ArbG Berlin: Bezeichnung einer Vorgesetzten als „Ming Vase“ kann fristlose Kündigung rechtfertigen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.05.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|2068 Aufrufe

Bei einer Ming Vase handelt es sich um einen form- und farbschönen, äußert wertvollen Gegenstand aus der Blütezeit (Ming-Dynastie von 1368 bis 1644 n.Chr.) der chinesischen Porzellanmanufaktur. Dass der Begriff „Ming-Vase“ auch in herabsetzender Weise verwendet werden kann, zeigt indes ein gerade vom ArbG Berlin (Beschluss vom 5. Mai 2021, Aktenzeichen 55 BV 2053/21, PM 15/21) entschiedener Fall. Der Pressemitteilung lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob das Gericht eine Diskriminierung im Sinne des AGG angenommen hat (insoweit wäre wohl das Merkmal der ethnischen Herkunft einschlägig gewesen) oder eine herabsetzende Ausdrucksweise angenommen hat, die als solche ebenfalls kündigungsrelevant sein könnte.

Eingekleidet war die Stellungnahme des Gerichts in ein Verfahren der Zustimmungsersetzung zu einer außerordentlichen Kündigung (§ 103 BetrVG). Die betroffene Verkäuferin war nämlich als Ersatzmitglied in den Betriebsrat nachgerückt. Der Betriebsrat hatte die Zustimmung mit der Begründung verweigert, er verurteile Rassismus aufs Schärfste, sehe aber bei der betroffenen Verkäuferin kein rassistisches Gedankengut.

Das ArbG Berlin hat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ersetzt und zur Begründung ausgeführt: Die Bezeichnung der mit den Worten „Ming Vase“ gemeinten Vorgesetzten und die zur Verstärkung der Worte verwendeten Gesten der Mitarbeiterin seien zur Ausgrenzung von Mitmenschen anderer Herkunft, deren Beleidigung und zu deren Herabsetzung geeignet und rechtfertigen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls eine außerordentliche Kündigung. Die Verkäuferin habe zunächst gegenüber einer Kollegin gesagt, „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase“. Sie habe auf Nachfrage eines anwesenden Vorgesetzten, was damit gemeint sei erklärt „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase“ und die Augen mit den Fingern nach hinten gezogen, um eine asiatische Augenform zu imitieren. In der dann erfolgten arbeitgeberseitigen Anhörung zu dem Vorfall habe die Verkäuferin erklärt, eine Ming Vase stehe für sie für einen schönen und wertvollen Gegenstand. Das Imitieren der asiatischen Augenform sei erfolgt, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen, bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde. In der Gesamtbetrachtung liege eine rassistische Äußerung vor, die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeber verletze. Hierin liege eine erhebliche Herabwürdigung der gemeinten Vorgesetzten. Zudem sei es für ein Kaufhaus von internationalem Ruf nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming Vase oder Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichnen könnte.

 

 

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2 Kommentare

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Ja, Ming-Vasen sind schön und wertvoll. Aber auch unflexibel, antiquiert und innen hohl. Vielleicht wollte die Verkäuferin diese Eigenschaften beschreiben? Vermutlich hat sie gar nicht so weit gedacht, sondern ist der vermeintlichen Erkenntnis "Schlitzauge-->Chinese-->Ming-Vase" erlegen.

Der Fall zeigt, dass Rassismus nicht am Begriff klebt, sondern im Kopf steckt. Eine Rassistin kann einen gewählteren Begriff finden, aber die Aussage ist rassistisch gemeint und wird als rassistisch erkannt. Ein Fall, der die Theorie von der "Euphemismus-Tretmühle" bestätigt. Und der zeigt, dass das Bemühen der Experten für erlaubte Sprache, die vor Mohren-Apotheken demonstrieren und Kinderbücher verbrennen wollen, sinnlos ist. Es ist eben nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wahre Wille zu erforschen, wie das BGB so schön sagt. Wenn man das ehrlich und sachlich tut, dann stellt sich heraus, dass der "Mohren-Apotheker" gar kein Rassist ist, die Verbreiterin des Spitznamens  Ming-Vase aber durchaus.

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O, ich dachte, der Fall hätte mit Heiterkeit zu tun. "Ming-Vase" - da hätte ich mir einen proper parfümierten und angemalten, ziemlich rundlichen Herrn vorgestellt, der nicht liebt, attackiert/kritisiert/"angepackt" zu werden. Dem man anbetungsvoll in seiner feisten Rundlichkeit zu liebdienern hat.

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