Rechtsschutz und rechtliches Gehör im Presse- und Wettbewerbsrecht in den Augen des BVerfG
von , veröffentlicht am 28.08.2020Muss der Richter den Antragsgegner vor Erlass einer einstweiligen Verfügung anhören?
- In der Regel ist diese Frage zu bejahen (BVerfG NJW 2018, 3634 Rn. 31).
Wann ist es anders? In 2 Fällen:
- Fall 1: Wenn sich der Antragsgegner vorprozessual äußern konnte und dem Gericht eine Abmahnung und die Antwort vollständig vorliegen (BVerfG NJW 2020, 2021 Rn. 18; NJW 2018, 3634 Rn. 34).
- Darf man sich Zeit lassen?
- Nein (BVerfG NJW 2020, 2021 Rn. 18). Die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung genügen nur dann, wenn der Verfügungsantrag im Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht wird.
- Muss ich die Abmahnung und ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift einreichen?
- Ja (BVerfG NJW 2020, 2021 Rn. 18).
- Darf der Antrag von dem abweichen, was vorprozessual verlangt wurde?
- Nein (BVerfG BeckRS 2020, 17728 Rn. 13; BVerfG NJW 2018, 3634 Rn. 35/Rn. 36).
- Die vorprozessuale Abmahnung und der bei Gericht eingereichte Antrag müssen vollständig wortlgleichidentisch sein (BVerfG BeckRS 2020, 13380 Rn. 14).
- Ist erkennbar eine solche Identität nicht gegeben, beispielsweise, weil der bei Gericht eingereichte Antrag auf die Erwiderung der Gegenseite inhaltlich eingeht und repliziert, muss das Gericht den Antrag zu Gehör der Gegenseite bringen (BVerfG BeckRS2020, 13380 Rn. 14).
- Reicht eine Schutzschrift?
- Nein (BVerfG BeckRS 2020, 13380 Rn. 17). Es ist der Gegenseite nicht zuzumuten, auf diese Weise vorsorglich auf einen Vortrag zu erwidern, den sie noch nicht kennen kann.
- Gegenausnahme
- Gehör ist trotz allem zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteilt, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfährt (BVerfG BeckRS 2020, 17728 Rn. 16; BVerfG NJW 2020, 2021 Rn. 19; BVerfG NJW 2018, 3631 Rn. 24).
- Dies gilt insbesondere, wenn es bei Rechtsauskünften in Hinweisform darum geht, einen Antrag gleichsam nachzubessern oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abzugeben.
- Darf man sich Zeit lassen?
- Fall 2: Wenn die Anhörung den Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise vereiteln würde (BVerfG NJW 2018, 3634 Rn. 28). In diesen seltenen Fällen reicht es aus, nachträglich Gehör zu gewähren (BVerfG NJW 2018, 3634 Rn. 28).
- Gilt das alles im Urheberrecht auch?
- Meines Erachtens ja.
- Und sonst im gewerblichen Rechtsschutz, etwa im Marken- oder Patentrecht?
- Auch.
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