ArbG Dortmund: Kein Entfallen des Entgeltsanspruchs bei einer arbeitgeberseitig angeordneten Quarantäne

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.03.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|1819 Aufrufe

Über die Risikoverteilung in Fällen Corona-bedingten Arbeitsausfalls ist in den letzten Monaten viel geschrieben worden (z.B. Preis/Mazurek/Schmid, Rechtsfragen der Entgeltfortzahlung in der Pandemie, NZA 2020, 1137). Seit kurzem liegt nun eine – soweit ersichtlich – erste instanzgerichtliche Entscheidung vor, die sich mit den vergütungsrechtlichen Folgen einer durch den Arbeitgeber angeordneten Quarantäne beschäftigt. Das ArbG Dortmund (Urteil vom 24.11.2020 – 5 Ca 2057/20, BeckRS 2020, 43244) hatte folgenden Fall zu entscheiden:

Die Parteien streiten um die Vergütung von ausgefallener Arbeitszeit nach einer Quarantäne-Anordnung durch die Arbeitgeberin. Diese hatte den Kläger aufgefordert, nach seinem Urlaub in Österreich zwei Wochen zu Hause zu bleiben und in Quarantäne zu gehen, da Tirol durch das RKI als Risikogebiet aufgelistet worden sei. Dieser Aufforderung der Arbeitgeberin kam der Kläger nach. Die Arbeitgeberin verrechnete die durch die Quarantäne ausgefallene Arbeitszeit mit entsprechenden Positivsalden des Arbeitszeitskontos des Klägers.

Das ArbG hat der Klage auf Gutschrift der durch die Quarantäne ausgefallenen Arbeitsstunden stattgegeben. Der klagende Arbeitnehmer habe einen Anspruch auf Gutschrift der dem Arbeitszeitskonto abgezogenen Stunden aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag i.V. m. den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre i.V.m. § 615 S. 1 u. 3 BGB. Im Fall einer Quarantäneanordnung werde der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der gesetzlichen Risikoverteilung nur dann von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung frei, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde beispielsweise eine Betriebsschließung oder eine Quarantäne einzelner Arbeitnehmer anordnet. Eine behördliche Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch das zuständige Gesundheitsamt sei im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen. Beschließe ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb, seinen Betrieb zu schließen oder einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der sonstigen Belegschaft in Quarantäne zu schicken, trage er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gälte nach den dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen selbst dann, wenn die Störung - wie im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2 - nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt.

Interessant ist noch folgende Überlegung des ArbG, die allerdings im konkreten Fall nicht zum Tragen kam: „Anderes kann nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer, worauf die Beklagte wohl abstellen will, quasi sehenden Auges entgegen einer Einstufung des RKI ein Risikogebiet aufsucht, um dort Urlaub zu machen. Nach der Gefahrensphärentheorie wäre in solchen Fällen zumindest ein Überwiegen der Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers anzunehmen, das möglicherweise dazu führt, dass er das Vergütungsrisiko für den Arbeitsausfall zu tragen hätte. Eine solche Konstellation lag hingegen im vorliegenden Fall nicht vor, …“

Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt beim LAG Hamm unter dem Az.: 10 Sa 53/21.

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