Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.06.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|11163 Aufrufe

Seit dem Beschluss vom 3.5.1994 (1 ABR 24/93, NZA 1995, 40) entspricht es ständiger Rechtsprechung des BAG, dass der Betriebsrat bei Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Diese Auffassung wird zwar, weil § 23 Abs. 3 BetrVG einen solchen Anspruch nur "bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz" (Hervorhebung diesseits) zuerkennt, bis heute kritisiert, hat sich aber in der Praxis fest durchgesetzt.

In einem aktuellen Beschluss zieht das BAG nun erstmals Grenzen für diesen Unterlassungsanspruch:

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik, in der 335 Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten im ärztlichen Dienst, im allgemeinen Pflegebereich und in verschiedenen Funktionsbereichen beschäftigt sind. Für deren Tätigkeit stellt die Arbeitgeberin monatlich neu einen Dienstplan auf. Seit Anfang 2015 herrscht zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat Streit über die Aufstellung dieser Dienstpläne. Über ein Jahr gelang es den Betriebsparteien nicht, rechtzeitig vor Monatsbeginn eine Einigung über die neuen Dienstpläne zu erreichen. Zur Aufrechterhaltung des Klinikbetriebes stellte die Arbeitgeberin die Pläne alleine auf. Der Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung dieser Verfahrensweise blieb beim Ersten Senat des BAG ohne Erfolg:

Eine gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßende und damit unzulässige Rechtsausübung kann ausnahmsweise vorliegen, wenn sich eine Betriebspartei auf eine formale Rechtsposition beruft, die sie durch ein in erheblichem Maße eigenes betriebsverfassungswidriges Verhalten erlangt hat. (Rn. 45) ... Er (der Betriebsrat - C.R.) hat weder versucht, innerbetrieblich im Sinne eines konstruktiven Dialogs mit der Arbeitgeberin in Verhandlungen über die Ausgestaltung der - aus seiner Sicht - nicht ordnungsgemäßen Dienstpläne einzutreten, noch hat er sich bemüht, mit Hilfe der nach § 87 Abs. 2 BetrVG vom Gesetzgeber vorgesehenen Konfliktlösung zu einer Einigung über die streitigen Dienstpläne zu gelangen. Vielmehr hat er jeden Monat - bis auf zwei Ausnahmefälle - jegliche Mitwirkung bei einer einvernehmlichen Errichtung der unstreitig zuständigen Einigungsstelle verweigert und damit deren unverzügliches Tätigwerden verhindert. Soweit die Einigungsstelle auf Betreiben der Arbeitgeberin noch vor Beginn des Dienstplanzeitraums vom Arbeitsgericht eingesetzt wurde, hat er in fast allen Monaten keinerlei Bereitschaft gezeigt, noch vor Rechtskraft des Beschlusses einen Termin zur Verhandlung in der Einigungsstelle abzustimmen. Durch dieses beharrliche Verhalten hat der Betriebsrat sich allen Versuchen, im Rahmen der Verhandlungen vor der Einigungsstelle einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu erzielen, verschlossen. (Rn. 55)

BAG, Beschluss vom 12.3.2019 - 1 ABR 42/17, BeckRS 2019, 9427

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen