Entgeltgleichheit – BAG stärkt Frauen den Rücken

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 24.01.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|2822 Aufrufe

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), das am 6.7.2017 in Kraft getreten ist, hat bislang in der Rechtsprechung noch keinen großen Widerhall gefunden. Umso gespannter darf man auf erste höchstrichterliche Äußerungen sein. Eine gerade in Form einer Pressemitteilung bekannt gemachte Entscheidung des BAG (21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19, PM 1/21) befasst sich mit den naheliegenden Bezügen des EntgTranspG zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).  

In dem jetzt entschiedenen Fall ging es um eine als Abteilungsleiterin beschäftigte Frau . Sie erhielt im August 2018 von ihrer Arbeitgeberin eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG, aus der u.a. das Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als „auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Das Vergleichsentgelt liegt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der klagenden Arbeitnehmerin. Mit ihrer Klage verlangt die Abteilungsleiterin die Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019.

Beim BAG hatte sie nun Erfolg. Aus der von der beklagten Arbeitgeberin erteilten Auskunft ergäbe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liege in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhalte. Die Klägerin habe gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt sei geringer als das der Vergleichsperson gezahlte gewesen. Dieser Umstand begründe zugleich die - von der Beklagten widerlegbare - Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren hat. Aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen konnte der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich müsse den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen gegeben werden. Dies führte dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG.

Die Entscheidung stärkt die Rechte von Frauen, die auf gleiche Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen pochen. Das Eingreifen der Beweislastregel des § 22 AGG führt erfahrungsgemäß zu einer deutlichen Verschiebung der Gewichte zugunsten des Arbeitnehmers. An die Widerlegung der Vermutung werden nämlich hohe Anforderungen gestellt. Ähnlich äußerte sich auch der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke. Das höchstrichterliche Urteil erleichtere juristische Verfahren bei Entgeltdiskriminierung. Mit dem Urteil des BAG kehre sich die Beweislast um. Arbeitgeber müssten nachweisen, nicht zu diskriminieren, erklärte Franke. Betroffene hätten es in der Vergangenheit schwer gehabt, gegen eine schlechtere Bezahlung wegen ihres Geschlechts vorzugehen.

 

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