leipzig erreichen. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möchte die „Neue Halberg-Guss GmbH“ gegenüber der IG Metall ein gerichtliches Verbot der Streiks erreichen. Ebenso wie in der ersten Instanz blieb die Arbeitgeberin auch in der zweiten Instanz ohne Erfolg. Das LAG Hessen erläuterte, dass nach der Rechtsprechung des BAG um den Abschluss eines Tarifsozialplans gestreikt werden dürfe. Es könne nicht unterstellt werden, dass tatsächlich andere, unzulässige Streikziele verfolgt würden. Die Arbeitgeberin hatte in dem Eilverfahren geltend gemacht, die IG Metall wolle in erster Linie die Prevent-Gruppe als Gesellschafter treffen und eine Schließung des Werks in Leipzig verhindern. Nach seiner Entscheidung habe das LAG nicht vorab zu bewerten, ob die Streikforderungen sich in einem angemessenen und wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bewegten. Der Streik sei auch nicht unverhältnismäßig, da er geführt werden müsse, um Verhandlungen über einen Ausgleich für die Arbeitnehmer zu erreichen, die ihren Arbeitsplatz durch die Schließung des Leipziger Betriebs verlieren werden. Das Gericht ist der Behauptung der Arbeitgeberin nicht gefolgt, der Streik werde wirtschaftlich existenzvernichtend geführt.

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