IG Metall für Abschaffung des Doppelstimmrechts bei der Unternehmensmitbestimmung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.01.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2805 Aufrufe

Mit starken Tönen hat die IG Metall das neue Jahr eingeläutet. Unter dem Schlagwort „Mehr Demokratie im Betrieb“ fordert die IG Metall mehr Mitbestimmung und ein Ende des Doppelstimmrechts für Aufsichtsratsvorsitzende in mitbestimmten Aktiengesellschaften. Die Doppelstimme des von der Kapitalseite gestellten Vorsitzenden kommt zum Tragen, wenn es bei Abstimmungen in einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat ein Patt gibt. Das sorgt dafür, dass die Arbeitgeberseite die Arbeitnehmer im Zweifel immer überstimmen kann (vgl. § 29 Abs. 2 MitbestG).

Insbesondere bei Standort-Entscheidungen reiche es nicht aus, nur nach den Interessen der Aktionäre zu handeln, sagte der Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, der Deutschen Presse-Agentur. In Zeiten der starken öffentlichen Unterstützung für Betriebe während der Corona-Pandemie müssten sämtliche Interessengruppen berücksichtigt werden.

„Es geht um tausende Schicksale und den Erhalt von Industriearbeitsplätzen“, sagte der Gewerkschafter zum Fall des Autozulieferers Continental, der allein in Deutschland 13 000 Stellen streichen und dafür unter anderem Produktionswerke in Aachen sowie in den hessischen Standorten Babenhausen und Karben schließen will. Das Sparprogramm sei 2019 gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter beschlossen worden und solle nun ohne Abstriche durchgezogen werden, sagte Köhlinger. „Diese Herr-Im-Haus-Haltung reicht aber nicht, um die Transformation der Autoindustrie zu bewältigen.“ Auch die IG BCE hat sich mit Blick auf Conti-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle für eine Änderung des Mitbestimmungsgesetzes ausgesprochen.

Über die Berechtigung dieser rechtspolitischen Forderungen wird man streiten können. Derzeit dürfte einer Abschaffung des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mitbestimmungsgesetz vom 1.3.1979 (AP MitbestG § 1 Nr. 1) entgegenstehen. Die Grundrechtspositionen der Anteilseignerseite (insbes. Eigentums- und Berufsfreiheit) sah das BVerfG in dieser Entscheidung als noch gewahrt an, da „der Einfluss der Mitwirkung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auf die Unternehmensführung grundsätzlich kein ausschlaggebender (ist); vielmehr kommt den von den Anteilseignern der Gesellschaft als Unternehmensträger gewählten Aufsichtsratsmitgliedern das Letztentscheidungsrecht zu.“

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