LEIVTEC: Aussetzung der Vollstreckung im Wiederaufnahmeverfahren beim AG Oldenburg

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.08.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3393 Aufrufe

Bereits mehrfach lief an dieser Stelle die Problematik der (seit Einführung des Messgerätes) fehlenden Zuverlässigkeit von Messungen mit LEIVTEC XV3. Während derzeit wohl alle noch irgendwo laufenden Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt werden, weil niemand weiß, ob die Messungen noch zu retten sind, ist es für rechtskräftig mit einer Geldbuße (und ggf. sogar Fahrverbot) belegte Betroffene schwieriger. Wiederaufnahmen in Bußgeldsachen sind schwierig (wer als Verteidiger mit der Thematik befasst ist, kann ein schönes Kapitel mit Muster hierzu in meinem bald in 5. Aufl. erscheinenden Buch "Fahrverbot in Bußgeldsachen" lesen). Das AG Oldenburg hatte gerade solch ein Verfahren und zunächst einmal die Vollstreckung "angehalten":

 

Die Vollstreckung aus dem Urteils des Amtsgerichts Cloppenburg vom 02.12.2020, rechtskräftig seit dem 05.03.2021, wird gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 360 Abs. 2 StPO aufgeschoben.

 Gründe: 

 Der Betroffene wurde wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung u.a. zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.

 Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 gemessen.

 Die Gebrauchsanweisung des Geschwindigkeitsmessgeräts vom 01.12.2014 wurde am 14.12.2020 ergänzt. In dieser heißt es wörtlich:

 Zur Verwertbarkeit der Beweisbilder muss für alle in Kapitel 5.4 aufgeführten Kriterien zusätzlich folgende Bedingung für das Messung-Start-Bild erfüllt sein:

 Sofern sich im Messung-Start-Bild nicht das komplette Kennzeichen innerhalb des Messfeldrahmens befindet, muss die innerhalb des Messfeidrahmens abgebildete Breite des Kennzeichens mindestens der zweifachen Höhe des Kennzeichens entsprechen. Bei Messungen mit Einfahrt des Fahrzeugkennzeichens in den Messfeldrahmen von oben muss im Messung-Start-Bild das gesamte Kennzeichen innerhalb des Messfeldrahmens abgebildet sein.

 Bei Messungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, sind Abweichungen zumindest nicht auszuschließen.

 Darüber hinaus hat auch das OLG Oldenburg im Beschluss vom 20.04.2021 - 2 Ss (OWi) 92/21 ausgeführt, dass selbst bei Einhaltung der Vorgaben aus der ergänzenden Gebrauchsanweisung vom 14.12.2020 derzeit die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens nicht mehr für gegeben angesehen werden, da die PTB auch hierbe unzulässige Messwertabweichungen festgestellt hat.

 Insoweit können Messwertabweichungen zu Lasten des Betroffenen zumindest nichi ausgeschlossen werden, weshalb konkrete Tatsachen vorliegen, die eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit an der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund des Wiederaufnahmeantrags des Betroffenen begründen und in dessen Folge auch eine geringere Bestrafung in Betracht käme.

 Vor diesem Hintergrund war zunächst die weitere Vollstreckung des Urteils aufzuschieben.

AG Oldenburg Beschl. v. 26.6.2021 – 775 Js 56106/20, BeckRS 2021, 16803

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