BGH: Zum Umfang der negativen Legitimationswirkung der GmbH-Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 08.12.2020

Der BGH hat mit Urteil vom 10. November 2020 (II ZR 211/19) erstmals entschieden, dass ein nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragener Geschäftsanteil nach einer möglicherweise gescheiterten Einziehung erneut eingezogen werden kann.

Hier wies die nach einem Einziehungsbeschluss aktualisierte Gesellschafterliste den betroffenen Geschäftsanteil als „nach Einziehung erloschen“ aus. Später beschloss die Gesellschaft vorsichtshalber erneut die Einziehung.

Nach Ansicht des Senats ist jedenfalls bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer vorherigen Einziehung ein weiterer Einziehungsbeschluss zulässig, selbst wenn der Anteil nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Die GmbH habe ein legitimes Interesse daran, die Einziehung durch die Neuvornahme des Beschlusses vorsorglich abzusichern.

Es sei der GmbH nicht zumutbar, den Geschäftsanteil vor der erneuten Einziehung wieder in die Liste aufzunehmen. Durch die Löschung des Geschäftsanteils aus der Liste werde zwar die formale Gesellschafterstellung des betroffenen Gesellschafters beendet, die materiell-rechtliche Gesellschafterstellung werde jedoch nicht berührt. Materielle und formale Gesellschafterstellung könnten entkoppelt sein. Eine Wiederaufnahme in die Liste würde ein widersprüchliches Verhalten darstellen und dem Gesellschafter, in dessen Person ein wichtiger Grund für die Einziehung vorliege, ermöglichen, seine Mitgliedschaftsrechte wieder auszuüben.

Der Einziehungsbeschluss konnte gegenüber dem betroffenen Gesellschafter gefasst werden, obwohl dieser mit seinem Geschäftsanteil nicht mehr in der aktuellen Liste verzeichnet war. Die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG stehe einem Beschluss nicht entgegen. Die Inkongruenz von formaler und materieller Gesellschafterstellung sei in dieser Situation unter Berücksichtigung des Normzwecks hinnehmbar, zumal die Liste danach wieder der materiellen Rechtslage entspreche.

Ob § 16 Abs. 1 GmbHG eine Gesellschaft generell daran hindere, gegen den materiell Berechtigten, aber nicht eingetragenen Gesellschafter vorzugehen, lässt der Senat ausdrücklich offen.

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